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Legenden: Stepic, Treichl, Geyer

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 © Philipp Horak, Rene Prohaska

Herbert Stepic, Andreas Treichl und Günter Geyer (v.l.n.r.)

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Die 55 trend-Legenden (XVI): Die Eroberer des Ostens. Drei Finanzmanager erkannten in den 90er-Jahren als Erste das Potenzial unserer Nachbarländer. 

Es war die goldene Zeit der heimischen Finanzwirtschaft. Schon früh erkannten österreichische Manager das Potenzial, das im unterentwickelten Osten steckte, und begannen bereits vor dem Fall des Eisernen Vorhangs Ende der 1980er-Jahre, ihre Fühler dorthin auszustrecken. Heute würde man sie wohl First Mover nennen. 

Ganz vorne schritt damals der Raiffeisen-Mann Herbert Stepic, der mit seiner hemdsärmeligen Art in Osteuropa besonders gut ankam. Zuerst als Auslandschef der Raiffeisen Zentralbank, später als CEO der abgespalteten Raiffeisen Bank International bescherte er den Giebelkreuzlern einige Jahre unglaubliches Wachstum. 1997 schließlich wagte sich Stepic als einer der ersten westlichen Manager nach Russland und gründete dort die ZAO Raiffeisen Bank. Im Jahr 2005, als trend ihn zum „Mann des Jahres“ kürte, zählte die Bank 42.000 Mitarbeiter – in etwa so viele wie heute – in 16 Ländern. In diesem Jahr brachte er das Institut auch erfolgreich an die Wiener Börse. 2013 aber musste sich der heute 78-Jährige aus seiner Funktion zurückziehen, weil er im Verdacht stand, mithilfe von Briefkastenfirmen private Immobiliengeschäfte in Singapur getätigt zu haben. Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung gegen den passionierten Kunstsammler wurden Jahre später jedoch ergebnislos eingestellt. Stepic ist heute als Berater tätig. 

Zwei Jahre, bevor der Ostpionier Stepic zum Mann des Jahres gewählt wurde, konnte sein jüngerer Konkurrent in der Erste Bank, Andreas Treichl, diesen Titel einkassieren. Ihm gelang, von seinem Amtsantritt als CEO der Erste Bank im Jahr 1997 bis ins Jahr 2003 den Gewinn der Bank zu verzehnfachen. Anders als Raiffeisen konzentrierte sich das Institut bei seiner Expansion eher auf den östlichen Teil Osteuropas, große Abenteuer wie Russland und Ukraine ließ man aus. 2006 kam die rumänische BCR dazu. Ein Zukauf, der sich bald als zu teuer herausstellte: Mehr als 800 Millionen Euro mussten abgeschrieben werden. Aber auch im Stammland war der aus einer Bankerfamilie stammende Treichl umtriebig: So schuf er 2001 einen Verbund mit den Sparkassen, der bis heute hält. Ab 2003 begann die Bank eine Kooperation mit der Wiener Städtische, die sich als nachhaltig erwies und bereits bis 2033 verlängert wurde. So wie Raiffeisen musste auch die Erste Bank während der Finanzkrise im Jahr 2008 staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, was Treichl aber nicht von einem viel beachteten verbalen Rundumschlag –„zu blöd und zu feig“– gegen Politiker im Jahr 2011 abhielt. 2014 musste die Erste Group durch Fremdwährungskredite verursachte Milliardenschulden eingestehen, 2020 nahm der Ausnahmebanker schließlich Abschied als einer der längstdienenden Bankmanager des Lande. Der 73-Jährige ist der Bank aber bis heute als Aufsichtsratschef der Erste Privatstiftung, des größten Einzelaktionärs der Bank, treu. 

Der Wiener Städtischen Versicherung nach wie vor treu ergeben ist auch der 81-jährige Günter Geyer. Zwar hat sich der frühere langjährige Chef der Versicherung mittlerweile aus allen operativen Funktionen zurückgezogen, als Aufsichtsratschef des Wiener Städtische Versicherungsvereins zieht er aber nach wie vor im Hintergrund die Fäden und besucht auch regelmäßig die Tochtergesellschaften der Versicherung in seinem geliebten Osteuropa. „Ich werde jedenfalls mit meiner Frau öfter durch die Nachbarländer reisen. Vielleicht besuche ich auch die ein oder andere Filiale unserer Versicherung“, meinte er in seinem jüngsten Interview mit dem trend anlässlich seines Abschieds aus dem Aufsichtsrat der Wiener Städtischen. 

Geyer hat der Versicherung mehr als 50 Jahre seinen Stempel aufgedrückt, von 1988 bis 2012 im Vorstand. „Ich bin stolz darauf, dass das Unternehmen aus der Nummer zwei in Österreich zur Nummer eins in Zentral-und Osteuropa wurde“, meinte der Netzwerker in einem seiner vielen trend-Interviews. In seiner Ära expandierte die Wiener Städtische in nicht weniger als 18 osteuropäische Länder. 2004 startete der gebürtige Oberösterreicher eine Börsenoffensive, im Zuge seiner Aufsichtsratstätigkeit widmet sich Geyer der Gemeinnützigkeit, unter anderem als Stiftungsvorstand von „Rettet den Stephansdom“. 

55 Jahre trend

2025 feiert der trend sein 55-jähriges Bestehen. In den kommenden Wochen geben wir Ihnen Einblicke in 55 Jahre Wirtschaftsgeschichte und stellen 55 Legenden vor, die der trend in den letzten Jahrzehnten begleitet hat. Hier gelangen Sie zu den bereits erschienenen Porträts.

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