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Roche CEO Severin Schwan - Der 13-Millionen-Mann

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Roche CEO Severin Schwan - Der 13-Millionen-Mann
Severin Schwan - CEO Roche©Getty Images
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Der Tiroler Severin Schwan ist aktuell der bestbezahlte Manager Europas. Der von Innovationsthemen besessene CEO von Roche hat in knapp zehn Jahren an der Spitze des Schweizer Pharmakonzerns Umsatz, Gewinn und Wert nachhaltig erhöht. Er bereitet den Konzern nun auf die Digitalisierung vor. Das österreichische Diabetes-Start-up mySugr hat Schwan gerade zur Gänze übernommen.

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Im 178 Meter hohen Roche-Turm in Basel wird sogar das Scheitern zelebriert. Floppt ein Medikament, in dessen Entwicklung besonders viel Schweiß, Zeit und Geld investiert worden ist, lädt der Oberboss zu einem "Celebration Lunch" und spricht dem frustrierten Team zugleich Mut zu wie Dank aus.

Zu feiern gibt es unter diesem Titel bei Pharmakonzernen oft etwas, denn neun von zehn Entwicklungen aus den Labors schaffen es nicht bis zum Patienten. "Wenn eine Kultur herrscht, in der das Scheitern bestraft wird, dann würde niemand mehr Risiken eingehen", begründet CEO Severin Schwan seine Feier-Philosophie.

Der aus Hall in Tirol gebürtige 49-Jährige ist seit bald zehn Jahren an der Spitze des Schweizer Konzerns. Seit Kurzem trägt er auch den Titel "Europas bestbezahlter Manager": 13,24 Millionen Euro war er 2016 den Roche-Eigentümern wert (siehe Tabelle.).

CEO-Ranking: Die 25 Bestverdiener in Europa 2016

Rang

Unternehmen

CEO

Grundgehalt(in €)

Jährliche varaible Bezüge(in €)

Mehrjährige variable Bezüge(in €)

Direktbezüge(in €)

1

Roche

Severin Schwan

3.669.208

-

9.570.540

13.239.748

2

UBS

Sergio P. Ermotti

2.293.255

917.302

9.081.289

12.291.846

3

SAP

Bill McDermott

1.403.000

2.486.900

8.000.300

11.890.200

4

Novartis

Joseph Jimenez

1.920.295

1.300.275

6.823.167

10.043.738

5

British American Tobacco

Nicandro Durante

1.456.536

1.820.670

6.383.954

9.661.161

6

GlaxoSmithKline

Sir Andrew Witty

1.364.125

1.989.273

6.188.838

9.542.237

7

L'Oréal

Jean-Paul Agon

2.200.000

1.992.100

4.938.240

9.130.340

8

BP

Bob Dudley

1.675.658

1.532.856

5.722.002

8.930.516

9

Royal Dutch Shell

Ben van Beurden

1.460.000

1.200.000

6.164.000

8.824.000

10

Nestlé

Paul Bulcke

2.293.255

-

6.473.435

8.766.690

11

Iberdrola

José Ignacio Sánchez Galán

2.250.000

3.185.000

3.197.000

8.632.000

12

Lloyds Banking

António Horta-Osório

2.478.559

2.447

5.970.574

8.451.581

13

CRH

Albert Manifold

1.400.000

2.323.000

4.530.277

8.253.277

14

Anheuser-Busch InBev

Carlos Brito

1.480.000

-

6.541.154

8.021.154

15

LVMH

Bernard Arnault

1.151.629

2.200.000

4.482.204

7.833.833

16

Sanofi

Olivier Brandicourt

1.200.000

1.954.800

4.505.000

7.659.800

17

Daimler

Dieter Zetsche

2.008.000

1.516.000

4.086.000

7.610.000

18

BMW

Harald Krüger

1.500.000

2.477.991

3.630.809

7.608.800

19

Reckitt Benckiser

Rakesh Kapoor

1.123.220

-

6.419.469

7.542.689

20

Unilever Group

Paul Polman

1.239.000

915.600

5.235.048

7.389.648

21

ABB

Ulrich Spiesshofer

1.505.906

2.370.216

3.351.947

7.228.070

22

Volkswagen

Matthias Müller

1.584.000

1.499.278

3.990.000

7.073.278

23

AstraZeneca

Pascal Soriot

1.456.536

952.256

4.629.144

7.037.937

24

Siemens

Joe Kaeser

2.034.000

2.773.000

2.158.000

6.965.000

25

Inditex

Pablo Isla Álvarez de Tejera

3.250.000

3.300.000

-

6.550.000

Quelle: hkp/// group

Extrem kurzfristige Erfolge machen schon längst keine Manager mehr reich -alle Gagen der von der Frankfurter Unternehmensberatung hkp gerankten CEOs von Europas größten börsennotierten Unternehmen sind auch an die Erreichung langfristiger Performanceziele geknüpft. Das Basisgehalt von Roche- Boss Schwan, das sich an branchenüblichen Größen ebenso wie an innerschweizerischen Faktoren orientiert, beträgt zum Beispiel "nur" vier Millionen Franken, also rund 3,7 Millionen Euro - der große Rest setzt sich aus dem individuell vereinbarten Bonus und aktienbasierten Vergütungen zusammen.
Über den gesamten Roche-Vorstand gerechnet sind 37 Prozent des Einkommens fix, 63 Prozent variabel. Interessantes Detail: Von den zehn aufgelisteten bestverdienenden Managern haben sieben ihr gesamtes Berufsleben in jenem Unternehmen verbracht, das sie jetzt leiten. Dass man durch exzessives Jobhopping zwischen Großunternehmen zu rekordverdächtig hohen Einkommen kommt, scheint damit widerlegt -Firmentreue zahlt sich zumindest für CEOs aus.

Langfristige Entwicklung

Und schon ein erster Blick auf die langfristige Entwicklung seines Unternehmens macht klar, warum: Erstmals hat Roche im letzten Jahr beim Umsatz im Vergleich zum Basler Stadtrivalen Novartis die Nase vorn, bei der operativen Gewinnmarge ohnehin seit Längerem, aktuell mit 29 Prozent. An der Börse wird der Pharmakonzern derzeit mit rund 220 Milliarden Schweizer Franken bewertet, eine Steigerung von über 50 Prozent seit Schwans Amtsantritt.

Nicht nur unter Forschern, auch in der Politik hat sich inzwischen herumgesprochen, dass der studierte Wirtschaftswissenschaftler und Jurist ein Vorzeigeunternehmen der oft gepredigten, aber selten gelebten Wissensgesellschaft geformt hat. Sogar Bundespräsident Alexander Van der Bellen nutzte seinen Schweizbesuch im Februar für einen Abstecher nach Basel, um sich von seinem Tiroler Landsmann persönlich informieren zu lassen, wie man eine durchdachte Innovationsstrategie mit Standortpolitik verbinden könnte.

Denn der Österreicher geht bei der Entwicklung von Neuem unorthodoxe Wege. Ungewöhnlich für einen Manager, der seine Karriere in der Finanzabteilung begonnen hat, lässt er etwa Ineffizienzen und Doppelgleisigkeiten bewusst zu.

Den dezentralen Roche-Forschungseinheiten in San Francisco, Basel und Japan, die direkt an ihn berichten, räumt er maximale Autonomie ein. Wenn nicht ständig das Auge der Controller über jeden einzelnen Handgriff wacht, so die Überlegung, ist der Kreativitäts-Output höher. Aus dem selben Grund ist Schwan, Hüter über ein Forschungsbudget von fast zehn Milliarden Franken, auch ein vehementer Befürworter der Autonomie von Universitäten, die seiner Einschätzung nach ebenso wie seine Roche-Labors umso bessere Ergebnisse erzielen können, je mehr Freiraum sie haben.

Der Erfolg scheint ihm Recht zu geben. Die Entwicklung jenes Wirkstoffs, der dem Roche-Krebsmedikament Avastin zugrunde liegt, gelang wesentlich durch die Eigeninitiative und die Freiräume eines besonders motivierten Roche-Mitarbeiters in den USA. Allein mit Avastin erzielt Roche heute sechs seiner knapp über 50 Milliarden Franken Umsatz. "Dass sich der CEO höchstpersönlich so viel Zeit für das Management von Innovation nimmt, ist einzigartig", ist Matthias Bank, Dekan der Fakultät für Betriebswirtschaft an Schwans Heimatuni in Innsbruck, beeindruckt.

Österreicher-Netzwerk

Wer Schwan dieser Tage sieht und hört, erlebt ihn entschieden lockerer und souveräner als in den ersten Jahren nach seiner Amtsübernahme 2008, als er noch im Schatten seines Vorgängers, Franz B. Humer, stand. 2014 zog sich Humer, ein gebürtiger Salzburger, aus dem Roche-Verwaltungsrat zurück, in den Schwan bereits ein Jahr davor eingezogen war -mit dieser Doppelfunktion hat er eine belastbare Machtbasis im eigenen Haus.

Der 13-Millionen-Euro-Mann gilt als zurückhaltend und unprätentiös. Einen Hauch von Sarkasmus leistet er sich höchstens, wenn er über die Branche der Unternehmensberater und professionellen Visionäre spricht, deren Einsatz er so weit wie möglich zu minimieren versucht. Seine leise, stets freundliche Art war sogar ein wichtiger Grund, warum er es ganz nach oben geschafft hat, glauben langjährige Roche-Beobachter zu wissen: Der ehemalige Trainee aus der Finanzabteilung wurde fast immer unterschätzt.

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Severin Schwan mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. © HARALD SCHNEIDER / APA/picturedesk.com

Mit 28 Jahren wurde er nach Brüssel geschickt, um die kriselnde belgische Roche-Tochter in den Griff zu bekommen. So wie in Brüssel erfüllte er später auch anderswo lautlos und effizient seine Aufgaben, etwa in den Jahren 2004 bis 2006 als Leiter der Asien-Pazifik-Region in Singapur, denen die Berufung zum Chef der Roche-Diagnostik-Sparte folgte, der vorletzten Karrierestufe.

In der "Schweiz AG", in der eine überschaubare Zahl von Managern über operative und Kontrollfunktionen die wichtigsten Flaggschiffe der eidgenössischen Wirtschaft steuert, kam ihm überdies zugute, dass er starke österreichische Fürsprecher hatte.

Neben Humer war das vor allem der langjährige Nestlé-Boss Peter Brabeck- Letmathe, der selbst bis 2010 im Roche- Aufsichtsrat saß. Als Brabeck-Letmathe 2014 aus dem Kontrollgremium der Großbank Credit Suisse ausschied, folgte ihm Schwan dorthin nach -es ist derzeit sein einziges Aufsichtsratsmandat außerhalb seines ursprünglichen Wirkungskreises.

Langfristiges Denken

Sprunghaftigkeit und ein zu überschwänglicher Fokus auf singuläre Erfolgsmeldungen ist dem Schweizer Businesswesen, das Schwan mühelos angenommen hat, fremd. In seinen fast zehn Jahren als Roche-Chef hat er keine dramatischen Kurswechsel vorgenommen, sondern den von seinen Vorgängern definierten Kurs präzisiert: In der so genannten personalisierten Medizin sind die Schweizer echte Pioniere. Schon 1990 war mit dem Erwerb der Mehrheitsanteile am Biotech-Unternehmen Genentech der Grundstein dafür gelegt worden, unter Schwan wurden schließlich der Rest übernommen.

Von der langfristigen Denke sowohl der Roche-Eigentümer als auch seiner Vorgänger ist er fasziniert. Tatsächlich ist Schwan der erst siebte CEO in 120 Jahren Unternehmensgeschichte. Sein Vorvorgänger Fritz Gerber, mit dem er sich noch immer regelmäßig zum Mittagessen trifft, war fast 20 Jahre an der Unternehmensspitze gewesen. Die Gründerfamilien Hoffmann und Oeri halten nach wie vor eine knappe Mehrheit des Weltkonzerns und sind mit André Hoffmann und Andreas Oeri auch persönlich im Verwaltungsrat vertreten.

"Sie denken nicht in Quartalen, sondern in Generationen", schwärmt Schwan gern im kleinen Kreis. Das eröffne auch ihm Freiräume: Er sei zwar genauso den Börsenberichtspflichten unterworfen wie andere, aber nicht so stark von den Analystenmeinungen gepeitscht.

Nach dem Ausscheiden von Humer und Brabeck-Letmathe aus ihren offiziellen Funktionen gilt der Musik-und Sportbegeisterte in der Schweiz nun jedenfalls als "der Österreicher". Die tirolerische Färbung seiner Sprache hat er beibehalten. Auch seine Frau Ingeborg kommt aus Tirol, sie ist die Tochter des ehemaligen FPÖ-Politikers Gerulf Stix, der in den 80er-Jahren Dritter Nationalratspräsident war.

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Severin Schwan mit Ehefrau Ingeborg am Sterntaler Ball in Basel. © Kevin Dennis Müri / Picasa

Weil ihn sein Job mehr als ausfüllt, schafft es der Vater dreier Kinder jedoch nur noch selten, in seine alte Heimat zu kommen. "Seine" Uni Innsbruck unterstützt er weiterhin nach Kräften, berichtet Betriebswirtschafts-Dekan Bank: Schwan ist Mitglied des vor zwei Jahren gegründeten Förderkreises, Anfang November wird er wieder einen Vortrag in der Tiroler Landeshauptstadt halten.

Beruflich steigen die Chancen, dass er in Zukunft wieder öfter nach Österreich kommt. Zwar stellt Roche Austria mit rund 400 Mitarbeitern weniger als ein halbes Prozent der weltweiten Konzernbelegschaft. Unter Schwan wurde 2010 sogar entschieden, das Roche-Diagnostics-Werk in Graz zu schließen. Doch in letzter Zeit ist sein Interesse an Wien erwacht, nicht nur der vielen gemeinsamen klinischen Versuche mit der MedUni Wien wegen. Vor allem die florierenden Start-up-Szene der Bundeshauptstadt hat es den Schweizern angetan.

Roche 4.0

Im Jahr 2015 hat sich Roche Ventures, der Investmentarm des Pharmariesen, mit 12,3 Prozent an mySugr beteiligt, einem E-Health-Vorzeige-Start-up mit Sitz in Wien. Hansi Hansmann, eine der Schlüsselfiguren der heimischen Start-up-Szene. Ende Juni hat Roche nun die Totalübernahme von mySugr bekannt gegeben, es ist der größte Deal im österreichischen E-Health-Bereich bisher.

Nicht die pure Freude am Deal, sondern die unaufhaltbare Transformation seiner Branche im Zuge der Digitalisierung macht Schwan zum Start-up-Investor. In der Vergangenheit haben die beiden Sparten Pharma und Diagnostik die Produkte und Strukturen von Konzernen wie Roche bestimmt.

Nun kommen die ungeheuren digitalen Datenmengen dazu, die in Zukunft eine Arztverschreibung ersetzen, aber auch die Entwicklungszeit von Medikamenten verkürzen und die Trefferquote verbessern könnten. Neben den chemischen und biologischen Fähigkeiten brauchen künftige Roche-Mitarbeiter deshalb jede Menge digitales Knowhow - das derzeit auch über Zukäufe à la mySugr gesammelt wird.

Statistische Halbzeit

Wer Schwan über dieses Thema reden hört, ahnt, dass er den Konzern, bei dem er vor 24 Jahren zu arbeiten begonnen hat, in jedem Fall selbst durch diese vieljährige Transformation führen will.

Mit nicht einmal 50 Jahren und angesichts der durchschnittlichen Verweildauer seiner CEO-Vorgänger von über 18 Jahren ist davon auszugehen, dass er gerade einmal die Halbzeit an der Roche-Spitze erreicht hat. Oder, wie er es selbst jüngst zu Bekannten gesagt hat: "Gefühlt bin ich ja noch gar nicht so lange dabei. Jetzt geht es erst richtig los."

Das Porträt ist ursprünglich in der trend PREMIUM Ausgabe 26+27/2017 erschienen.

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