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Sportunfall - Unerwartete Flaute im Sportartikelhandel

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Aktualisiert
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7 min

Der Sporthandel in akuter Schieflage. Nach Lieferschwierigkeiten kommen die Handler nun wegen schwacher Nachfrage ins Schleudern.

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Zuerst fehlte die Ware, jetzt fehlt die Nachfrage: Wie die unerwartete Flaute in früheren Boom-Segmenten den SPORTARTIKELHANDEL noch vor der Wintersaison in akute Sturzgefahr bringt.

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Da staunt sogar Intersport-Boss Thorsten Schmitz: "90 Prozent auf alles - das habe ich so auch noch nicht gesehen." Der Chef der Einkaufsgenossenschaft von über 150 Sportartikelhändlern in Österreich kann sich nur noch wundern.

Vor wenigen Tagen verramschte der norwegische Mitbewerber XXL Sports seine letzte Ware in seiner letzten Filiale in Österreich und beendete damit ein Gastspiel, das vor fünf Jahren mit der Ankündigung, Marktführer werden zu wollen, doch etwas zu forsch angegangen wurde.

Ganz unerwartet kommt der Schritt aber auch wieder nicht. Die Branche hat in Österreich seit der Pandemie alle Hände voll zu tun, um nicht aus der Kurve zu fliegen. Manche sind schon halb draußen. Der Outdoorspezialist Northland etwa musste im Frühjahr den Filialbetrieb einstellen, Mitbewerber Zentrasport (Marke: Sport 2000) im Sommer Insolvenz anmelden. Das Schwergewicht Hervis präsentierte jüngst eine tiefrote Bilanz für 2022 - minus 30,4 Millionen Euro -, aus der man nur mehr dank Finanzkraft der Konzernmutter Spar wieder herauskommt. Die Insolvenz des Onlinesporthändlers Signa Sports United aus der Unternehmensgruppe von René Benko ist da schon fast eine Randnotiz.

Das erratische Verhalten der Konsumenten zwischen Lockdowns, Ukraine-Krise und Inflation hat die Händler kalt erwischt. Nun hoffen sie auf eine Entwicklung, die Unternehmen sonst fürchten wie Skifahrer den Bruchharsch: harte Kollektivvertragsverhandlungen. Schmitz: "Wir sind mitten in einer Bereinigungsphase am Markt und setzen darauf, dass hohe Lohnabschlüsse die Konsumnachfrage ab Mitte 2024 wieder stabilisieren werden."

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Steigender Konsum ist auch für Marktführer Intersport essenziell, der noch die beste Ausgangslage hat und den Umsatz 2022/23 um 3,6 Prozent auf 654 Millionen Euro steigerte. Ausgerechnet das bisherige Boomsegment E-Bikes schwächelt bei allen.

Jahrelang gepuscht, sorgten die hochpreisigen Gefährte für bislang unbekannte Margen. In den Lockdowns stieg die Nachfrage weit über die Verfügbarkeit. Lange Wartezeiten frustrierten die Kunden. Woraufhin die Händler ihre Orders bei der Industrie mit fast 250.000 Stück auf ein All-Time-High erhöhten.

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Volle Lager, wenig Nachfrage

Jetzt sind die Lager voll - und der Nachfrage-Akku leer, räumt Schmitz ein: "Im Bike-Segment sind wir von der Euphorie in die Lethargie gerutscht."

Der Gesamtumsatz mit E-Bikes in Österreich knackte 2022 die Milliardengrenze, vor allem weil die Durchschnittspreise auf über 4.000 Euro stiegen. Die Menge stagnierte bereits. Mittlerweile sind alle Fans versorgt, und neue Käuferschichten anzusprechen ist wegen der Teuerung nicht leicht. Schmitz: "Wir sehen, dass im Konsum der Shift zu Urlaub und Gastronomie nach wie vor anhält."

Das Problem ist nicht nur in Österreich virulent, ganz ähnlich läuft es in Deutschland, wo aktuell zehn bis 15 Prozent weniger E-Bikes verkauft werden. Holger Schwarting, Chef von Zentrasport, der Dachgesellschaft von Sport-2000-Händlern, spielt auf Zeit und setzt auf die öffentlichen Förderungen für E-Bikes: "Wir gehen davon aus, dass sich der Bike-Markt innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder stabilisieren wird."

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Lieferschwäche

Auch herkömmliche Fahrräder zählten lange zu den Hoffnungssegmenten. Doch hier sorgen Störungen der internationalen Lieferketten für Unruhe - ausgehend von den ganz großen der Branche wie Shimano oder dem taiwanesischem Hersteller Giant, der seine Kunden per Brief jüngst über Lieferschwierigkeiten informierte. geübte Timing zwischen Vorbestellungen und Verkauf der Ware durcheinandergewirbelt wurde.

Tourenausrüstung, die in Zeiten der Corona-Isolierung als Alternative zu überfüllten Seilbahnkabinen gesehen wurde, verstaubt nun in den Filialen der Händler.

Ihre übervollen Warenlager bringen die Unternehmen in ein finanzielles Dilemma, sagt der Fachverbandsvertreter in der Wirtschaftskammer, Michael Nendwich: "Die Modelle von 2022 stehen noch im Lager, während die neuen von 2023 schon da sind. Die hohen Preise, die für steigende Umsätze sorgten, werden plötzlich zum Finanzierungsproblem."

Das zeigt sich auch beim Blick in die Bilanzen: Bei Intersport etwa verdoppelten sich die Vorräte gegen Ende des Bilanzjahres von 25 auf 53 Millionen Euro, bei Hervis waren es plus 40 Prozent. Gleichzeitig stiegen die Verbindlichkeiten um äquivalente Prozentsätze.

Auch KTM leidet. Die Misere macht sich mittlerweile auch weiter vorne in der Kette bemerkbar. So musste der größte österreichische Fahrradimporteur KSR Group jüngst Konkurs anmelden - mit unbesicherten Verbindlichkeiten von 123,3 Millionen Euro heuer einer der größten Fälle in Österreich. Beim Zweiradhersteller Pierer Mobility rutschte die Fahrrad- und E-Bike-Division ebenfalls in die Verlustzone - trotz Umsatzsteigerungen. Das Ziel, die Erlöse in diesem Segment bis 2025 auf 500 Millionen Euro (derzeit rund 200 Millionen) zu steigern, wurde jüngst um zwei Jahre verschoben.

Jetzt heißt es "Servus die Wadln" für die Unternehmen. Es gilt, alternative Geschäftsfelder mühsam aufzubauen. Zum einen geht es um neue Trendsportarten, von Winter-Running bis Klettern, zum anderen um die Ausweitung von Dienstleistungen, vor allem den Verleih von Sportartikeln. Kundenbefragungen zeigen, dass die Vorbuchungen für Skiausrüstung in den Verleihzentren höher sind als im Vorjahr, die Verleihdauer ist länger. Intersport setzt auf die Affinität der jungen Generation zur Sharing-Economy und will gemeinsam mit Hersteller Schöffel in den Tourismusregionen zukünftig sogar Skibekleidung zum Verleih anbieten.

Einige im Sporthandel werden auch gesundschrumpfen müssen. Sport-2000-Zentrasport gab nach dem (wieder aufgehobenen) Konkursverfahren Teile der bisherigen Aufgaben wie Wareneinkauf oder Finanzierung an eine deutsche Spezialbank ab und wird noch näher an die deutschen Schwesternorganisation rücken, kündigt Schwarting an.

Mitbewerber stehen schon parat für frei werdende Marktanteile. Intersport-Chef Schmitz: "Es gibt noch keinen konkreten Wechsel, aber wir kommunizieren proaktiv, um Sport-2000-Händler für Intersport zu gewinnen." Die Marktbereinigung ist schon im Gange.

Der Artikel ist aus trend. PREMIUM vom 24.11.2023.

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