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Spanisches Unicorn revolutioniert Geschäftsreisen

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Jean-Christoph Taunay-Bucalo, Präsident und COO von TravelPerk

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TravelPerk ist eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen im Bereich der Geschäftsreisen. Während andere während der Pandemie gescheitert sind, expandierte das in Barcelona ansässige Scale-up weiter und stärkt seine Präsenz in Österreich.

Wenn Jean-Christophe Taunay-Bucalo an die Coronazeit zurückdenkt, wird er sehr emotional. „Von einem Tag auf den anderen war unser Business plötzlich illegal“, erzählt er und schüttelt immer noch fassungslos den Kopf. Einige Hundert Mitarbeiter saßen damals in der Zentrale von TravelPerk in Barcelona, hatten aber kaum noch etwas zu tun. Der Markt für Geschäftsreisen war komplett zusammengebrochen – mit spürbaren Folgen: „Als wir 2015 gestartet sind, gab es zehn Mitbewerber weltweit. Heute sind es noch genau zwei“, sagt Taunay-Bucalo, Präsident und COO von TravelPerk.

Neben dem Scale-up aus Spanien überlebte nur der US-Konkurrent Navan Group. Die harte Auslese am Markt sei keine Folge unterschiedlicher Visionen gewesen – im Gegenteil: Alle Anbieter hätten das Ziel verfolgt, auch komplexe Geschäftsreisen so einfach buchbar zu machen, wie man es von den großen Online-Hotelbuchungsplattformen kennt. Ein wichtiger Unterschied sei aber der Umgang mit der durch Covid ausgelösten Wirtschaftskrise gewesen: „Während unsere Mitbewerber damals Personal abgebaut haben, haben wir an unserem Team festgehalten. Nicht weil wir verrückt sind, sondern weil wir die Chance erkannt haben: mit voller Kraft anzugreifen, sobald der Markt zurückkehrt.“

Eine riskante Wette, die aber fünf Jahre später voll aufgegangen ist. Heute ist TravelPerk mit einer Bewertung von 2,7 Milliarden Dollar das wertvollste spanische Start-up – und eine wichtige Größe auf dem Markt für das Management von Geschäftsreisen. Dieser wird in Europa zwar weiterhin von etablierten Branchenriesen wie American Express & Co. dominiert. Aber nach dem jüngsten Ranking der Plattform Business Travel News (BTN) machte der spanische Anbieter zuletzt erneut einige Plätze gut und liegt aktuell bereits auf Rang sechs. Eine Erfolgsgeschichte, für die es mehrere Erklärungen gibt. Mit die wichtigste ist aber die clevere Akquisitionsstrategie, die das Unternehmen in immer neue Größenordnungen katapultiert.

Kauf des Fintechs Yokoy

Erst vor wenigen Monaten wurde das Schweizer Fintech Yokoy mit mehr als 280 Mitarbeitern an acht europäischen Standorten, darunter auch Österreich, übernommen. „In den kommenden Quartalen wird es viele spannende gemeinsame Kunden geben, darunter auch weitere ATX-Unternehmen“, kündigt Stephan Hebenstreit, Chef der Tochtergesellschaft in Wien, an, die in Sachen Bekanntheit aber noch aufholen muss.

TravelPerk hat schon am Times Square in New York geworben und große Imagekampagnen in London lanciert. Als globale Firma verfügt man über Standorte in den USA, in Großbritannien, in der Schweiz und in Europa. Der Umsatz liegt bei über 275 Millionen Dollar. Von den 1.800 Mitarbeitenden weltweit arbeiten rund die Hälfte in Barcelona, wo man vor zwei Jahren ein neues spektakuläres Headquarter im Tech-Viertel bezogen hat, nicht weit vom Strand entfernt. „Wir könnten profitabel sein, wenn wir es wollten. Aber für uns ist besser, etwas weniger zu verdienen und dafür mehr zu investieren“, sagt der COO. Das Wachstumstempo der vergan­genen beiden Jahre, das im Schnitt bei 50 Prozent pro Jahr lag, will man fortschreiben. Vor allem, indem man sich auf die bestehenden Märkte konzentriert und das Angebot noch weiter verbessert.

TravelPerk versetzt Mitarbeiter und Manager in die Lage, einfache wie auch komplexe Geschäftsreisen selbst über die Plattform zu buchen. Dafür können sie auf ein umfangreiches Angebot aus Hotels, Flügen und Zügen – aus Österreich sind etwa AUA und ÖBB integriert – zugreifen, und dies zu den Konditionen und gemäß den Richtlinien ihres Arbeitgebers, wenn diese hinterlegt sind.

Mit Demut die Welt erobern

„Der wichtigste Grund, warum wir heute eine Firma mit einer Bewertung von knapp drei Milliarden Dollar sind, ist, dass wir die Demut haben, zu wissen, dass wir etwas nicht wissen“, sagt Taunay-Bucalo. Das klingt zunächst etwas merkwürdig aus dem Mund eines Scale-up-Managers, der darauf getrimmt ist, mit seiner Vision die Welt zu erobern. Aber TravelPerk, versichert er, sei anders unterwegs in Sachen Expansion. Typischerweise betrete man einen neuen Markt ganz unvoreingenommen, sammle erste Erfahrungen und bewerte dann, ob man es aus eigener Kraft schaffe oder lokale Expertise benötige. Während man in der D-A-CH-Region ohne Zukäufe auskam, übernahm man in Großbritannien und den USA jeweils einen starken Tech-Anbieter mit bis zu 200 Mitarbeitenden. Heute ist Großbritannien der wichtigste Markt für TravelPerk, gefolgt von den USA und Deutschland. Erst dann folgt der Heimmarkt. „Wir haben sehr früh ­erkannt, dass wir global denken müssen. Spanien ist typischerweise kein Markt für Early Adopter“, sagt der COO.

Und auch keiner, wo unzählige Unicorns geboren werden. Mit fünf Einhörnern, also Start-ups mit einer Bewertung von über einer Milliarde Dollar, fällt die Ausbeute eher bescheiden aus für ein Land mit knapp 50 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen.

Österreich-Connection

In den zehn Jahren seit Gründung hat TravelPerk drei große Übernahmen und mehrere kleine gestemmt. In der Regel geht es um lokales Know-how und ­Technologie. Die jüngste Akquisition des Schweizer Start-ups Yokoy war etwas ­anders gelagert.

Das Fintech ist darauf spezialisiert, Spesen mithilfe von KI per App abzurechnen. Es handelt sich also um einen Prozess, der der job­bedingten Reisebuchung nachgelagert ist. Mit dem Zukauf wird TravelPerk somit zu einer Firma, die sowohl Geschäftsreisen als auch die damit verbundenen Kosten managt. „Das nächste große Ding, an dem wir arbeiten, ist die Integration von Yokoy in unsere TravelPerk-Plattform mit dem Ziel, einen nahtlosen One-Stop-Shop zu schaffen“, sagt Taunay-Bucalo. Eine gemeinsame App soll Anfang nächsten ­Jahres gelauncht werden.

Darüber hinaus stärkt TravelPerk mit der Übernahme seine Präsenz im D-A-CH-­Raum und speziell in Österreich. Das Land war der erste und zugleich komplizierteste Auslandsmarkt, den Yokoy vor fünf Jahren betreten hat. Die Rechtslage stellt hier eine besondere Herausforderung dar: Mehr als 800 unterschiedliche Kollektivverträge sowie komplexe steuerliche Rahmenbedingungen erschweren die Abwicklung von Tagesdiäten, Reisekosten und Versicherungsleistungen. „Yokoy hat sehr viel in den Standort ­investiert, um diese Herausforderungen technisch umzusetzen zu können. Aber es hat sich mehr als ausgezahlt. Heute wachsen wir sehr dynamisch“, sagt TravelPerk-Österreich-Chef Hebenstreit. Zu den Kunden gehören unter anderem Erste Bank, AUA und Verbund.

Und mit Speedinvest ist auch einer der bekanntesten Investoren des Landes an Bord. Der Wiener Risikokapitalfonds war vor einigen Jahren bei Yokoy im Rahmen einer Finanzierungsrunde eingestiegen. Da die jetzt von TravelPerk getätigte Übernahme des Schweizer Fintechs durch Aktientausch zustande kam, ist Speedinvest nun an dem spanischen Unicorn beteiligt. „Wir sind nur ein kleiner, aber überzeugter Anteilseigner. TravelPerk hat das Potenzial, eine globale Company zu werden, die wir eines Tages gerne an der Nasdaq sehen würden“, sagt Varun Rekhi von Speed­invest. Aber er ergänzt auch: „Der Aktientausch beinhaltet auch Risiken. Der US-Markt ist ein herausforderndes Pflaster, den hatten wir mit Yokoy nicht auf dem Radar. Und das Geschäftsreisethema ist zyklisch, was auch nicht ohne ist.“ Das wissen die TravelPerk-Leute und allen voran Präsident Taunay-Bucalo noch allzu gut aus der Coronazeit.

Der Text ist in der trend.EDITION vom 8. August 2025 erschienen.

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