
Franz Koll, Intersport: „Wir gehen weg von einer klassischen Genossenschaft hin zu einem smart vertikalisierten Filialbetrieb."
©INTERSPORT AustriaWährend die Mitbewerber noch schwer an Post-Corona-Effekten leiden, baut Marktführer Intersport seine Poleposition bis tief in den Vereinssport hinein aus - auch als Exklusivpartner von ÖSV und ÖFB.
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So dick mit Speck belegt waren die Brötchen selten. Als sich vor wenigen Tagen an die 120 der eigenständigen Händler der Intersport-Österreich-Gruppe zum traditionellen „Tourismus Season Kick-off “ in Mils in Tirol trafen, war „die Stimmung hervorragend, die Prognose winterlich optimistisch“, wie es hinterher im LinkedIn-Auftritt hieß.
Zu feiern gab es auch genug. Österreichs Marktführer im Sportartikelhandel hat in den vergangenen Jahren eine fast uneinholbare Poleposition erreicht. Man besetzte jede Lücke, die die nach der Corona-Krise noch immer notleidenden Mitbewerber offen lassen müssen, und will sich jetzt den letzten weißen Flecken auf der Landkarte widmen, dem Vereinssport, kündigt der seit einem Jahr tätige neue Geschäftsführer Franz Koll an. Er kennt das Unternehmen als Leiter Einkauf und Marketing aus früherer Zeit, war zwischenzeitlich bei Bellaflora tätig und baut nun die als Händlergenossenschaft angelegte Gruppe langsam zu einer zentral organisierten Filialorganisation um: „So können sich unsere Händler auf das konzentrieren, was sie wirklich können: auf den Kontakt zu den Kunden. Und das fordern wir auch ein, da sind wir brutal dahinter.“
Branche kämpft nach Pandemie-Boom
Tatsächlich sorgt eine Reihe von Entwicklungen reihum für finanzielle Muskelkater in der Branche. Nach einem Boom rund um die Corona-Lockdowns waren viele Händler zu optimistisch bei ihren Orders und blieben aufgrund von danach wieder geänderten Konsumverhaltens auf Bergen an Sportgeräten sitzen, Fahrräder genauso wie Ski, wo das Vorkrisenniveau noch immer nicht erreicht wurde.
Zum anderen, so Michael Nendwich, Geschäftsführer des VSSÖ, des Dachverbands Sportindustrie- und Handel, laste auch die Kombination von Lohnsteigerungen, Energiekosten und Konsumflaute schwer auf der Branche.
Gigasport etwa, die Zentralorganisation von Sport 2000, musste 2024 Konkurs anmelden, wurde an die deutsche ANWR Group verkauft und bemüht sich um Neustrukturierung und internationale Vernetzung, so die neue Geschäftsführerin Irina Andorfer: „Unser Kurs stimmt. Jetzt geht es darum, konsequent dranzubleiben, weiter an Tempo zu gewinnen und die nächsten Schritte zu gehen.“
Auch Mitbewerber Hervis rackert sich nur mühsam aus den wirtschaftlichen Troubles heraus, die das allzu lange Festhalten an einer mittelgut aufgestellten Filialstruktur ausgelöst hat. Der jüngst bekanntgegebene Verlust von 43 Millionen Euro für 2024 zeigt, dass der Turnaround noch dauert und ohne den finanziellen Rückhalt des Eigentümers Spar wohl nicht möglich wäre.
Die lange Zeit vollmundig auftretenden ausländischen Diskonter wie XXXL wiederum haben Österreich mittlerweile wieder verlassen oder geben es um eine Nummer billiger. Etwa Decathlon, der seit Jahren keine geeigneten neuen Standorte findet wie zuletzt in Innsbruck und mangels kritischer Masse eher Bilanzverluste anhäuft (minus 18 Millionen Euro für 2023), oder Sports Direct mit nur mehr 16 Filialen und zuletzt veröffentlichten 115 Millionen Euro Bilanzverlust.
Intersport setzt auf Tourismus
Intersport hingegen, 2013 noch selbst auf Finanzhilfe des deutschen Intersportverbands angewiesen, die erst 2021 mit dem Rückkauf von zwischenzeitlich verpfändeten Unternehmensanteilen zurückgezahlt wurde, musste bei der jetzigen Schwäche der Kollegen nur mit bekannten Rezepten konsequent auf die geänderten Kundenbedürfnisse reagieren.
Und das tat man auch, etwa beim Ausbau des Verleihgeschäfts in Urlaubsdestinationen, mittlerweile ein Hauptstandbein aller Sportartikelhändler, wie auch Nendwich analysiert: „Ein Lichtblick ist der touristische Sporthandel, der nach einer sehr guten Sommersaison nun mit einem ebensoguten Winter rechnet.“
Darüber hinaus expandiert Koll im Webshop und vernetzt die Vertriebsschienen off- wie online. Die Zentrale modelt er zu einem immer stärkeren Dienstleister um, der für die Mitglieder so gut wie alles abwickelt, von der Sortimentsentwicklung, über Buchhaltung, Kreditversicherung bis zum Warenwirtschaftssystem – der Unterschied zu einem echten Filialisten wird immer kleiner: „Wir gehen weg von einer klassischen Genossenschaft hin zu einem smart vertikalisierten Filialbetrieb. So gebündelt können wir die Zugkraft unserer Dachmarke viel besser auf die Straße bringen.“
Die Stores sind top gestaltet und mittlerweile europaweite Benchmark, die Kundenfrequenz steigt, die Bon-Summen auch, die Händler verdienen mehr. Der Gesamtumsatz der Gruppe stieg im Geschäftsjahr 2024/25 um 1,7 Prozent auf rund 670 Millionen Euro (800 Millionen mit dem Auslandsgeschäft in Tschechien, in Ungarn und in der Slowakei). Inflationsbereinigt zwar nicht berauschend, aber weit besser als die minus 4,9 Prozent der gesamten Branche.
Intersport baut Partnerschaften aus
Kolls nächste Schritte führen in die weite Welt, etwa mit dem Ausbau der Eigenmarken, die der neue Chef von Intersport-International, Tom Foley, wieder stärker in China fertigen lassen will. Oder in die Regionen – mit einer teils digitalen Verstärkung im breitenwirksamen Vereinssport.
So hat man erst vor wenigen Tagen eine Kooperation mit dem Skisportverband ÖSV bekannt gegeben. Intersport tritt als Kopfsponsor der Trainer- und Serviceteams auf und wird neben den Pisten und im Technikbereichen ab dieser Weltccupsaison omnipräsent sein.
Für den Österreichischen Fußballverband ÖSV übernahm Intersport die Betreuung des Online-Fanshops der Fußball-Nationalmannschaft samt Merchandising. Fallweise gehen die Zugriffe im Webshop in die Millionen, erklärt ÖSV-Sprecherin Iris Stöckelmayer: „So eine Bestellinfrastruktur beherrscht ein Händler wie Intersport natürlich perfekt – wir sind ja nur ein Fußballverein.“ Und genau so eine Kooperation soll auch mit dem Handballverband (ÖHV) ins Leben gerufen werden.
Für die vielen kleineren Sportvereine in Österreich wiederum wird es bald eine eigene Intersport-Vereinsplattform geben, wo Sportler, Fans oder Funktionäre in Sportartikeln oder bei Trainingsbedarf gustieren und bestellen können. Vorbei die Zeiten, als Markenvertreter mit Musterkoffern in den Vereinslokalen vorstellig wurden. Und wenn man schon im Internet ist, kann man da auch gleich eine neue Gebrauchtwarenplattform aufbauen, die Ski oder Fahrräder aus dem Verleih zu guten Konditionen am Interessenten bringt, so Kolls Plan.
Dass die neuen Offensiven digital ablaufen, ist natürlich kein Zufall. Aus dem eigens erstellten Sportreport weiß man, dass ohne elektronische Gerätschaften wie Apps, Wearables oder Social Media ein Drittel der Österreicher ihre Sportausübung deutlich reduzieren würde. Das kann kein Unternehmen zulassen, das von der Sportbegeisterung lebt. Koll: „Wir wollen Sportler wirklich unterstützen. Und das ist keine leichte Übung.“
Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 7. November 2025 erschienen.
