
CAROLINE GAGER-PALFY, Gründerin der digitalen Plattform Orbyz, über europäische Technologiekompetenz und warum echte Alternativen zu LinkedIn & Co. nötig sind.
Gab es einen Auslöser für die Gründung von Orbyz?
Ich beschäftige mich seit über 20 Jahren mit Nachhaltigkeit und der Immobilienbranche. In dieser Zeit bin ich mit klassischen Tools wie Suchmaschinen oder LinkedIn an Grenzen gestoßen – vor allem, wenn es um gezielte Vernetzung oder das Auffinden relevanter Informationen ging. Ich hatte weder die Zeit für jedes Nachhaltigkeitsevent noch einen guten Überblick über alles Relevante. So entstand die Idee: Wenn wir die Transformation wirklich schaffen wollen, brauchen wir Social Media. Aber neu gedacht.
Was unterscheidet Orbyz von Plattformen wie LinkedIn oder Facebook?
Wir haben keinen werbegetriebenen Algorithmus, sondern einen Navigator, mit dem sich jeder selbstbestimmt durch Inhalte bewegen kann. Es gibt verschiedene Posttypen wie klassische Beiträge, vertonte Publikationen oder Events. Die Inhalte können nach Akteuren, Ländern oder Themenfeldern wie Energie, Mobilität, Stadtentwicklung, Ernährung und vielen weiteren Bereichen gefiltert werden. So kann man etwa gezielt nach nachhaltigen Unternehmen, Produkten oder Lösungen suchen. Unser Anspruch ist es, Social Media nach 25 Jahren völlig neu zu denken.
Sie sprechen oft von digitaler Souveränität. Was bedeutet das konkret?
Ich bin ein Fan von Technik, aber bitte selbstbestimmt. Deshalb haben wir den Digital Services Act von Anfang an mitgedacht, mit einem Experten an Bord, der uns in der gesamten Entwicklungsphase begleitet hat. Außerdem arbeiten wir mit dem Austrian Institute of Technology an einem Programm gegen Hate Speech. All das ist Teil unserer Überzeugung: Wir brauchen digitale Souveränität – made in Europe.
Wie sieht das Geschäftsmodell aus, ganz ohne Werbung?
Es gibt eine kostenlose Basisversion für alle. Für professionelle Nutzer:innen bieten wir eine Abo-Version an, etwa mit Übersetzungsfunktionen. Die Preise starten bei 14,90 Euro monatlich für Einzelpersonen und variieren dann bei Unternehmen je nach Größe.
Wie viele Menschen nutzen die Plattform bereits?
Wir sind seit Juni online und haben bereits über 40 Nationen auf der Plattform. Wöchentlich haben wir einen Zuwachs von ca. 200 bis 300 Usern. Unsere Daily Active Rate liegt bei 30 bis 45 Prozent. Das zeigt uns: Die, die da sind, sind engagiert. Aber wir wissen auch, dass es kritische Masse braucht. Dafür sind Partnerschaften und Sichtbarkeit entscheidend.
Welche Zielgruppen möchten Sie besonders ansprechen?
Grundsätzlich alle, die sich für Nachhaltigkeit interessieren – ohne politisches Framing oder erhobenen Zeigefinger. Besonders im Fokus stehen Unternehmen, Start-ups, die Wissenschaft, Journalist:innen, NGOs und öffentliche Institutionen. Orbyz soll ein Werkzeug für die ganze Gesellschaft sein.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit inhaltlich und technisch?
Unsere Server stehen in Österreich, sind ISO-zertifiziert und werden mit Ökostrom betrieben. Barrierefreiheit ist uns ebenfalls wichtig, wird aber erst im Herbst vollständig implementiert. Inhaltlich orientieren wir uns auch an den Sustainable Development Goals. Wir wollen eine Plattform sein, die Wissen zugänglich macht, ohne akademische Hürden. Denn die große Transformation schaffen wir nur gemeinsam, mit der gesamten Konsumgesellschaft.
Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?
Bis Jahresende werden alle Features sowie die Pro-Version umgesetzt. Danach wollen wir in Europa skalieren und lokale Partnerschaften aufbauen. Wichtig ist mir: Orbyz ist keine Konkurrenz zu Instagram oder LinkedIn, sondern eine wertvolle Alternative. Es braucht ein Bewusstsein dafür, dass es nicht immer nur amerikanische Plattformen sein müssen. Wir Europäer können das auch, wir müssen es uns nur zutrauen.
ZUR PERSON.
CAROLINE GAGER-PALFY ist Baumeisterin, Nachhaltigkeitsexpertin und Gründerin der Plattform Orbyz. Sie setzt auf kreislauffähiges Bauen, gesellschaftlichen Wandel und digitale Transparenz – mit Fokus auf die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDG). In Wien realisierte sie eines der ersten Holzhochhäuser Europas.