
Reto Pazderka ist seit 2018 Geschäftsführer der adesso Austria GmbH, die Teil der Dortmunder adesso SE ist, eines der führenden europäischen IT-Dienstleistungsunternehmen mit gesamt 10.700 Mitarbeitenden, 160 davon in Wien und Graz.
©adesso Austria GmbHadesso-Geschäftsführer Reto Pazderka über Wachstum trotz Spardruck, Künstliche Intelligenz und digitale Souveränität sowie die Wirkung guter Teams auf erfolgreiche Projekte.
Fast alles dreht sich um KI, so scheint’s: Die berühmte MIT-Studie, die besagt, dass 95 Prozent aller KI-Pilotprojekte scheitern, wird viel zitiert. Stellt sich das bei Ihren Kunden auch so dar?
Die 95 Prozent unterschreibe ich so nicht. Das würde bedeuten, dass man sehr unfokussiert in so ein Projekt geht. Unserer Erfahrung nach ist die Auswahl des richtigen Anwendungsfalls entscheidend. Wer sich nicht gleich die kompliziertesten Fälle heraussucht, erzielt wesentlich bessere Ergebnisse.
Geben Sie uns ein Beispiel, was in dem Zusammenhang einfach zu bewerkstelligen ist?
Einer unserer wichtigsten Kunden, die Agrarmarkt Austria, erstellt in ihrer täglichen Arbeit sehr viele Protokolle. Bei der Formulierung dieser standardisierten Schriftstücke lässt sich mit KI sehr schnell Maßgebliches erreichen. In diesem Fall ist schon eine große Hürde genommen, über die KI-Projekte gern stolpern: das Datenthema. Viele merken erst in der Umsetzung, dass sie für das konkrete Projekt keine korrekte oder qualitativ hoch wertige Datenbasis haben.
Viele Ihrer Kunden kommen aus der Verwaltung, die bei knapperen Budgets die digitale Transformation fortführen müssen. Wie gehen die mit der Situation um?
Der Spardruck ist spürbar, keine Frage. Spürbar ist aber auch, dass fortschrittliche Verwaltungen es schaffen, das Bestehende zu erhalten, und gleichzeitig auch entscheidende Schritte in die Zukunft machen, indem sie die verfügbaren Mittel klug priorisieren.
Sie sind Teil eines europäischen IT-Konzerns deutscher Provenienz. Findet adesso in anderen Märkten leichtere Bedingungen vor?
Bei unserem letzten internationalen Managementmeeting haben wir den Programmpunkt zur wirtschaftlichen Situation der jeweiligen Märkte von der Agenda gestrichen, weil es fast überall ähnlich schwierig aussieht, auch in Deutschland. In Österreich haben wir noch zusätzliche Herausforderungen, die die Unternehmen und den Standort stark belasten. Ich traue es mich fast nicht zu sagen, aber wir als adesso Austria haben heuer trotzdem ein 25-prozentiges Umsatzwachstum geschafft.
Wie geht das in der momentanen Lage? Haben Sie einen großen Kunden gewonnen?
Die Frage hat man mir zuletzt sehr oft gestellt. Es sind mehrere Faktoren: Zum einen haben wir tatsächlich einen prestigeträchtigen großen Kunden neu ins Boot holen können. Zum anderen haben wir in den letzten Jahren das Unternehmen personell so gut aufgestellt, dass wir wirklich viel weiterbringen. Was mich besonders freut: Ich habe keine einzige Eskalation oder Projekthavarie am Tisch. Alle unsere Projekte laufen in Budget, in Time und in Quality. Das ist etwas, das man sich als Team über Jahre hart erarbeiten muss.
Alle unsere Projekte laufen in Budget, in Time und in Quality. Das ist etwas, das man sich als Team über Jahre hart erarbeiten muss.
Sie suchen aktuell Dutzende neue Mitarbeitende. Wie sieht der IT-Arbeitsmarkt aus?
Das Team der "adessi" in Österreich wächst. Es ist viel Bewegung im IT-Arbeitsmarkt zu spüren. Wir haben von Jänner bis September 3.900 Bewerbungen in Österreich bekommen, wohl auch, weil der Markt generell unsicherer geworden ist. Allein in diesem Jahr hatten wir 400 Interviews. Das kostet Zeit und Energie, aber wir wollen genau die Menschen finden, die zu uns passen. Sehr gut funktioniert der Kanal der Mitarbeiterempfehlungen.
Mit den geopolitischen Veränderungen hat sich auch der Blick auf die europäische Abhängigkeit von den US-amerikanischen Anbietern verändert. Der Wunsch nach mehr digitaler Souveränität wird vielerorts artikuliert. Ist das in der Praxis umsetzbar?
Der Markt der Cloud-, Daten- und KI-Infrastrukturen wird von den Großen, also den amerikanischen Tech-Konzernen dominiert, keine Frage. In der Anwendung dieser Technogien bei Unternehmen und Behörden liegt eine der Stärken von adesso, und die richtige Anwendung stiftet Mehrwert. Viele Unternehmen und Organisationen in Europa überdenken ihre IT-Strategie und bewerten einschlägige Risiken neu. Mein Eindruck ist, dass österreichische Unternehmen hier sogar noch ein Stück vorsichtiger und sensibler sind, was Abhängigkeiten betrifft. Man legt großen Wert darauf, technisch möglichst in der EU zu bleiben.
