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Wienerin verknüpft Recht und KI in San Francisco

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Amélie Vavrovsky ist Gründerin und CEO von Formally. Mit im Bild: Jason Susser, Managing Partner Siskind Susser (links) und Josh Waddell, Mitgründer and CEO -Visalaw.ai (rechts).

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Die 30-jährige Amélie Vavrovsky surft mit ihrem LegalTech-Start-up Formally auf der KI-Welle im Silicon Valley.

Den Gründergeist spürt Amélie Vavrovsky jedes Mal wieder, wenn sie in San Francisco aus dem Flugzeug steigt. „Während einem in Wien eine Billa-Werbung entgegenlacht, sind es im Silicon Valley Anzeigen für AI for Banking oder SOC 2 Type 2 Compliance. Du merkst, hier werden die neuen KI-Modelle entwickelt. Das liegt schon sehr in der Luft.“

Ihr 2022 gegründetes Legal-Tech-Start-up Formally setzt auf KI, um Visa- und Einwanderungsprozesse zu digitalisieren und rechtlich zu unterstützen. Die Plattform verbindet Automatisierung mit juristischer Beratung und richtet sich im B2B-Modell an Anwaltskanzleien und Organisationen, die für Abonnements zahlen. Laut Vavrovsky werden derzeit nur etwa 25 Prozent der Einwanderungsanträge in den USA mit anwaltlicher Vertretung eingereicht. Gleichzeitig steige die Nachfrage nach professioneller Unterstützung deutlich. 

Der Markt ist beträchtlich, denn die USA zählen neben Deutschland und Saudi-Arabien zu den wichtigsten Migrationsländern weltweit – auch wenn es schwer ist, eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. 2024 gab es 100.060 Flüchtlinge, also Personen, die aus humanitären oder Asylgründen aufgenommen wurden. Knapp 1,2 Millionen zeitlich befristete Arbeitsvisa wurden ausgestellt. In diesem Jahr sind im U.S. Department of State noch insgesamt 150.037 Einwanderungsvisa für beruflich qualifizierte Fachkräfte vorgesehen, die dauerhaft in den USA leben möchten. Vergleichbar ist diese Kategorie mit der österreichischen Rot-Weiß-Rot-Karte. 

Mit dem Aufkommen der KI hat sich auch die Risikokapitalbereitschaft erhöht. Die Rechtsindustrie wird sich stark verändern.

Amélie VavrovskyGründerin und CEO von Formally

Simplifizierung.

Vavrovsky, die familiäre Verbindungen zu den gleichnamigen österreichischen Rechtsanwälten hat, wusste schon immer, dass sie ins Ausland wollte. Seit zwei Jahren lebt sie in San Francisco, wo sie Formally gründete. In der ersten und bisher einzigen Pre-Seed-Finanzierungsrunde gab es 2023 ein Investment von 3,3 Millionen Dollar. Nach eigenen Angaben schreibt das Start-up bereits schwarze Zahlen.

Seinen Anfang nahm alles am United World College in New Mexico. Vavrovsky machte dort die Matura und anschließend einen Bachelor in International Relations an der Brown University und zwei Master in International Policy und Sustainable Design in Stanford. Ihr Fokus lag dabei auf „AI and Tech Policy“: „Stanford ist wie ein intellektueller Süßigkeitenladen. Du kannst dir Kurse von der Law und der Business School, aber auch interdisziplinäre Programme aussuchen. Dadurch ergibt sich ein wahnsinniges Ökosystem, das zum Gründen verleitet.“

Aber wie kam sie auf die Idee? Auf der Uni befasste sie sich genauer mit Migrationswegen und Asylanträgen für die USA. „Ich habe mir gesagt, das kann hier keiner verstehen. Das war der Moment, in dem ich dachte, wir können das vereinfachen.“ Ihr ist wichtig, dass Menschen wissen, was sie ausfüllen, wo sie die Unter-lagen einreichen müssen und welche Folgen dies hat. „Alle sollen eine faire Chance haben, für ihren Fall zu plädieren.“ 

Das Formally-Team besteht aus zehn Personen, hauptsächlich Softwareentwickler:innen. Viele haben selbst einen Migrationshintergrund, einige sind Amerikaner:innen, ein Teil sitzt in Armenien. Investiert sind rein amerikanische Investoren, darunter Bessemer Venture Partners, die auch LinkedIn und Shopify mitfinanziert haben.

Die Vision für die Zukunft: KI-gestützte Rechtsberatung soll künftig direkt für Endkonsument:innen zugänglich sein. „Der Bedarf ist enorm. Besonders im Familienrecht, etwa bei Scheidungen, sowie im Arbeits-, Gesellschafts- und Unternehmensrecht sehen wir großes Potenzial. Auch die Regelung von Vermögen und Erbschaften ist ein spannender Anwendungsfall.“

Die Wienerin schwärmt von den internationalen Founder-Communitys in San Francisco. Letztens lud Sam Altman Gründer:innen zu einem seiner Events ein, deren KI-Projekte er spannend fand. Vavrovsky war auch dabei. Netzwerken im Silicon Valley ist das A und O, weshalb Vavrovsky zunächst dachte, sie müsse golfen lernen. „Als Networking-Skill ist im Silicon Valley eigentlich Skifahren viel wichtiger. Da haben wir als Österreicher:innen einen Vorteil. Das ist zwar nicht das Stereotyp der USA, aber San Francisco hat eine sehr sportliche Outdoor-Kultur“, so die Jungunternehmerin.

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Im Herzen von San Francisco: Das Formally-Büro befindet sich unweit der Mission Street und des Salesforce Parks.

Andere Welt.

Vergleicht man die USA mit Europa, betont sie: „Für Innovation ist es wichtig, viel auszuprobieren und zu experimentieren. Es geht um das Gefühl, alles ist möglich – auch wenn das verrückt klingt. Das ist die Einstellung, die ich im Silicon Valley erfahre.“ Der großen Risiken, die damit einhergehen, ist sich die 30-Jährige bewusst. Europa erlebe sie dagegen als risikoavers. „Die Leute denken: KI – ja, vielleicht, aber zuerst müssen wir regulieren.“ 

2023 war im Legal-Tech-Sektor das gründungsstärkste Jahr der letzten Dekade in der Bay Area. Laut der Markt-datenplattform Tracxn gibt es in San Francisco 71 KI-basierte Legal-Tech-Start-ups. Harvey, EvenUp und Eve haben Unicorn-Status erlangt, was bedeutet, dass sie jeweils mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet werden. „Mit dem Aufkommen von KI hat sich auch die -Risikokapitalbereitschaft erhöht. Die Rechtsindustrie wird sich stark verändern. Es gibt Bedarf für neue Produkte.“

Zur aktuellen politischen Lage will sich Vavrovsky weder äußern noch sich einmischen. Zu aufgeheizt ist die Stimmung in Donald Trumps Amerika, was Immigration betrifft. Das Thema sei gerade für eine ausländische Gründerin „ein bisschen zu sensibel“. Die Einwanderungsbehörde ICE spielt in der zweiten Amtszeit des US-Präsidenten ja eine zentrale Rolle. Trump hat die Aufnahme von Flüchtlingen auf ein historisches Tief begrenzt. 2026 sollen lediglich 7.500 Schutzsuchende einreisen dürfen.

An Österreich gefällt Vavrovsky die Kultur, die parlamentarische Demokratie und das Sozialsystem. Ist das Land bereit, in Innovation zu investieren, sei die Lebensqualität kaum zu übertreffen. „Ich kann mir absolut vorstellen, wieder zurückzukommen.“ Doch momentan, sagt sie, hegt sie einfach viel Bewunderung aus der Ferne. So unglaublich es auch ist, auf der KI-Welle in den USA zu surfen, nach Wien auf Besuch geht es trotzdem zwei- bis dreimal im Jahr, denn natürlich spiele Heimweh eine Rolle.

KI-Begleiterin für Migration

Pioneers and Pathfinders: Amélie Vavrovsky

Amélie discusses competing in hackathons, the importance of multidisciplinary collaboration, Formally's approach to making legal work easier, and her surprising reaction to being included in the 30 Under 30.

https://soundcloud.com/pioneersandpathfinders/amelie-vavrovsky

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