
Im Pinzgau traf sich Anfang Juni die Landeshauptleutekonferenz - rühmen mit seinen Finanzen kann sich keiner der Landeshauptleute.
©picturedesk.com/APA/Barbara GindlDie österreichischen Staatsschulden sind zuletzt erneut gestiegen - auch auf Länder- und Gemeindeebene. Steigende Ausgaben, dynamische Aufgaben und wenig Spielraum zum Sparen lassen die Bundesländer tiefrote Zahlen schreiben.
Die Rechnung ist im Grunde simpel: Wenn der Bund sparen muss, müssen auch die Bundesländer mitziehen. Was in einem eng verflochtenen föderalen System wie Österreich logisch klingt, stößt in der Regel auf Widerstand – und das neun Mal.
Länderchef:innen schießen gerne zurück, wenn ein Finanzminister ihnen das Sparen nahelegt. Der Bund sei durch einen „gefährlichen Giftcocktail aus Verschwendungssucht, Unvermögen, Klientelpolitik und Geheimniskrämerei“ für das Minus in der Staatskasse verantwortlich, so Peter Kaiser, Kärntner SPÖ-Landeshauptmann. Von „gefährlichen Drohungen für die Landesbudgets“ (Mario Kunasek, Landeshauptmann Steiermark, FPÖ) bis hin zu Empörung über die „Zurufe aus Wien“ (Thomas Stelzer, Landeshauptmann Oberösterreich, ÖVP) reichten die Reaktionen, als Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) die Länder kürzlich zu einem höheren Beitrag bei der Budgetsanierung auff orderte.
Der Tenor: Man könne in den Ländern nicht noch mehr sparen. Aus Sicht der Landeshauptleute wird vom Osten bis zum Westen alles Menschenmögliche dafür getan, das eigene Budget zu konsolidieren. Von strategischen Landesbeteiligungen im Burgenland über Förderkürzungen in der Steiermark bis hin zu zeitlichen Investitionsverschiebungen in Kärnten reichen die Länder-Finanzprogramme.
Zwar entfallen 87 Prozent des knapp 394 Milliarden Euro hohen Schuldenbergs der Republik auf den Bund. Die Schulden auf Landes- und Gemeindeebene wiegen mit rund 52 Milliarden Euro jedoch ebenfalls schwer. Die österreichischen Staatsschulden sind im ersten Quartal des Jahres erneut gestiegen. Mit Ende März betrug der öffentliche Schuldenstand laut Statistik Austria 412,6 Milliarden Euro, um 18,5 Milliarden mehr als im Vorquartal. Ein Schuldenanstieg wurde auch neuerlich im Landes- und Gemeindesektor verzeichnet.
Die Schuldenquote, also das Verhältnis der öffentlichen Schulden zur Wirtschaftsleistung, liegt für den Bund bei 70,8 Prozent, für die Länder (ohne Wien) bei 5,7 Prozent . 2024 wuchsen in fast allen Bundesländern die Defizite stark. Aus der Schuldenverantwortung ziehen können sich die Länder nicht: Wien erhöhte seinen Schuldenstand um 1,7 Milliarden Euro. Die Steiermark stürzte von einem ausgeglichenen Budget in ein 525 Millionen Euro großes Budgetloch. Oberösterreich war mit knapp 30 Millionen Euro im Plus – als einziges Bundesland.
Auch die Pro-Kopf-Verschuldung ist in allen Bundesländern gestiegen: Kärnten liegt mit knapp 45.000 Euro an der Spitze, Tirol schneidet mit etwas über 40.000 Euro relativ noch am besten ab. Am stärksten angestiegen ist die Pro-KopfVerschuldung zuletzt in Wien (plus 39,9 Prozent), am schwächsten in Niederösterreich mit einem Plus von 31 Prozent.
Schulden pro Kopf


Die Pro-Kopf-Schulden je Landes- und Gemeindebürger:innen sind seit 2019 in allen Bundesländern deutlich angestiegen. Kärntner:innen und Steirer:innen haben im aktuellen Bundesländervergleich die höchste Verschuldung pro Kopf. Am wenigsten in der Kreide stehen die Tiroler:innen.
© Agenda Austria, Statistik AustriaReform
Nun soll der „Geist von Leogang“ beflügeln. Das Treffen in dem Pinzgauer Ort am 6. Juni ist für den vor wenigen Tagen durch Karoline Edtstadler abgelösten Salzburger Landeshauptmannn und letzten Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz Wilfried Haslauer der Startschuss für grundlegende Änderungen. Er nennt die Zusammenkunft zwischen Landeshauptleuten, Bundesregierung und Städten und Gemeinden schon jetzt „historisch“. Eine Förderalismusreform light liegt in der Luft, die auch zu Einsparungen führen soll. „Wir wollen die Verwaltung effizienter, bürgernäher, effektiver und auch sparsamer machen. Daraus werden sich auch finanzielle Vorteile ergeben. Wie die zu vermessen sind, kann man erst sagen, wenn das Ergebnis vorliegt“, zeigt sich Haslauer zu den konkreten finanziellen Zielen aber bedeckt.
Klar ist, dass die Sanierung der Staatsfinanzen nur gelingen kann, wenn alle in eine Richtung ziehen. „Wenn der Bund versucht, mit einem Maßnahmenpaket eine Konsolidierung zustande zu bringen, kann es durchaus sein, dass es untergraben wird, wenn die Länder sich nicht an die Vorgaben halten“, fasst Bernhard Grossmann vom Fiskalrat zusammen. Die Argumentation, dass der Bund das Defizit richten soll und die Bundesländer eigens zu behandeln sind, hinkt. „Wir schieben Defizite zwischen den Gebietskörperschaften hin und her. Klar haben die Länder und Gemeinden einen deutlich geringeren Anteil an Defiziten und Schulden, aber das liegt an der Organisationsform des Einnahmensystems“, erklärt Wifo-Experte Hans Pitlik. Die Krux liegt – wie so oft im heimischen Förderalismus – im Detail.
Geflecht
Die Länder haben kaum eigene Einnahmekompetenz, sondern sind abhängig von finanziellen Transfers vom Bund. Über 90 Prozent der Steuererträge werden vom Bund eingehoben und über den Finanzausgleich als Ertragsanteile an die Bundesländer verteilt. Der österreichische Haken: „Zuerst muss ich überlegen, welche Aufgaben der Staat wahrnehmen soll und welche Gebietskörperschaft sie übernehmen. Wenn ich das sauber auseinanderhalte, kann ich die Finanzierung sauber ausgestalten. Aber wir haben Mischkompetenzen und ein extremes Transfergeflecht, deswegen funktioniert es nicht optimal“, kritisiert Grossmann vom Fiskalrat.
Gleichzeitig müssen die Länder Pflichtaufgaben erfüllen. So sind die wachsenden Ausgaben in den personalintensiven Bereichen Gesundheit, Pflege und Elementarpädagogik bereits jetzt eine Herausforderung, die Länder und Gemeinden immens belasten. Wegen der hohen Gehaltsabschlüsse für öffentlich Bedienstete musste nicht nur in Kärnten das Defizit für 2024 im Nachhinein nach oben korrigiert werden.
Der Blick in die Schweiz zeigt: Das teure Transfergeflecht ist hausgemacht. Beim Nachbarn sind die Aufgaben zwischen den Gebietskörperschaften viel klarer aufgeteilt, lokale Ebenen entscheiden autonom über ihre Steuern – mit fiskalischem Erfolg. In Österreich ist das genaue Gegenteil der Fall: „Wenn Länder und Gemeinden gut wirtschaften, können sie kaum eigene Abgaben senken. Wir haben deshalb im österreichischen Föderalismus eine automatische Tendenz in Richtung mehr Ausgaben“, fasst Wifo-Experte Pitlik zusammen.
Einnahmenseitig benennen die Bundesländer unisono die schwächelnde Wirtschaft als Hauptproblem. Laut UniCredit Bank Austria werden heuer nur Niederösterreich, das Burgenland und Wien ihre Wertschöpfung steigern können.
Sonderfall Wien
Wien hat eine Sonderrolle, auch bei den Schulden. Die Schulden der Stadt Wien wuchsen zuletzt auf 11,94 Milliarden Euro an. Laut Prognosen wird das Defizit 2025 um 3,8 Milliarden Euro wachsen – das käme einer Verdoppelung des Schuldenbergs in fünf Jahren gleich.
Gleichzeitig feierte Wien als einziges Bundesland 2024 ein Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent. Expert:innen mahnen zur Einordnung dieser Erfolgsnachricht: „Ein großer Teil des Beschäftigungsund auch des Wirtschaftswachstums kommt vom öffentlichen Sektor, was natürlich das Budget in Wien belastet“, analysiert Stefan Schwarz, Ökonom der UniCredit Bank Austria. Das Wiener Wachstum wurde teuer erkauft, so der Experte.
Um Sparwillen zu demonstrieren, verkünden alle neun Landesregierungen nun strikte Sparkurse. Aber welchen Spielraum haben sie überhaupt?
Kurzfristig können die Länder bei Ausgaben der Verwaltung sparen, Förderungen kürzen oder Investitionsvorhaben verschieben. Langfristig gesehen müssen die ineffizienten fiskalischen Strukturen reformiert, die Aufgaben zwischen den Gebietskörperschaften klarer verteilt und über eine Abgabenautonomie nachgedacht werden. Bis die neun Schuldenberge geschrumpft sind, kann es also noch eine Weile dauern.
Der Artikel ist in der trend.EDITION vom 27. Juni 2025 erschienen.