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Kami Krista: Der Pharma-Revolutionär

Aktualisiert
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13 min

Der Start-up-Gründer Kami Krista

©trend/Lukas Ilgner
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Das 26-jährige Ausnahmetalent Kami Krista will die Pharmaindustrie grüner machen. Sein Start-up Elio wird nun auch von Banker Andreas Treichl unterstützt – nicht nur finanziell.

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Ein Studium in Bioingenieurwesen mit einem Theaterstudium zu kombinieren, hört sich experimentell an. Wer Kami Krista trifft, merkt jedoch schnell: Die Fächerkombination ist ein strategisch gut gewählter Schachzug.

Der 26-jährige Start-up-Gründer und ehemalige Harvard-Student spricht mitreißend über Implementierungsgaps, Prozessentwicklungen und Thermodynamikmodelle. Dass er bekannte Investoren wie den Aufsichtsratvorsitzenden der Erste Stiftung, Andreas Treichl, und Größen der Pharmaindustrie für sein Start-up begeistern kann, überrascht nicht.

Rhetorisch ist Krista sattelfest. Wenn er über die trockenen Details der KI-Sprachmodelle und der Datensätze spricht, mit denen sein Start-up arbeitet, wird schnell klar: Krista brennt für das Thema. Seine Vision ist es, Nachhaltigkeit von Beginn an in die Medikamentenentwicklung zu integrieren. Doch das ist erst der Beginn. Krista will den Implementierungsgap weit über die Pharmabranche hinaus schließen.

Hochbegabt

Der Niederösterreicher ist jemand, der gemeinhin als Wunderkind bezeichnet wird. Während seiner Schulzeit an der Salzburger St. Gilgen International School, die er durch ein Stipendium besuchen konnte, forschte er zu HIV-Therapien an der Medizinischen Universität Wien. Sein Professor an der MedUni bot dem Schüler bereits damals einen PhD-Platz an. Nach der Matura bewarb sich Krista für die US-amerikanische Eliteuniversität Harvard.

Lediglich acht Prozent der Interessierten werden pro Jahr an der Top-Uni aufgenommen. Krista war einer davon und begann ebenda – strategisch gut gewählt – Bioingenieurwesen und Theater zu studieren. Während seiner Harvard-Zeit arbeitete er am renommierten Massachusetts Institute of Technology in der Medikamentenentwicklung. Der Plan für den Einser-Studenten, der mehrere hoch dotierte Leistungsstipendien erhalten hat, war es eigentlich, in der Forschung zu bleiben. Eine erstklassige akademische Karriere schien für Krista vorherbestimmt.

Doch mit 20 Jahren kam ihm die Idee für das nunmehrige Start-up. Von der Harvard Business School bekam Krista dafür – noch vor der Unternehmensgründung – eine Förderung über 8.000 US-Dollar. „Ich habe damit meine Freunde als Praktikanten eingestellt und wir haben getüftelt.“ Das Tüfteln war erfolgreich. Mit der ausgereiften Idee wurde Krista in das renommierte Start-up-Förderungsprogramm „Techstars“ aufgenommen – der Wendepunkt.

Krista beschloss mit 22 Jahren, „all in“ zu gehen. Er gründete das Start-up in den USA und entschied sich, die Eliteuniversität kurz vor seinem Abschluss zu verlassen. „Ich war von außen gesehen sehr erfolgreich, sprich Top-Uni, Topnoten, eigenes Forschungsprojekt am MIT. Aber ich war langfristig nicht erfüllt“, erzählt Krista, der sich bereits seit seiner Kindheit dem Thema Klima und Umweltschutz verschrieben hat. „Meine Aufgabe auf der Welt ist es, dazu beizutragen, die Harmonie zwischen Mensch und Natur wiederherzustellen.“ Das versucht Krista jetzt mit seinem Start-up.

Ich habe selten einen jungen Menschen erlebt, der wirtschaftlich, politisch und rhetorisch dermaßen begabt ist. Elio kann einen irsinnigen Effekt haben.

Andreas TreichlEhemaliger CEO der Erste Group

Vorreiter Pharma

Der Gesundheitssektor ist eine der emissionsreichsten Branchen und macht bis zu fünf Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus. Das ist vergleichbar mit dem bekannten Klimasünder Flugverkehr. Rund die Hälfte der Emission des Gesundheitssektors stammen aus der Arzneimittelherstellung. „Die Pharmaindustrie könnte daher ein Vorreiter im Thema Nachhaltigkeit sein“, beschreibt Krista das Potenzial der Branche.

Doch um Nachhaltigkeit umzusetzen, muss man bereits in der Produktentwicklung ansetzen. Wie internationale Studien vorrechnen, werden 80 Prozent der Umweltauswirkungen eines Arzneimittels in der Medikamentenherstellung festgelegt. Ist das Medikament erst einmal in der Testphase, können nachhaltige Implementierungen kaum mehr umgesetzt werden. Die Ressourcen und die Materialien, die den Designprozess beeinflussen, sind der effektive Start, um direkt auf den Fußabdruck einzuwirken. Da setzt Elio an.

Durch KI-Sprachmodelle untersucht Elio Chemikalien, Verbrauchsmaterialien und andere Prozesseingänge auf ihren wahrscheinlichen CO2-Fußabdruck. So kann die Plattform den Wissenschaftler:innen Auskunft geben, um wie viel sich die CO2-Emission verringern würde, wenn sie anstatt des einen Reagenzgläschens eine Alternative verwenden. „Wir ermöglichen Wissenschaftler:innen und Prozessingenieur:innen, Nachhaltigkeit ohne spezielles Vorwissen und ohne zusätzliche Daten als Entscheidungskriterium in die Prozessentwicklung zu integrieren“, erklärt Krista. Dafür beruft sich die Plattform auf Datensätze, die frei verfügbar sind. Diese externen Daten werden anhand von Mustern, die die KI erkennt, analysiert und mit Berechnungen des Start-ups kombiniert. Daraus entsteht ein „Wahrscheinlichkeitsprofil“, wie es Krista nennt. „Entscheidungen aufzuschieben, nur weil Daten nicht perfekt sind, wäre fatal – gerade angesichts des Klimawandels.“

Die Pharmaindustrie realisiere zunehmend, dass Daten, die als Entscheidungsgrundlage dienen, ausreichend und nicht perfekt sein müssen, so Krista. Einerseits zeigen Studien, dass Emissionen auch mit solchen Annahmen effektiv reduziert werden können. Andererseits würde es zu lange dauern, auf umfassende Daten der verschiedenen Stakeholder zu warten.

Investor Treichl

Das Start-up hat nach wie vor eine Niederlassung in den USA, der operative Sitz ist aber mittlerweile in Wien. Zu Elio zählt heute ein fünfköpfiges Team, darunter der CTO und Co-Gründer Kamil Mroczek. Der kanadische Tech-Entrepreneur Mroczek hatte bereits zwei Start-ups erfolgreich verkauft, bevor er bei Elio einstieg. Die beiden Gründer haben sich über LinkedIn kennengelernt.

Die jüngste Finanzierungsrunde brachte dem Start-up zwei Millionen US-Dollar. Angeführt wurde die Runde vom Münchner Fonds Ananda Impact Ventures. Investiert in Elio haben ebenfalls bekannte Namen – etwa der ehemalige CEO des Pharmaunternehmens Merck, Stefan Oschmann, sowie Andreas Treichl. „Ich habe selten einen jungen Menschen in seinem Alter erlebt, der wirtschaftlich, politisch und rhetorisch dermaßen begabt ist und klar denkt“, so Treichl über Krista, „das beeindruckt mich extrem.“ Der ehemalige Präsident des Forums Alpbachs erwartet, dass die von Krista entwickelte Plattform einen „irrsinnigen Effekt“ weit über die Pharmaindustrie hinaus haben kann. ­

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Das internationale Team von Elio arbeitet in Wien. „Alle sind mit Freude und voller Energie dabei, die Welt und die Produkte, die wir weiterhin brauchen, nachhaltiger zu gestalten", so Krista (2.v.r.).

 © Patryk Sikora

Weitere Branchen

Im Einsatz ist die von Elio entwickelte Software bereits bei ten23 health. Das Schweizer Unternehmen unterstützt Pharmaunternehmen bei der Entwicklung, der Herstellung und der Prüfung von Arzneimitteln.

In welchen anderen Unternehmen die Plattform bereits angewendet wird oder wo sie demnächst eingesetzt wird, darf Krista zum jetzigen Zeitpunkt nicht verraten. „Wir arbeiten bereits mit ein paar der Top-20-Pharmaunternehmen und entwickeln dieses Jahr das Produkt gemeinsam mit ihrem Input weiter, um uns nahtlos in die komplexen Entscheidungsprozesse in Pharmafirmen zu integrieren“, meint Krista, der hofft, bald eine der Kooperationen verkünden zu dürfen.

Das Ziel von Krista und seinem Team ist es, demnächst mit Elio in weiteren Branchen durchzustarten. Die Pharmaindustrie war ein „super Ausgangspunkt, weil Pharma hat über seine Lieferkette eine massive Hebelwirkung“. So sind viele andere Industrien wie die Textil-, die Plastik-, die Glas- und die Chemieindustrie oder die Landwirtschaft mit der Pharmabranche verbunden.

Erste positive Signale kommen auch aus der Kosmetikindustrie: „Mich hat kürzlich eine Vertreterin eines sehr bekannten Kosmetikunternehmens angefragt. Sie wollen unser Tool verwenden und meinten, wenn wir Pharma können, können wir Kosmetik auch“, erzählt Krista stolz. In den kommenden ein bis zwei Jahren soll der Sprung in andere Industrien gelingen.

Brain-Gain

Dass der Hauptstandort des Start-ups sich in Wien finden würde, war nicht geplant. „Ich wollte langfristig in den USA leben. Ich habe immer noch ein Spezialvisum“, so Krista. Doch dann begann die Coronapandemie und er bemerkte, dass das Um und Auf beim Gründen eines Start-ups das Netzwerk ist. Und Krista, ein Stammgast am Europäischen Forum Alpbach, ist in Österreich deutlich besser vernetzt als in den USA. Zudem sind die wichtigsten Pharmaunternehmen ebenfalls in Europa ansässig. Weder Krista noch sein Team bereuen den Schritt, das Start-up von Wien aus aufzuziehen – aus einer „Businessperspektive war es sinnvoll“.

„Meine Hoffnung ist, dass wir in Wien bleiben können“, doch der aktuell laufende Recruitingprozess für zwei ausgeschriebene Stellen dämpf Kristas Optimismus. Die Talentdichte in Wien sei nicht besonders hoch: „Das heißt nicht, dass es in Wien keine talentierten Menschen gibt. Aber bis jetzt haben wir die Erfahrung gemacht, dass es zu wenige Personen gibt, die Start-up- oder Entrepreneur-Erfahrung haben.“

Die Start-up-Umgebung wäre in Wien grundsätzlich gegeben. Doch es wird politisch zu wenig getan, um die besten Köpfe anzuziehen, kritisiert Krista und spricht damit unter anderem die RotWeiß-Rot-Karte an. Mehrere der Personen, die für die offenen Stellen in Frage kommen, sind Drittstaatsangehörige. Der Prüfprozess, um eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu bekommen, dauere viel zu lange, so Krista: „Für Start-ups zählt aber jede Woche.“

Trotz aller Hürden – das Start-up entwickelt sich wie geplant. Als nächste Schritte will Elio die Datengrundlage präzisieren und erweitern sowie die einheitsbasierte Quantifizierung von Nachhaltigkeitsprofilen vorantreiben. Die Kosten für die ökologischeren Alternativen sollen ebenso in das Nachhaltigkeitsprofil inkludiert werden. Wenn ihm das alles gelingt, sieht Investor Treichl große Erfolge für das Start-up: „Das Allerwichtigste ist es, die Koordinationsplattform über die Lieferketten zu legen. Wenn Kami das knackt, kann es ein super Geschäft werden.“

Überflieger

Als Krista die Idee für Elio hatte und sein Studium dafür aufgab, zweifelten einige Personen in seinem Umfeld, ob das eine gute Idee sei. Heute kann er sie vom Gegenteil überzeugen: Das Start-up steht mittlerweile im Dialog mit den größten Pharmaunternehmen der Welt. Krista weiß ein hochkarätiges Netzwerk und prominente Investor:innen und Mentor:innen hinter sich stehen. Und die jüngste Finanzierungsrunde war ein Erfolg.

Das Wunderkind ist erwachsen geworden – „ein alter Hase“ meint Krista selbst. „Mir wurde mit einem Schmunzeln erzählt, dass manche Partner nach dem finalen Pitch Call meinten, sie hoffen, dass ich in der Industrie gut verkaufen kann. Ich sehe ja aus wie 16“, lacht Krista.

Solche Bemerkungen weiß er einzuordnen, wie auch den Kommentar, dass er hochbegabt sei. „Es schmeichelt mir natürlich. Aber es kommt auf das Umfeld an. Meine Eltern haben mir nie gesagt, dass ich etwas nicht kann“, erzählt Krista.

Seine Eltern waren auch jene, die ihn ermutigt haben, sich an der Eliteuniversität Harvard zu bewerben. Ob Krista das Studium jemals abschließen wird, ist ungewiss. „In naher Zukunft eher nicht“, so Krista selbstbewusst. Das Start-up hat jetzt Priorität.

Der Artikel ist im trend.MED vom Mai 2025 erschienen.

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