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Fredmund Malik: "Management braucht fundierte Ausbildung"

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17 min
Mann mit Auszeichnung in der Hand

Es fällt kein Meister vom Himmel. Management erfordert eine solide Ausbildung und grundlegende Kenntnisse wie jeder andere Beruf.

©Chaichan Pramjit / Getty Images / iStockphoto
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Das Führen von Organisationen und Unternehmen ist keine Frage der Begabung, sondern der richtigen Ausbildung und der Erfahrung. Management ist erlernbar. Management- und Leadership-Experte Fredmund Malik erklärt, worauf es dabei ankommt.

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Es ist bemerkenswert, wie oft man die Meinung antrifft, Management sei eine Sache besonderer Talente und Begabungen, von Eigenschaften und Fähigkeiten. Management sei etwas, was man nicht lernen könne, sondern wozu man letztlich geboren sein müsse. Es wird gerne eine Aura des Geheimnisvollen und Unerreichbaren um Management gemacht.

Mein Vorschlag ist, Management als einen Beruf zu sehen, im Prinzip als einen Beruf wie jeden anderen. Damit will ich Management scharf abgrenzen von einer Berufung. Ob sich jemand zu Management und damit zu einer leitenden Position, vielleicht gar zu Höherem berufen fühlt, muss er mit sich und dem lieben Gott ausmachen. Ich will natürlich nicht bestreiten, dass es berufene Menschen gibt, aber man kann von ihnen nichts lernen; man kann sie nur bewundern oder bestaunen.

Ich habe daher - zumindest für den Anfang - eine viel bescheidenere Vorstellung. Wenn man Management als einen Beruf versteht, dann rückt das in den Vordergrund, was man lernen und bis zu einem gewissen Grad sogar lehren kann - die handwerkliche Seite, die handwerkliche Professionalität. Management kann erlernt werden; es muss aber auch erlernt werden. Die Dinge, die ein Manager können muss, fallen ihm nicht von allein zu, und sie sind kaum jemandem angeboren.

Talent und Begabung sind nicht genug

Ich will nicht leugnen, dass es Menschen gibt, die für Management mehr Talent mitbringen als andere. Diesen wird daher manches leichter fallen, was andere sich mühsam aneignen müssen. Das ändert nichts an der Möglichkeit und an der Notwendigkeit, Management zu erlernen.

Management ist im Prinzip ein Beruf wie jeder andere. Es gibt aber doch ein paar Aspekte, die ihn von anderen Berufen unterscheiden und die es daher rechtfertigen, ihm besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit haben absolut und relativ so viele Menschen Führungsfunktionen erfüllt. Wenn man die strengsten Kriterien für die Definition von Managern anlegt, kommt man zum Ergebnis, dass etwa fünf Prozent der Beschäftigten eines Landes Führungskräfte im engeren Sinne sind. Man kann also durchaus von einem Massenberuf sprechen. Auf fünf Prozent kommt man aber, wie gesagt, bei Verwendung strengster Kriterien - und für den klassischen, produzierenden Industriebetrieb, der vergleichsweise wenig Manager braucht. Untersucht man hingegen die modernen Branchen, dann liegt der Anteil wesentlich höher, nämlich zwischen 15 und 25 Prozent.

Doch in keinem anderen Beruf ist die Ausbildung derart miserabel wie im Management. Niemand würde in ein Flugzeug steigen, wenn die Piloten eine den Managern vergleichbare Ausbildung hätten, und genauso wenig würde sich jemand einer chirurgischen Operation unterziehen, wenn dasselbe für die Ärzte gälte. Gemessen an der Zahl von Führungskräften und der Bedeutung von Management - und vor allem gemessen an den Risiken, die mit Managementfehlern verbunden sind -, ist das ein skandalöser Zustand.

Mangelhafte Management-Ausbildung

Mit Ausnahme der Betriebswirtschaftslehre findet sich in keinem akademischen Studium in nennenswertem Umfang Management-Ausbildung. Wenn Lehrveranstaltungen über Management angeboten werden, sind es Wahl- und Freifächer, und weil die Kernfächer jedes Studiums vollen Einsatz verlangen, bleibt den Studenten kaum Zeit, sich auch noch mit Management zu befassen.

Man wird sofort dagegenhalten, dass dann im Laufe ihrer Karriere doch eine gewisse Zahl von Führungskräften eine weiterführende Ausbildung macht, etwa ein MBA-Programm absolviert. Das stimmt, aber es ändert am hier dargelegten Zustand nur wenig. Die MBA-Programme tun genau das, was ihren Bezeichnungen entspricht: Es wird Business Administration vermittelt, aber kaum Management. Diese beiden Gebiete sind keineswegs identisch; sie haben im Gegenteil nur wenig gemeinsam.

MBA-Programme sind ohne Zweifel sehr geeignet dafür, dass nicht betriebswirtschaftlich Ausgebildete sich relativ zügig betriebswirtschaftliche Kenntnisse aneignen können, und für solche, die bereits ein Betriebswirtschaftsstudium hinter sich haben, bieten sie eine Möglichkeit, all das nachzuholen, was sie im Studium verabsäumt haben. Sie sind in der Regel aber keine Managementausbildung.

3 Wege zur Management-Kompetenz

Nun sagte ich aber ausdrücklich, dass es ja auch gute Manager gibt, solche, die nicht nur ihre fachlichen, sondern auch ihre Managementaufgaben mit größter Sorgfalt und Kompetenz erfüllen. Wo haben diese ihr Handwerk gelernt? Wenn man den Dingen auf den Grund geht, kommt man immer auf genau drei Wege, auf denen die Leute Kompetenz erlangten. Es sind mühsame, langwierige und von vielen Zufälligkeiten geprägte Wege.

1. Trial & Error

Die weitaus überwiegende Mehrheit der kompetenten Führungskräfte hat ihre Managementfähigkeiten ganz einfach durch Herumprobieren, durch Versuch und Irrtum, erworben. Das ist ein langwieriger und schmerzvoller Weg - und aus diesem Grund wurden die meisten auch ziemlich alt und haben ziemlich viele Fehler gemacht, bis sie wussten, worauf es wirklich ankommt. Keiner wusste das mit 20; fast alle sind deutlich über 35, eher sogar über 40 geworden, bis sie ihre Managementaufgaben souverän und kompetent erfüllten.

2. Kompetente Chefs

Eine kleine Minderheit hat Management auf einem anderen Weg erlernt: Diese Leute hatten das große Glück, früh im Leben, oft schon an ihrer ersten Stelle, einen wirklich kompetenten Chef zu haben. Ich sage ausdrücklich: einen kompetenten Chef und nicht etwa einen angenehmen. Kompetente Leute sind meistens (leider) nicht besonders angenehm.

3. Frühe Führungserfahrungen

Und dann gibt es noch eine dritte, ebenfalls sehr kleine Gruppe: Das sind Menschen, die ihre ersten Führungserfahrungen sehr früh im Leben machen konnten. Im Grunde ist das natürlich kein eigenständiger Weg, sondern es ist eine Variante des ersten Weges, eine Spielart von Versuch und Irrtum. Der einzige, aber wichtige Unterschied liegt darin, dass diese Leute eben sehr früh mit dem Herumprobieren begonnen hatten und daher auch etwas früher damit fertig wurden als die anderen. Typische Beispiele sind etwa Personen, die sich schon in ihrer Jugend für irgend etwas engagierten, sich für eine Aufgabe besonders einsetzten, z.B. in einem Verein, in einer Sportgruppe, bei den Pfadfindern, in einer Jugendorganisation usw.

Zum Glück gibt es diese Wege, und zum Glück gibt es Menschen, die sie nützen. Aber es bleibt doch vieles - zu vieles - dem Zufall überlassen. In keinem anderen Beruf könnte eine derartige Situation akzeptiert werden. Warum also ausgerechnet beim wichtigsten Beruf?

Dabei ist es gar nicht schwierig, auch auf dem Gebiet des Managements eine solide Ausbildung, zumindest eine Grundausbildung, für alle zu konzipieren, deren berufliche Tätigkeit in einer Organisation stattfindet und für die eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie Managementkenntnisse und -fähigkeiten benötigen, jedenfalls dann, wenn sie wirksam werden wollen, und ganz sicher dann, wenn sie Karriere machen wollen. Höher- und Weiterführendes könnte dann noch immer im Laufe der Zeit nach und nach dazu erworben werden.

4 Grundelemente des Managements

Jeder Beruf ist durch die vier Elemente "Aufgaben, Werkzeuge, Grundsätze und Verantwortung" gekennzeichnet. Die ersten drei dieser vier Elemente können gelernt und auch gelehrt werden. Darauf kann eine solide, praktische Ausbildung für den wichtigsten Massenberuf einer modernen Gesellschaft - Management - aufgebaut werden. Die in diesem Zusammenhang erforderlichen Kenntnisse können von jeder Person mit durchschnittlicher Intelligenz erworben werden. Nur mit dem vierten Element, der Verantwortung, verhält es sich etwas anders.

Damit allein können noch nicht die Voraussetzungen für Spitzenleistungen im Management geschaffen werden. Für die kompetente Erfüllung schwierigster Managementaufgaben braucht es ohne Zweifel mehr, als man im Rahmen einer Ausbildung erlernen kann. Dazu braucht es auch noch Talent, Begabung und wahrscheinlich auch etwas Glück. Aber jeder, der sich mit den handwerklichen Elementen von Management ernsthaft befasst, der an sich und seiner Kompetenz arbeitet, wird besser, als wenn er es nicht tut.

Das Erlernen ist auch nicht besonders schwierig. Es lässt sich vergleichen mit dem Erlernen einer Fremdsprache oder einer Sportart. Der eine braucht etwas mehr an Übung, der andere etwas weniger, aber keiner kommt um das Erlernen herum. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, an den wichtigsten Massenberuf einer Gesellschaft weniger hohe Ansprüche zu stellen, als sie mit Selbstverständlichkeit an jeden anderen Beruf gestellt werden.

1. Aufgaben lernen

Jeder Beruf ist erstens durch spezifische Aufgaben charakterisiert, die in ebendiesem Beruf erfüllt werden müssen. Die Aufgaben jedes Berufes können beschrieben und analysiert werden - sei es der Beruf des Schreiners oder Schlossers, des Chirurgen oder des Piloten -, und man kann diese Aufgaben lernen und lehren. Genauso ist es mit dem Beruf des Managers. Um die Aufgaben eines Berufes zu erlernen, benötigt man keineswegs höhere, gar transzendente Begabungen und Talente. Das Erlernen der Aufgaben erfordert vor allem eines, nämlich den Erwerb einiger Kenntnisse.

Wenn eine Begabung vorhanden ist, mag das vieles erleichtern. Aber auch Menschen mit einem Talent für die Chirurgie müssen die Aufgaben des Chirurgen erlernen. Damit soll natürlich nicht behauptet werden, dass jeder Mensch Chirurg werden kann. Ich behaupte ja auch nicht, dass jeder Mensch Manager werden kann. Aber eine erkleckliche Zahl von Menschen kann es schaffen, brauchbare Chirurgen zu werden. Viel mehr, als man vor 100 Jahren für möglich gehalten hätte, können lernen, chirurgische Operationen mit üblichem Schwierigkeitsgrad kompetent durchzuführen. Völlig vergleichbar ist es im Management.

2. Werkzeuge beherrschen

Das zweite Element eines jeden Berufes sind die Werkzeuge, die bei der Erfüllung der Aufgaben eingesetzt werden. Auch die Beherrschung von Werkzeugen kann erlernt werden. Auch dazu - für die übliche Professionalität - braucht es zunächst keine besonderen Talente. Die Beherrschung von Werkzeug erfordert vor allem eines, nämlich Training, unermüdliches, fortgesetztes Training.

Es gilt prinzipiell dasselbe wie bei den Aufgaben: Selbst jene Leute, die Talent haben, mussten trainieren, mit dem Werkzeug umzugehen. Kein Chirurg kommt mit der angeborenen Fähigkeit zur Welt, ein Laserskalpell zu bedienen. Und auch Sportler mit großem Talent müssen hart trainieren. Gerade die größten Talente betreiben in aller Regel auch das intensivste Training.

3. Grundsätze einhalten

Das dritte Element eines Berufes sind Grundsätze - einige Prinzipien, die man bei der Erfüllung von Aufgaben und bei der Anwendung von Werkzeugen einhalten muss und die vor allem die Qualität der Aufgabenerfüllung und des Einsatzes von Werkzeugen bestimmen. Auch hier gilt dasselbe: Man benötigt kein Talent, um Grundsätze zu kennen und einzuhalten. Was man braucht, ist vielleicht das, was man als Einsicht bezeichnen kann - als Einsicht vor allem in zwei Dinge: in die Bedeutung eines Berufes und die Risiken, die mit Fehlern verbunden sind. Auch das ist lern- und lehrbar. Außer Einsicht ist noch etwas erforderlich - ein Minimum an Disziplin.

4. Verantwortung übernehmen

Das vierte Element eines jeden Berufes ist schließlich die mit seiner Ausübung verbundene Verantwortung, die umso größer ist oder sein muss, je größer die Bedeutung eines Berufes ist und je höher die mit seiner Ausübung verbundenen Risiken sind.

Auch Verantwortung ist nicht eine Sache von Talent und Begabung und schon gar nicht von irgendwelchen transzendenten Aspekten. Für Verantwortung ist etwas erforderlich, wofür ich das Wort "Ethik" verwenden möchte. Was ich meine, ist aber nicht die Ethik der großen abendländischen Philosophie. Man muss nicht unbedingt Immanuel Kant studiert haben, um im Sinne einer beruflichen Ethik zu handeln. Ich meine etwas Bescheideneres, Schlichteres - eine Alltagsethik gewissermaßen. Sie besteht darin, für das, was man tut - und gelegentlich auch für das, was man zu tun versäumt hat -, einzustehen.

Mir ist jedoch auch nach vielen Jahren Lehrtätigkeit kein Weg bekannt, wie man Verantwortung lehren kann. Man kann appellieren; man kann Verantwortung fordern; man kann sie gelegentlich auch erzwingen, etwa auf juristischem Weg. Aber im Grunde sind das alles Hilfskonstruktionen. Wesentlich scheint etwas ganz anderes zu sein - nämlich eine Entscheidung, und zwar eine höchstpersönliche, die man irgendwann in seinem Leben zu treffen hat.

Weitere Management-Tipps von Fredmund Malik finden Sie auf der Themen-Seite "Malik on Management"

Der Beitrag ist ursprünglich in der Reihe "Malik on Management" im Magazin trend. erschienen.

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