Vergaberecht: Best Practice statt Billigstbieter
Nachhaltigkeitskriterien sollen auch bei öffentlichen Beschaffungen und Bauvorhaben verstärkt berücksichtigt werden. Deswegen will die Regierung das Vergaberecht im Herbst novellieren. Andere halten mehr Transparenz bei Ausschreibungen für wichtiger.
Moderne Holzbauweise im Gemeindebau: Das Vergaberecht bietet genügend Spielraum für innovative Beschaffungsvorgänge öffentlicher Stellen.
Wenn es um das Zieldatum geht, liegt Österreich ganz vorne. Während Europa die Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft erst im Jahr 2050 geschafft haben will, hat sich die Bundesregierung mit 2040 die Deadline gleich zehn Jahre früher gesetzt. Bisher sind das zwar erst Absichtserklärungen politischer Parteien in ihren Regierungsprogrammen, bald jedoch soll das Datum sogar durch verfassungsrechtliche Mehrheit fixiert und somit künftige Entscheidungsträger nachhaltig unter Zugzwang gesetzt werden.
Bei der Umsetzung dieser Pläne hinkt Österreich eher hinterher. Und deswegen sollen nun die ökologischen Stellschrauben ein paar Umdrehungen fester gedreht werden. Die Regierung will dabei mit gutem Beispiel vorangehen und novelliert das Vergaberecht: Bei öffentlichen Beschaffungen sollen künftig noch mehr als jetzt schon Klimaneutralität, Nachhaltigkeit und Regionalaspekte berücksichtigt werden. Was nicht alle Experten glücklich macht. Die Beschaffungen in Zeiten der Pandemie haben nämlich gezeigt, dass es nicht an noch mehr Gesetzen fehle, sondern eher an Transparenz der Verfahren. Rechtsanwalt und Vergaberechtsexperte Martin Schiefer: "Transparenz bei Vergabeentscheidungen ist ein Gebot der Stunde, denn nur so können wir die notwendigen Fortschritte bei Nachhaltigkeit oder Digitalisierung schaffen."
Novelle
Tatsächlich dürfte die Novelle die Komplexität von Vergaberegeln bis ins Äußerste ausreizen. Sie sieht eine Stärkung des Bestbieterprinzips vor sowie eine stärkere Normenbindung, eine Neuregelung der sogenannten "vertiefenden Angebotsprüfung" und eine Forcierung der regionalen Vergabe. Schiefer: "Es braucht keine Novellierung für mehr Umwelt, das ist unsinnig, denn dazu reichen die bisherigen Bestimmungen vollkommen aus. Es ist vielmehr ein gewisser Ausdruck der Hilflosigkeit, wenn man glaubt, alles bis ins kleinste Detail im Gesetz regeln zu können."

Asfinag-Vorstand Hartwig Hufnagel: Eelektroautos und ersten energieautarke Straßenmeisterei.
Tatsächlich zeigen Best-Practice-Beispiele, dass bisher durchaus nachhaltige Entscheidungen getroffen werden konnten, etwa bei der Asfinag. Der Autobahnbauer und -betreiber hat als öffentlicher Auftraggeber schon bisher eine weitgehende Ökologisierung seiner Aufträge durchsetzen können, bestätigt Vorstand Hartwig Hufnagl, der zwischen funktionaler Hochleistungsinfrastruktur und grünen Verkehrsideen keinen Widerspruch sieht: "Das ist kein Dilemma für mich, sondern ein anspruchsvoller Interessenausgleich." Bei neuen Straßen etwa sind neuerdings 33 Haupt-und 34 Subkriterien in Sachen Nachhaltigkeit zu erfüllen. So müssen Bauunternehmen 90 Prozent Recyclingmaterial für neue Asphaltflächen verwenden, die Maschinen auf den Baustellen elektrifiziert werden.
Musterbeispiel
Die von der Asfinag betreuten Strecken - immerhin 2.249 Kilometer - sollen für eine neue Nutzung hergerichtet werden, die von elektrifizierten Fahrzeugen ausgeht. Dazu zählt Verkehrstelematik genauso wie eine Verdichtung des Ladestellennetzes. Die eigene Dienstwagenflotte wird bis 2025 auf Elektroautos umgestellt, schneller, als es der offizielle Plan der Regierung vorsieht. Die Stromversorgung soll zumindest teilweise aus eigenen Kraftwerken gesichert werden. Die Ideen reichen von Windrädern über PV-Paneele entlang von Lärmschutzwänden oder Tunnelportalen bis hin zu einem eigenen Wasserkraftwerk.
Unlängst eröffnete man in Kärnten die erste energieautarke Straßenmeisterei. In Zukunft könnten sogar eigene Windturbinen entlang von Transitstrecken den Fahrtwind vorbeifahrender Lkw in Strom umwandeln; auch Verkehrsschilder aus Holz statt Alu werden getestet - zwei Forschungsprojekte aus einem internen Innovationswettbewerb. Das alles seien Regelungen bei geltendem Vergaberecht, meint Experte Schiefer: "Das sind Musterbeispiele und Best-Practice-Modelle, anhand derer der Gesetzgeber verdeutlicht, was er gemeint hat, heruntergebrochen auf einen konkretes Umsetzungsfall. Das reicht vollkommen" (siehe auch Interview).
Folgerichtig hebt er auch den noch vor der Gesetzesnovelle kommende Relaunch eines bereits zehn Jahre alten Aktionsplans von Klima-und Landwirtschaftsministerium für nachhaltige Beschaffung (naBe-Aktionsplan) hervor: Es ist eine außergesetzliche Regelung mit konkreten Beispielen, die den für den Einkauf zuständigen öffentlichen Stellen (nicht nur die Bundesbeschaffungsagentur) eine Handlungsanleitung in die Hände geben, mit der sie konkret arbeiten können.
Aktionsplan
Dabei geht es um neue naBe-Kernkriterien und Nachhaltigkeits-Anforderungen für die zu beschaffenden Produkte, Dienst-und Bauleistungen aus insgesamt 16 Beschaffungsgruppen. Diese werden nun in drei Bereiche aufgeteilt: Verbrauchsprodukte und Veranstaltungen, langlebigere Produkte oder Investitionsgüter und bauliche Anlagen. Der Großteil der Anforderungen ist verbindlich anzuwenden. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Eignungskriterien, technische Spezifikationen und Vertragsbedingungen. Ein kleinerer Teil der Anforderungen ist optional, etwa bei Zuschlagskriterien und Empfehlungen.
Auch bei der Wirtschaftskammer (WKO) begrüßt man die außergesetzlichen Regelungen des Aktionsplans, empfiehlt mehr Transparenz und warnt vor übertriebener Regulierung: "Wichtig für ein funktionierendes Beschaffungswesen - und auch rechtlich geboten - ist in jedem Fall, dass verpflichtende, aber auch optionale Kriterien für die Auftraggeber sowie Auftragnehmer klar formuliert sind und diese auch für die Auftraggeber einfach und unbürokratisch zu kontrollieren sind."
Abschreckendes Beispiel
Das Schreckensgespenst in Sachen Regulierung nachhaltiger Beschaffung ist für liberalere Geister das neu geplante Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz. Es ist die österreichische Umsetzung der EU-Clean-Vehicle-Directive (CVD), mit der die Quote von umweltfreundlichen Fahrzeugen im öffentlichen Bereich (etwa: Verkehrsverbünde, Fuhrparks) angehoben werden soll. "Leider verkennt schon der europäische Gesetzgeber das Ausmaß der Mehrkosten, indem er nur auf die Fahrzeuge abstellt. Die notwendige Infrastruktur und ihre Implikationen bergen jedoch weitere erhebliche Mehrkosten, die von den Verkehrsunternehmen nicht getragen werden können", gab die WKO dazu in der Begutachtung eine mehr als skeptische Beurteilung ab.
"Da geht ein Gesetz in die Irre", formuliert es Schiefer noch drastischer: "Das ist dermaßen komplex, dass niemand die Umwelt-Berechnungen für die erlaubten Fahrzeuge kapieren wird. Wer ist dafür zuständig? Was ist mit Subunternehmern? Ganz abgesehen davon, dass man viele Fahrzeuge noch gar nicht bekommt. Das wird, mit einem Wort, ein ziemliches Durcheinander."
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