COVID-19-Maßnahmen: Das neue Gesetz unter der Lupe

Was dürfen Behörden? Wer darf Ausgangsbeschränkungen und Betretungsverbote erlassen und mit welcher Begründung? Rechtsanwältin Piroska Vargha und die Rechtsanwalts-Anwärterin Andrea Muresan von der Rechtsanwaltskanzlei Lansky, Ganzger & Partner fassen die neuen Bestimmungen zusammen.

Thema: Corona: Recht im Ausnahmezustand
COVID-19-Maßnahmen: Das neue Gesetz unter der Lupe

Klarer, aber etwas komplexer: das neue COVID-19-Maßnahmengesetz

Nach Kritik an den zur Zeit des Lockdown gesetzten Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber nun das COVID-19-Maßnahmengesetz adaptiert. Die Änderungen sollen vor allem auch eine solidere Grundlage für die Erlassung von Verordnungen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 schaffen. Ob das tatsächlich funktioniert, wird die Praxis zeigen. Die Rechtsanwälte Andreas Bauer, Piroska Vargha und die Rechtsanwalts-Anwärterin Andrea Muresan fassen die Bestimmungen zusammen.


Neue Bestimmungen im COVID-19-MG

Aufgrund der jüngsten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs (V 363/2020, 14.7.2020), worin dieser etwa die im März und April 2020 aufgrund des COVID-19-MG erlassenen Ausgangsbeschränkungen als verfassungswidrig erklärt hat, wurde im Parlament eine umfassende Novelle beschlossen und so ein „neues COVID-19-MG“ formuliert; dies mit dem Ansinnen, die vom Verfassungsgerichtshof festgestellte Verfassungswidrigkeit zu beseitigen bzw. zu verenden. Das Gesetz gilt bis zum 30.6.2021,der Zeitpunkt kann jedoch erneut durch Verordnung geändert werden.

Allgemein zuständig für die Erlassung von Verordnungen nach den § 3, 4 und 5 COVID-19-MG ist auf Bundesebene der Gesundheitsminister. Je nach regionaler Notwendigkeit können auch die Landeshauptleute bzw. die Bezirksverwaltungsbehörden weitere Verordnungen erlassen.

Die strengeren Verbote – nämlich die Betretungsverbote und die Ausgangsregelung – dürfen ausschließlich im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates erlassen werden. Bei Gefahr in Verzug darf diese Zustimmung nachträglich, allerdings spätestens innerhalb von 4 Tagen ab dem Zeitpunkt der Erlassung des Verbots, eingeholt werden.

Wo kommt das COVID-19-MG zur Anwendung?

Der neue § 1 COVID-19-MG ermächtigt sowohl zur Erlassung von Regelungen im Hinblick auf das Betreten (inkl. Verweilen) und Befahren von Betriebsstätten, Arbeitsorten, bestimmter Orte und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit sowie das Benutzen von Verkehrsmitteln (wobei auch private Verkehrsmittel betroffen sein können) als auch zur Anordnung von Betretungs- oder Ausgangsverbote.

In den Erläuterungen zur Gesetzesnovelle werden die im COVID-19-MG enthaltenen Begriffe wie folgt definiert:

  • Unter „bestimmte Orte“ sind eingeschränkte Orte zu verstehen. Dies können sowohl öffentliche als auch private Orte sein;
  • der private Wohnbereich (darunter sind allerdings nicht nur die Wohnung oder das Haus, sondern auch Nebengebäude, wie etwa Kellerabteile oder Garagen, zu verstehen) ist jedoch ausdrücklich davon ausgenommen.
  • Unter einem „öffentlichen Ort“ ist ein solcher zu verstehen, welcher von einem im Vorhinein nicht bestimmten Personenkreis betreten werden kann (somit ein allgemein frei zugänglicher Ort).
  • „Auflagen“ sind bereits aus der COVID-19-Lockerungsverordnung bekannt und umfassen Abstandsregeln, die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Schutzmaske, sonstige organisatorische und räumliche Schutzvorkehrungen sowie das COVID-19-Präventionskonzept.
  • Unter „Voraussetzungen“ sind bestimmte Nutzungsarten oder Nutzungszwecke von Orten und Verkehrsmitteln zu verstehen. Beispielsweise kann vorgeschrieben werden das Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren, nicht aber zum Zweck des Zusammentreffens betreten werden dürfen.

Was kann aufgrund §§ 3 und 4 COVID-19-MG verordnet werden?

Das Betreten (auch das Verweilen) und Befahren von Betriebsstätten, Arbeitsorten, bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit sowie das Benutzen von Verkehrsmitteln kann dahingehend eingeschränkt („geregelt“) werden, dass entweder nur eine bestimmte Anzahl von Personen diese Orte betreten bzw. befahren darf, dies nur zu einer bestimmten Zeit oder nur unter bestimmten Voraussetzungen und Auflagen erfolgen darf.

Solche Regelungen dürfen jedoch nur dann erlassen werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

Ausgangs- und Betretungsbeschränkungen

  • Betretungsverbote:
    Es ist vorgesehen, dass das Betreten bzw. Befahren der genannten Orte sogar völlig untersagt werden darf; dies allerdings nur dann, wenn andere Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht ausreichen (somit ist ein völliges Betretungsverbot den oben genannten Regelungen nachrangig).
    Das Betreten bzw. Befahren öffentlicher Orte in ihrer Gesamtheit darf nicht untersagt werden, sondern allenfalls durch „Voraussetzungen“ und „Auflagen“ geregelt werden.
    Die Betretungsverbote dürfen für einen maximalen Zeitraum von 4 Wochen erlassen werden.
  • Ausgangsverbote:
    Ein Ausgangsverbot (wonach das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zwecken erlaubt ist) soll nach der neuen Bestimmung des § 5 COVID-19-MG die letzte Maßnahme (ultima ratio) darstellen. Demnach darf eine Ausgangsregelung erlassen werden, wenn dies unerlässlich ist, um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern.
    Die Geltung der Ausgangsregelung (§ 5) ist mit 10 Tagen zu beschränken.

Wann der Zeitpunkt eines solchen drohenden Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung erreicht ist oder was unter dem Begriff „ähnlich gelagerte Notsituationen“ zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber allerdings offengelassen und auch nicht in den Erläuterungen zu der Gesetzesnovelle thematisiert; diese Unklarheit könnte Zündstoff für neuerliche Diskussionen und Anlass für weitere Verfassungsbeschwerden werden.

Ferner darf eine Ausgangsregelung nicht erlassen werden, wenn die Verbreitung von COVID-19 durch die Festlegung von „Voraussetzungen“ und „Auflagen“ zum Betreten bzw. Befahren eines Ortes oder die Erlassung eines Betretungsverbots verhindert werden kann.

Ausnahmen vom Ausgangsverbot

Selbst bei einem Ausgangsverbot darf das Haus zu bestimmten Zwecken verlassen werden. In diesem Zusammenhang wurden die bekannten Bestimmungen aus dem alten COVID-19-MG beibehalten:

  • Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum;
  • Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten;
  • Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens (zusätzlich zur Versorgung mit Grundgütern fällt zB auch der Kontakt mit nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartnern, die Befriedigung religiöser Grundbedürfnisse oder die Grundversorgung von Tieren darunter);
  • berufliche Zwecke, sofern dies erforderlich ist; und
  • Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung (Spaziergänge, sportliche Betätigungen, Verweilen im Freien).


Verhältnismäßigkeit und Strafbestimmungen

1. Verhältnismäßigkeit

Bei der Erlassung von Verordnungen aufgrund des neuen COVID-19-MG sind folgende Verhältnismäßigkeitsstufen relevant:

  • Zuerst ist eine Einschränkung des Betretens bzw. Befahrens eines Ortes mittels Voraussetzungen und Auflagen zu treffen.
  • Wenn diese nicht ausreichend ist, darf ein Betretungsverbot erlassen werden.
  • Erst wenn auch ein Betretungsverbot die Verbreitung des COVID-19 nicht mehr verhindern kann, darf eine Ausgangsregelung verordnet werden.

2. Strafbestimmungen

Die neuen Strafbestimmungen wurden der Verhältnismäßigkeit angepasst:

  • Verstöße gegen Voraussetzungen oder Auflagen für das Betreten bzw. Befahren von Orten (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1) sind mit einer Geldstrafe von bis EUR 500,00 bedroht.
  • Verstöße gegen Betretungsverbote (§ 3 Abs. 2 letzter Satz bzw. § 4 Abs. 2 letzter Satz) sowie gegen die Ausgangsregelung (§ 5) sind mit einer Geldstrafe von bis EUR 1.450,00 bedroht.
  • Verstöße seitens der Verantwortlichen jener Orte, deren Betreten bzw. Befahren durch Voraussetzungen oder Auflagen geregelt sind (zB.: Inhaber von Betriebsstätten oder Arbeitsorten; Betreiber von Verkehrsmitteln), sind mit einer Geldstrafe mit bis zu EUR 3.600,00 bedroht.
  • Bei Verstößen der verantwortlichen Personen gegen Betretungsverbote gilt weiterhin die Geldstrafe von bis zu EUR 30.000,00.

Zusätzlich wird auch die Verweigerung einer Person, den Organen der Bezirksverwaltungsbehörden den Zutritt oder die Besichtigung eines Ortes iSd COVID-19-MG zu gewähren, eine Auskunft zu erteilen oder die Sichtung von Unterlagen zu ermöglichen mit einer Geldstrafe von bis zu EUR 1.450,00 bestraft. Auch diese Bestimmung greift sehr intensiv in Grundrechte der BürgerInnen ein, zumal auch private Räumlichkeiten vom Zutrittsbegehren der Behörde betroffen sein könnten.


Für weitere Fragen zum Thema haben die Rechtsanwälte Lansky, Ganzger & Partner eine Online-Informationsseite unter lansky.at/de/newsroom/news/faq-corona/ erstellt und stehen für Nachfragen per E-Mail unter office <AT> lansky.at zur Verfügung.


Beachten Sie auch die weitere Serie mit Rechts-Tipps zur Corona-Krise, eine Kooperation von trend.at und den Rechtsanwälten Lansky, Ganzger & Partner. Die bisher erschienen Beiträge finden Sie zusammengefasst im Thema "Corona - Recht im Ausnahmezustand".


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