
Michael Strugl
©Verbund/Josef M. FallnhauserDie Regierung soll laut Michael Strugl Mittel aus der Gewinnabschöpfung bei Energieversorgern dafür verwenden, die Energiesteuern für Konsumenten zu senken. Er befürwortet auch eine Senkung der Mehrwertsteuer.
Was zahlt Verbund heuer an Energiekrisenbeitrag, über den Sie ja nicht glücklich sind?
Wir rechnen mit 50 bis 100 Millionen Euro. Und ich schicke voraus, dass wir uns dazu bekennen, unseren Beitrag zu leisten, bin aber der Meinung, dass es nicht die beste Idee ist, Erlöse abzuschöpfen. Die Branche zahlt über fünf Jahre insgesamt eine Milliarde Euro an Energiekrisenbeitrag, wie es irreführend heißt. Es ist ein Budgetsanierungsbeitrag. Wir wollen, dass diese Mittel den Stromkund:innen zugutekommen.
Wie? Indem die Energiesteuern gesenkt werden?
Ja. Es wäre fair, Verbraucher zu entlasten. Das würde massiv helfen, auch bei der Inflation, die gestiegen ist, weil Elektrizitätsagabe oder Ökostrombeitrag zu Jahresanfang wieder eingeführt wurden. Steuern und Abgaben machen für einen Haushalt ungefähr 30 Prozent der Stromrechnung aus. Eine Senkung wäre sofort wirksam und spürbar. Die meisten Anbieter haben ihren Strompreis zwischenzeitlich mehrfach reduziert.
Sollte das auch die Mehrwertsteuer umfassen?
Ich meine ja. Das wurde ja schon diskutiert. Wenn die Politik zu Recht sagt, dass Strom billiger sein sollte, ist es kontraproduktiv, on top noch 20 Prozent draufzuschlagen.
Der Finanzminister sagt, er hat dafür keinen Spielraum im Budget.
Politische Gestaltung heißt, Spielräume zu schaffen: mit ausgabenseitigen Maßnahmen, etwa bei Förderungen, oder mit Strukturreformen. Deutschland entlastet bei den Steuern, plant einen Industriestrompreis und gibt Zuschüsse bei den Netzgebühren.
Wie begegnen Sie Vorwürfen, dass die Energieversorger sinkende Marktpreise verspätet oder nur teilweise an die Verbraucher weitergeben?
Verbund und die meisten anderen Versorger haben die Preise, als sie 2022 durch die Decke gegangen sind, nachweisbar nie in diesem Ausmaß an die Kunden weitergegeben. Bis Ende 2023 lagen die Tarife deutlich unter den Marktpreisen. Als es dann wieder nach unten ging, trat der umgekehrte Effekt ein, was aber mit Hedging und langfristiger Beschaffung zu tun hat. In Summe gleicht sich das über eine Periode aus.
Bundeswettbewerbsbehörde und E-Control sehen ein Problem auch in zu wenig Wettbewerb. Zu Recht?
Mit der Marktsituation stimmt das nicht überein. Jeder in Österreich kann sich seinen Anbieter frei aussuchen. Ein Wechsel ist nicht schwierig. Und es ist einfach für Wettbewerber, in den Markt einzutreten. Es wird auch behauptet, dass die Preise wegen der hohen Marktkonzentration zu hoch sind. Das klingt zwar ziemlich schlüssig, aber: Wo sind die Marktanteile der Landesversorger am größten? In Westösterreich. Und dort sind die Preise am niedrigsten.
Die öffentlichen Eigentümer der großen Versorger verfolgen auch Eigeninteressen. Wäre nicht mehr Privatisierung sinnvoll?
Ich glaube, es beginnt bei der grundsätzlichen Entscheidung, ob ich mehr Markt oder mehr Regulierung will. Ich bin mir da in Österreich nicht immer sicher. Man ruft nach mehr Wettbewerb, aber es kommt ein Gesetz, das zusätzliche Regulierung bringt. Das widerspricht der These, dass mehr Freiheit für die Unternehmen den Energiepreis senkt. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass die öffentliche Hand ein berechtigtes Interesse hat, an Energieunternehmen beteiligt zu sein. Mit Marktprinzipien ist das gut vereinbar.
Die FPÖ fordert vehement, wieder auf russisches Gas zu setzen. Hätten wir damit das Preisproblem gelöst?
Ich sehe das nicht. Es gibt zwar eine Korrelation- zwischen Strom- und Gaspreis. Aber die Slowakei und Ungarn haben noch russisches Gas. Und dort sind die Strompreise höher als bei uns. Die günstigsten Preise gibt es in Skandinavien, was zeigt, dass so viel eigene Erzeugung wie möglich das Gebot der Stunde ist. Für den Ausbau erneuerbarer Energien gibt es neben dem Klimaschutz ein handfestes wirtschaftliches Argument. Die Politik muss Signale setzen, die Investitionen anreizen. Die Erhöhung der Netzentgelte für Erzeuger, wie im neuen ELW-Gesetz vorgesehen, zählt dazu nicht. Im Gegenteil. Der Netzkostenanteil für österreichische Kraftwerke ist schon jetzt der zweithöchste in Europa.
Sie waren lange Politiker. Was würden Sie aktuell tun?
Das gesamte rechtliche und regulatorische Framework sollte so gestaltet werden, dass eine Investition in zusätzliche Erzeugung attraktiv ist. Dazu gehören auch schnellere Verfahren für den Ausbau. Es gäbe genügend willige Investoren. Allein Verbund wird in den nächsten drei Jahren fast sechs Milliarden in die Hand nehmen, wenn die Bedingungen passen. Die Branche wird bis 2040 ungefähr 100 Milliarden Euro investieren. Projekte zu belasten ist auch angesichts der momentanen Wachstumsflaute volkswirtschaftlich nicht sehr vernünftig.
Das gesamte Interview mit Michael Strugl lesen Sie in der trend-Ausgabe vom 10. Oktober 2025.