
Emmanuel Hotton, Geschäftsführer von Gilead Sciences Österreich, über neue HIV-Behandlungen, Zelltherapie und das Ziel, bis 2030 zehn bahnbrechende Therapien für Patient:innen anzubieten.
TREND: Gilead Sciences konzentriert sich auf Bereiche mit hohem medizinischen Forschungsbedarf. Heute arbeiten weltweit über 17.000 Mitarbeiter:innen daran, bessere Erfolge bei Krebs, viraler Hepatitis, HIV, entzündlichen Erkrankungen und Covid-19 zu erzielen. Worauf hat sich Ihr Team in Österreich spezialisiert?
Hotton: In Österreich decken wir alle Therapiegebiete für Infektionskrankheiten, Virologie und Onkologie ab. In all diesen Bereichen entwickeln wir seit über 35 Jahren weltweit bahnbrechende Therapien – etwa bei HIV und bei Hepatitis. Mit unserer Zelltherapie konnten wir bereits Erfolge bei mehreren Krebsarten erzielen. Unser Ziel ist es, Medikamente zu entwickeln, die das Leben von Patient:innen nachhaltig verbessern.
In Österreich führen Sie aktuell zwölf klinische Studien zur Entwicklung von Medikamenten durch …
Österreich ist für uns ein wichtiges Land, da es eines der fortschrittlichsten Gesundheitssysteme in Europa hat. Deshalb investieren wir hier gerne in klinische Studien. Wir haben viele Studien in der Zelltherapie und bei soliden Tumoren laufen und unterstützen die akademische Forschung, beispielsweise durch den eigens ins Leben gerufenen „Creating Possible Award“. Dieser ehrt jedes Jahr herausragende Forschungs- und Community-Projekte, die mit bis zu 25.000 Euro gefördert werden und messbar dazu beitragen, die Versorgung und Lebensqualität von Patient:innen zu verbessern.
Gilead Science hat das Büro in Wien im Jahr 2007 eröffnet. Was hat das kalifornische Unternehmen bewogen, auch nach Österreich zu gehen?
Das Ziel von Gilead ist, weltweit Gesundheitsgerechtigkeit zu schaffen. Das treibt unsere Forschung an. Wir wollen sicherstellen, dass alle Menschen Zugang zu unseren Medikamenten erhalten. In Österreich starteten wir mit der Einführung eines einzigartigen Medikaments, das die HIV-Therapie erstmals mit nur einer Tablette täglich ermöglichte.
Bei der HIV-Behandlung konnte Gilead als Pionier in der Entwicklung antiviraler Medikamente große Erfolge erzielen. Wie hat die HIV-Forschung begonnen?
Der Weg im Kampf gegen HIV war lang. Vor 45 Jahren starben sehr viele Menschen – es war verheerend. Die ersten HIV-Therapien erforderten die Einnahme von zehn bis 20 Tabletten täglich. Den großen Durchbruch erzielte Gilead 2006 mit der weltweit ersten HIV-Therapie, die nur mehr eine Tablette pro Tag benötigte. Das hat die Lebensqualität der Patient:innen enorm verbessert.
Wie groß sind heute die Heilungschancen bei einer HIV-Infektion?
Die Heilung von HIV liegt noch in der Zukunft. Aber wir können die Epidemie eindämmen. Unser Ziel ist es, Neuinfektionen und Übertragungen zu eliminieren. Wir bieten schon sehr wirksame Behandlungen an, die dazu führen, dass HIV-positive Menschen eine Viruslast unter der Nachweisgrenze erreichen. Wer die Therapie einhält, kann andere nicht anstecken. Damit haben wir die Möglichkeit, die HIV-Epidemie einzudämmen. Aktuell geht es besonders darum, die noch immer hohen Übertragungen zu stoppen.
Besser wäre natürlich Vorsorge. Wird hier genug getan?
Prävention ist seit vielen Jahren ein zentraler Pfeiler unserer Arbeit – und sie bleibt dringlicher denn je. Neben der therapeutischen Prävention hat Aufklärung einen enormen Stellenwert: Wissen schützt, weil informierte Menschen Risiken realistischer einschätzen und dadurch bewusster handeln. Doch gerade hier zeigt sich ein eklatanter Nachholbedarf. Eine aktuelle, länderübergreifende Umfrage zeigt: Rund 30 Prozent der Österreicher:innen glauben fälschlicherweise, HIV könne schon durch einen Kuss übertragen werden, 21 Prozent sehen Menschen mit HIV als gesellschaftliche Gefahr – ein klarer Hinweis auf massive Wissenslücken und tief verankerte Vorurteile. Solche Fehlinformationen führen nicht nur zu Diskriminierung, sie schwächen auch die Prävention selbst: Wer Stigma fürchten muss, geht später zum Arzt, lässt sich seltener testen oder nimmt seine tägliche Medikation weniger unbeschwert ein. Jede Form der Entstigmatisierung ist daher bereits ein präventiver Akt. Aber es bleibt viel zu tun – Österreich braucht eine moderne, konsequente und faktenbasierte HIV-Aufklärung, wenn wir die UNAIDS-Ziele wirklich erreichen wollen.
Trotzdem wird diese Vorsorge erst selten genutzt.
Die oralen Präparate sind in Österreich verfügbar, müssen jedoch zunächst selbst bezahlt werden, erst danach erfolgt eine Rückerstattung. Die Herausforderung dabei ist oft die Therapietreue – also die konsequente tägliche Einnahme. Zudem besteht weiterhin Stigmatisierung und Diskriminierung im Zusammenhang mit HIV. Dadurch fehlt es manchen Risikogruppen an essenziellen Informationen zur Vorbeugung von HIV.
Große Erfolge wurden auch bei der Behandlung von Hepatitis erzielt.
Wenn wir zehn Jahre zurückblicken, starben Menschen noch häufig an Leberzirrhose. Wir haben ein Heilmittel zur Behandlung von Hepatitis C entwickelt, das diese chronische Krankheit heilbar macht. Unsere Therapien tragen auch dazu bei, dass Hepatitis B zu einer besser kontrollierbaren Krankheit wurde. Auch in der Coronapandemie konnten wir rasch eine dringend benötigte klinische Behandlung für Covid-19 bereitstellen. Genau diese Erfolge, die Wirkung unserer Medikamente und die positiven Auswirkungen auf das Leben unserer Patient:innen motivieren mich jeden Tag.
Weltweit wird intensiv daran geforscht, Krebs heilbar zu machen. Wie sieht es insbesondere im Bereich der Zelltherapie aus?
Die Zelltherapie ist eine völlig neue Art der Krebsbehandlung. Dabei werden dem Patienten Zellen entnommen, „neu programmiert“ und wieder injiziert, damit sie Krebszellen erkennen und angreifen. Es ist ein sehr komplexer Prozess. Wir zählen zu den Pionieren auf diesem Gebiet. Aktuell behandeln wir Lymphome und arbeiten daran, das Spektrum der Krankheiten, die mit Zelltherapie behandelbar sind, zu erweitern.
Welche Pläne hat Gilead in Österreich?
Unsere Pläne in Österreich entsprechen unseren globalen Zielen. Bis 2030 wollen wir mehr als zehn bahnbrechende Therapien für Patient:innen anbieten. Wir liegen gut auf Kurs und orientieren uns dabei stets an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Im Bereich HIV stehen Langzeittherapien und Prävention im Mittelpunkt. In der Onkologie besteht in vielen Bereichen ein hoher Bedarf an neuen, wirksamen Therapien wie etwa beim metastasierten Brustkrebs. Wir wollen die Medizin in diesem Bereich voranbringen, ähnlich wie bei der Zelltherapie. Unser Ziel ist es, das Leben von Patient:innen in Bereichen mit hohem ungedecktem medizinischem Bedarf deutlich zu verbessern.
Zur Person.
Emmanuel Hotton ist seit Jänner 2025 Geschäftsführer von Gilead Sciences Österreich. Er hat in vielen Bereichen in der Pharmaindustrie gearbeitet und Masterabschlüsse in Marketing und Biochemie. Zuletzt arbeitete er als Oncology Business Unit Director bei Gilead France und führte eine Therapie für metastasierten Brustkrebs ein.


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Gilead Sciences
Gilead Sience ist ein biopharmazeutisches Unternehmen, das 1987 in Kalifornien mit der Vision gegründet wurde, Arzneimittel mit hohem Bedarf nach medizinischem Fortschritt zu erforschen, zu entwickeln und zu vermarkten.
Gilead beschäftigt heute über 17.000 Mitarbeiter:innen, bietet weltweit rund 30 Therapien an und betreibt 54 aktive klinische Studien. Der Fokus liegt besonders auf den Indikationsgebieten Onkologie, viraler Hepatitis,
HIV, entzündliche Erkrankungen und Covid-19. Bei HIV, Hepatitis C oder Krebs konnten schon bahnbrechende Therapien entwickelt werden, die die Lebensqualität von Patient:innen stark verbessern und teils sogar eine völlige Heilung ermöglichen..
In Österreich ist Gilead Sciences seit 2007 vertreten und beschäftigt heute rund 45 Mitarbeiter:innen. Das Team besteht aus Expert:innen auf verschiedenen Fachgebieten, die nicht nur als Ansprechpartner:innen für die medizinische Fachwelt dienen, sondern auch ein besonderes Verständnis für die individuellen Bedürfnisse von Patient:innen haben. So wird eng mit lokalen Patient:innengruppen zusammengearbeitet, um das Bewusstsein für verschiedene Krankheitsbilder zu schärfen.
Mit zwölf klinischen Arzneimittelstudien in Österreich engagiert sich Gilead aktiv in der Forschung und Entwicklung neuer Medikamente. Ein großer Wert wird auch auf medizinische Aus- und Fortbildung gelegt. Damit leistet Gilead einen wertvollen Beitrag für den Innovationsstandort Österreich.