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Klimawende auf Schiene

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Klimawende auf Schiene
k.A©Jannik Walter
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Marathon statt Spaziergang: Der heimische Baukonzern Swietelsky hat fristgerecht eines der größten Bahninfrastrukturprojekte Europas fertiggestellt. Der Bauplan zum Erfolg: Know-how und technologische Innovationen.

Sie gilt als ein großer Hoffnungsträger für die Fahrt in eine klimaneutrale Zukunft: die Bahn. Die weitgehende Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene und schnelle Bahnverbindungen zwischen Europas Städten als Alternative zu Kurzstreckenflügen sind denn auch Ziele der EU-Verkehrspolitik. Im Mittelpunkt des Konzeptes: die Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums.

Experten sind sich einig: Ohne einen Ausbau der Bahn ist eine Reduktion des CO2-Ausstoßes kaum möglich. Doch dafür müssen noch einige entscheidende Weichenstellungen vorgenommen werden. Viele Länder haben unterschiedliche Spurbreiten, auch die Sicherheitssysteme sind uneinheitlich. Auf einer Strecke von Andalusien nach Skandinavien wird ein Zug mehrfach angehalten, weil die Lokführer aus rechtlichen Gründen an Landesgrenzen getauscht und Lokomotiven ausgewechselt werden müssen, weil sie entweder mit dem Strom- oder dem Sicherungssystem über der Grenze nicht zurechtkommen oder schlicht in einem anderen Staat keine Zulassung bekommen. In dem komplexen Flickenteppich aus Systemen, die jeweils national geplant und gebaut wurden, mangelt es oft an grenzüberschreitender Koordinierung.

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BRÜCKE IN DIE ZUKUNFT. Die von Swietelsky in einer Arbeitsgemeinschaft errichtete Neubaubahnstrecke bringt die Großstädte München und Stuttgart näher zusammen. © SWIETELSKY

Peter Gal, Swietelsky© SWIETELSKY/WakolbingerOhne grenzüberschreitenden Ausbau der Bahn gibt es keine klimaneutrale Mobilität.

Tempo bei der Hochgeschwindigkeit. 

Die EU bemüht sich, gegenzusteuern. Bis zum Jahr 2030 soll die Zahl der Hochgeschwindigkeitsverbindungen für Reisende in Europa verdoppelt, bis 2050 verdreifacht werden. Der Güterverkehr auf der Schiene soll nach den Vorstellungen der Kommission bis 2030 um mindestens 50 Prozent wachsen und bis 2050 sogar verdoppelt werden. Dafür sollen auch Mittel aus dem 750 Milliarden Euro schweren Recovery-Fonds der EU genutzt werden. Aktuell liegt der Anteil der mit der Bahn transportierten Güter europaweit bei rund 19 Prozent des gesamten Güterverkehrs, in Österreich beträgt er knapp 30 Prozent.

Ein konkretes, bereits in den Neunzigerjahren angedachtes Projekt ist die „Magistrale für Europa“, eine 1.500 Kilometer lange Schienenschnellverbindung über den Kontinent. Im Endausbau führt sie von Paris bis Budapest mit „Zwischenstationen“ in Straßburg, Stuttgart, München, Wien und Bratislava. Damit verbindet sie nicht nur Städte, sondern rund 35 Millionen Menschen in fünf Ländern.

Mit dabei bei diesem epochalen Projekt: das österreichische Bauunternehmen Swietelsky. Dort hat man schon vor 80 Jahren die Bedeutung des Schienenverkehrs erkannt und entsprechendes Know-how aufgebaut – und vor allem kontinuierlich weiterentwickelt. Das in Linz ansässige Unternehmen mit 12.000 Beschäftigten und einer Bauleistung von 3,4 Milliarden Euro zählt damit nicht nur in Österreich zu den top drei der Bauindustrie, sondern ist speziell beim Bahnbau führend in Europa. Das hat sich sogar bis Australien herumgesprochen, wo Swietelsky ebenfalls eine Niederlassung betreibt.

Paul Gavra, Schichtbauleiter© SWIETELSKYIch habe schon auf Baustellen in Rumänien, der Slowakei, England und Libyen gearbeitet und unter anderem Atomkraftwerke gebaut. Ich weiß also, was etwas Besonderes ist. Und dieses Bahnprojekt Wendlingen–Ulm ist etwas Besonderes.

Halbierte Fahrtzeit.

Gemeinsam mit der Vorarlberger Rhomberg Bahntechnik haben die Bahnexperten von Swietelsky gerade die neue Schnellfahrstrecke zwischen den deutschen Städten Wendlingen und Ulm fertiggestellt. Sie ist nicht nur ein wichtiges Teilstück der Magistrale, sondern bringt auch eine deutliche Beschleunigung der Fahrtzeit zwischen den Wirtschaftsmetropolen Stuttgart und München. Die Fahrtzeit auf der Teilstrecke Stuttgart–Ulm halbiert sich auf 28 Minuten – eine gute Nachricht für die Nutzer der chronisch überlasteten Autobahn A8. Das 60 Kilometer lange Teilstück der Bahnstrecke wird rechtzeitig zum Fahrplanwechsel der Deutschen Bahn 2022/2023 eröffnet. Und es ermöglicht auch, die Zahl der Zugverbindungen auf dieser Strecke um täglich 20 auf rund 90 Fahrten zu erhöhen.

Marathon statt Spaziergang.

Was das Projekt auch zeigt: Bahnbau ist mehr als das bloße Verlegen von Schienen. Der Bau dieser Strecke ist eines der größten und technisch anspruchsvollsten Infrastrukturprojekte Europas. „Die Herausforderungen waren vielfältig“, bestätigt auch Peter Gal, für den Bahnbau zuständiger Swietelsky-Vorstand, „ein solches Projekt ist in der Umsetzung kein Spaziergang, sondern vielmehr ein Marathon.“ Zeitweise wurde auf der Baustelle sieben Tage die Woche gearbeitet.

Die Gleise müssen für eine Geschwindigkeit von 250 Stundenkilometern ausgelegt sein, die Hälfte der Strecke führt durch insgesamt zwölf Tunnel, zwei Großbrücken mussten errichtet werden, 24 Weichen waren notwendig. Zudem musste eine 50-Hertz-Telekommunikations- und -Bahnstromanlage errichtet werden. Zwei Details, die das Ausmaß des Projekts verdeutlichen: In Summe wurden 1.300 Kilometer Kabel verlegt und 60 Kilometer beleuchtete Handläufe verbaut.

Fakten: Die Neubaustrecke Ulm–Wendlingen in Zahlen © ARGE BSADas Bahnprojekt Stuttgart–Ulm ist das größte Ausbaukonzept für den öffentlichen Schienenverkehr in Baden-Württemberg seit dem 19. Jahrhundert. Swietelsky hat sich zusammen mit der Rhomberg Bahntechnik (Bregenz) den Zuschlag für Gleisbau und bahntechnische Ausrüstung der Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm gesichert.120 Kilometer Gleisstrecke (feste Fahrbahn), ausgelegt für Züge mit einer Geschwindigkeit von 250 km/h, davon die Hälfte in TunnelnZwölf TunnelZwei Großbrücken24 Weichen1.300 Kilometer Kabel60 Kilometer HandläufeAuftragsvolumen: 250 Millionen EuroBauzeit: fünf JahreBaustellenvideo. Einen guten Einblick in das komplexe Projekt und die fünfjährige Bauzeit gibt folgendes Video:© Video: SWIETELSKY

Beton statt Schotter.

Um vor allem die mit den hohen Geschwindigkeiten der Züge verbundenen Belastungen auszugleichen, wurde der sonst übliche Schotter für das Gleisbett durch Beton ersetzt. „Bei Geschwindigkeiten über zweihundert Stundenkilometer sind neben der besseren Gleislagestabilität vor allem die Instandhaltungskosten gegenüber dem Schotteroberbau deutlich geringer“, nennt Swietelsky-Projektleiter Martin Kukacka die Vorteile dieser „festen Fahrbahn“. Die erwartete Lebensdauer dieser Betongrundlage liegt bei mindestens sechzig Jahren, was nicht nur die Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Strecke enorm steigert, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit eines solchen Großprojekts ist.

Eine weitere Besonderheit: Alle Tunnel und Brücken sind für Einsatz- und Rettungsfahrzeuge im Notfall befahrbar, was ein wesentlicher Sicherheitsaspekt ist.

Trend zur Mechanisierung.

Um solche komplexen Bauvorhaben fristgerecht abwickeln zu können, bedarf es einiger Voraussetzungen. „Neben einem motivierten und schlagkräftigen Team braucht es auch entsprechendes technisches Know-how“, so Vorstand Gal, „es gibt wohl keine Bausparte, die sich dank Technologie in den letzten Jahrzehnten so stark mechanisiert hat wie der Bahnbau.“

Und auch dabei fährt Swietelsky vorneweg. Dank frühzeitiger und weitsichtiger Investitionen, damals angestoßen vom langjährigen, inzwischen verstorbenen Generaldirektor und Miteigentümer Hellmuth Brustmann, verfügt das Unternehmen über den modernsten und vielfältigsten Stützpunkt für Bahnbaumaschinen in Europa. Das entscheidende Zauberwort dafür heißt: Innovation. „Durch die Mitentwicklung und den Einsatz von Großmaschinen haben wir den Bahnbau in Sachen Effizienz und Arbeitssicherheit revolutioniert“, sagt Vorstand Gal stolz.

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FESTE FAHRBAHN. Um den extremen Belastungen durch besonders schnelle Personenzüge standzuhalten, wurde das übliche Schotterbett von Swietelsky durch eine feste Betonfahrbahn ersetzt. © SWIETELSKY

Fabrik auf Schienen.

Ein Beispiel dafür ist die gemeinsam mit dem oberösterreichischen Spezialisten Plasser & Theurer entwickelte Gleisbaumaschine RUS 1000 S. „Sie kombiniert mehrere ansonsten getrennt voneinander auszuführende Arbeitsschritte in einer Maschine“, erläutert Gal, „eine solche Gleisbaumaschine ist eine hochkomplexe mobile Fabrik, die nur von geschultem und erfahrenem Personal bedient werden kann.“

Der Effekt dieses technologischen Vorsprungs: Die für die Infrastrukturbetreiber so wichtige Sperrzeit von Gleisen kann weiter reduziert werden, ohne bei der Qualität oder bei der Sicherheit des Bahnbetriebs zu sparen.

Die erfolgreiche Fertigstellung des Großprojekts im Süden Deutschlands stellt auch für das österreichische Unternehmen die Weichen Richtung Zukunft. „Die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm ist für uns nicht nur aufgrund des Projektumfangs außergewöhnlich. Auch die erbrachten Leistungen, insbesondere das Bauen der festen Fahrbahn, liefern Swietelsky wichtige Erfahrungswerte für künftige Projekte dieser Art“, ist Martin Kukacka, Leiter Projektmanagement Bahnbau International, überzeugt, „die erfolgreiche Umsetzung schafft beste ­Voraussetzungen für Swietelsky, um in Deutschland weiterhin im großvolumigen Projektgeschäft mitzumischen.“

Bahn braucht Mehr Europa.

Einen solchen Schwung bräuchte auch der generelle Ausbau der Bahn in Europa, den Reisenden und dem Klima zuliebe. „Europa braucht mehr Bahnverkehr“, fordert auch Swietelsky-Vorstand Gal, „nationale Alleingänge verteuern das System Bahn unnötig. Hier müssten auf europäischer Ebene endlich die Weichen in Richtung Interoperabilität gestellt werden.“

International aufgegleist.

Aktuelle Bahnprojekte von Swietelsky

  • Errichtung eines Bahnhofs und der Infrastruktur von Rail Baltica am Flughafen der lettischen Hauptstadt Riga. Das Auftragsvolumen beträgt 240 Millionen Euro.
  • Für die Budapester U-Bahn werden über zwanzig Kilometer komplett neue Gleisanlagen gebaut sowie neue Signalanlagen installiert und Tunnelröhren saniert. Zum Auftrag gehört auch die Abwicklung der Materiallogistik über Gleise für die Sanierung von Stationsabschnitten der Linie M3.
  • In Tschechien wurde der Auftrag für den Wiederaufbau des Abschnitts Velim–Poříčany gewonnen. Auftragsvolumen: 146 Millionen Euro.
  • In der Slowakei wurde die Sanierung der Zahnradbahn Štrba–Štrbské Pleso abgeschlossen. Bei einem Höhenunterschied von 422 Metern ein äußerst komplexer Auftrag.
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