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„Innovation entsteht nur, wenn alle mitmachen“

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Swietelsky-Finanzvorstand HARALD GINDL über die Vorteile dezentraler Führung, den Drang zu höherer Produktivität und Ideen als Quelle von Profitabilität.

TREND: Wann hat Sie zuletzt etwas so genervt, dass daraus eine konkrete Veränderung wurde?
HARALD GINDL: Also um ehrlich zu sein, fallen mir häufig Dinge auf, die ich verändern möchte. In gewisser Weise ist das auch mein Jobprofil. Die wenigsten Dinge lassen sich aber quasi handstreichartig ändern. Eher ist es so, dass mein Team und ich jeden Tag an ziemlich harten Brettern bohren. Ich versuche also nicht, aus kurzfristigen Impulsen heraus zu handeln, sondern langfristig zu denken und zu planen. Konkrete Verbesserungen stellen sich meistens schrittweise ein. Der Trend ist für mich entscheidend.

Diese Frage ist auch ein Ausgangspunkt für Ihren internen Ideen-Wettbewerb. Wie kam es dazu?
Swietelsky ist ein sehr dezentral geführtes Unternehmen. Jede unserer Tausenden Baustellen kann als eigenständige Unternehmung betrachtet werden. Unser Gesamterfolg entsteht daher nicht in der Zentrale, sondern ist stark von der Motivation und Lösungskompetenz unserer Teams vor Ort abhängig.

Der Erfolg entscheidet sich also vor Ort auf den Baustellen?
Ja, absolut. Wir haben daher schon sehr früh gelernt, die Ideen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als wichtigste Quelle für Profitabilität und Fortschritt zu sehen. Aus dieser Überzeugung heraus hat sich unser Ideenwettbewerb entwickelt. Dafür haben wir konzernweit alle eingeladen, ihre Verbesserungsvorschläge online einzureichen.

Wie war die Resonanz?
Im ersten Halbjahr sind rund 350 Ideen zustande gekommen, wirklich überwältigend. Diese haben wir in Themengruppen geclustert und setzen sie jetzt in einem strukturierten Innovationsprozess schrittweise um. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen wissen, dass ihre Ideen und Vorschläge geschätzt und umgesetzt werden. Und unsere Kunden können sich darauf verlassen, dass diese Ideen letztlich ihren Projekterfolg steigern. So ist auch unser Slogan „Swietelsky baut auf Ideen“ zu verstehen.

Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden, um Innovationskultur zu fördern?
Ich bin überzeugt, dass eine Innovationskultur nur dann entsteht, wenn alle mitmachen. Damit das funktionieren kann, müssen vom Vorstand ausgehend die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wir müssen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermutigen, Probleme auf neue Weise zu lösen und ihre Arbeitsprozesse selbst danach zu hinterfragen, was ihnen einen Vorteil verschaffen könnte. Gerade in der Bauwirtschaft wissen wir, dass jeder noch so kleine Vorteil am Ende über Auftragszuschläge entscheiden kann. Alle sollen sich diesbezüglich gefordert und gefördert sehen.

Unser Erfolg hängt stark von der Lösungskompetenz unser Teams vor Ort ab.

Wir erleben gerade das Zusammentreffen mehrerer Krisen: Lieferkettenprobleme, Krieg in Europa, hohe Inflation, steigende Zinsen. Wie ist die Stimmung in der Wirtschaft?
Die Stimmung ist trüb. Wir haben es mit einer sehr komplizierten Gemengelage zu tun. Sie haben bereits einige Herausforderungen genannt. Dazu kommen weitere wie beispielsweise ein regulatorischer Tsunami, der in Form der EU-Taxonomie auf die Betriebe zurollt. Das ist in Summe ein brandgefährlicher Mix für die Produktivität und Wertschöpfung im Land, letztendlich natürlich für Hunderttausende Arbeitsplätze. Aber gleichzeitig sind disruptive Störungen eine Chance für neue Geschäftsmodelle.

Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Konjunkturelle Einbrüche erreichen die Bauindustrie aufgrund langer Projektvorlaufzeiten eher zeitverzögert. Bei Swietelsky sind wir breit über alle Sparten der Bauwirtschaft aufgestellt und haben einen bedeutenden Auftragspolster angesammelt. Zudem haben wir konservativ gewirtschaftet und verfügen über solide Liquidität. In diese schwierige Zeit gehen wir daher verhältnismäßig gut gerüstet. In vergangenen Krisen hat sich die Bauindustrie immer als Fels in der Brandung erwiesen. Es ist daher auch jetzt wichtig, dass die Politik die öffentliche Nachfrage mit Infrastrukturprojekten aufrechterhält. Dann können wir unserer konjunkturstützenden Rolle gerecht werden und weiterhin viele Tausend gut bezahlte Menschen in allen Regionen Österreichs beschäftigen – mit all den positiven Impulsen, die davon ausgehen.

Welche Rolle spielen dabei Innovationen?
Eine enorm wichtige. In Anbetracht der Preissteigerungen beim Material und der parallel stark steigenden Lohnkosten ist es notwendig, unsere Produktivität zu erhöhen. Wir müssen auf allen Ebenen effizienter werden und in neuen Geschäfts- und Vertragsmodellen denken. Die größten wirtschaftlichen Potenziale liegen in der Digitalisierung. Allein durch eine Vereinheitlichung der Prozesse in der Bauindustrie könnte schon ein Potenzial von 20 Prozent gehoben werden.

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ZUR PERSON. Harald Gindl, 50, ist seit April 2022 Finanzvorstand der Swietelsky AG. Der Niederösterreicher ist seit 22 Jahren für das Bauunternehmen tätig, anfangs als Leiter des Konzerncontrollings. Damals betrug die Bauleistung rund 300 Millionen Euro, zuletzt waren es über 3,4 Milliarden.

© Hermann Wakolbinger

Die Baubranche gilt nicht als besonders innovativ. Warum ist das so?
Unsere Branche hinkt in Sachen Produktivitätsfortschritt der Investitionsgüterindustrie um Jahrzehnte hinterher. Das liegt insbesondere daran, dass wir traditionell Bauwerke als Prototypen betrachtet haben, deren Produktion schwer standardisierbar ist. Wir müssen künftig viel stärker in einheitlichen Prozessen denken, deren Effizienz es zu heben gilt. Dabei wird ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen zwischen Bauherr, Architekt, Planer und Baudienstleister bereits in einem sehr frühen Projektstadium immer wichtiger. Ich denke dabei beispielsweise an neue Vertragsmodelle.

Welche Rolle spielt Digitalisierung?
Sie unterstützt uns dabei, die Prozesse zu automatisieren, also zu vereinheitlichen. Voraussetzung dafür ist aber, dass diese Prozesse von allen am Bauwerk beteiligten Parteien gleichermaßen gewollt sind und es keine Systembrüche gibt. Wenn Sie sich jetzt vorstellen, wie viele Parteien an einem komplexen Bauwerk beteiligt sind, vom Bauherren über den Planer zum Baudienstleister mit allen Subunternehmern, wissen Sie, wo es hakt. Um hier weiterzukommen, wird es auch Regulatorik brauchen.

Die neue EU-Taxonomie zur nicht-finanziellen Berichterstattung soll die Klimabilanz verbessern. Sinnvoll oder ein Übermaß an Bürokratie?
Jedenfalls ist es ein riesiger Aufwand, der mit zunehmender Geschwindigkeit auf die Unternehmen zukommt. Es geht darum, jede Art von uns geleisteter Arbeit hinsichtlich ihrer Klimaauswirkung zu klassifizieren und darüber in enormer Detailtiefe Rechenschaft abzulegen. Nun haben wir in unserem Fall Abertausende Points of Work, also Baustellen im Konzern, was deren detaillierte Erfassung hinsichtlich CO2-Intensität besonders komplex macht. Im Ergebnis werden die CO2-Emissionen von Bauvorhaben sinken. Wir stellen uns dieser Aufgabe aus ökologischem und gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein.

Stichwort Arbeitskräftemangel: Welche Gegenstrategien gibt es?
Lösen können wir das Problem nur, indem wir die Produktivität steigern. Dafür müssen wir alle technologischen Potenziale ausschöpfen und in die Qualifizierung unserer Mitarbeiter investieren. Die Jugendausbildung ist uns ein besonderes Anliegen: Wir beschäftigen rund 360 Lehrlinge im Konzern, und es werden jedes Jahr mehr. Im Wettbewerb mit anderen Branchen versuchen wir, junge Menschen für Technik und Bauwirtschaft zu begeistern. Es muss uns auch gelingen, viel mehr Frauen für technische Berufe zu gewinnen und sie langfristig im Unternehmen zu halten. Und es ist notwendig, Mitarbeiter länger im Erwerbsleben zu halten. Es ist entscheidend, Leistungsbereitschaft zu fördern, auch steuerlich sollte es hier Anreize geben.

Swietelsky ist in Besitz zweier Familien. Ist das ein Vorteil oder Nachteil gegenüber börsennotierten Mitbewerbern?
Der klare Vorteil liegt darin, dass wir sehr langfristig planen können und nicht von kurzfristigen Gewinnerwartungen getrieben sind. Ein anderer positiver Effekt ist, dass die Identifikation der Belegschaft mit den Eigentümern stark ist und umgekehrt die Eigentümer sehr genau wissen, was sie an ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben. Diese beiden Familien haben Swietelsky lange Zeit sehr erfolgreich gesteuert und den Charakter des Unternehmens geprägt. Da gibt es eine große Verbundenheit, und das hat bisher die geschäftliche Entwicklung positiv beeinflusst.

Wo steht das Unternehmen in fünf Jahren, wo in zehn Jahren?
Wir befinden uns in einer Situation, in der sich unsere Strategie einer möglichst breiten Angebotspalette, einer größtmöglichen Diversifizierung über Sparten und Märkte sowie eines proaktiven Managements von Projektrisiken erneut bewähren kann. Da geht es stark auch um die Themen Digitalisierung und Automatisierung und natürlich die Herausforderungen durch den Klimawandel. Aber Swietelsky ist hier gut aufgestellt, deshalb bin ich zuversichtlich und erwarte mir langfristig trotz aller widriger Umstände weiteres Wachstum.

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