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Vom Mitarbeiten zum Mitdenken

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AUF SIE KOMMT ES AN. Der Erfolg eines Unternehmens wie Swietelsky entscheidet sich vor Ort auf den Baustellen, nicht in der Zentrale. Mit einem Wettbewerb werden alle Beschäftigten ermutigt, ihre Ideen stärker einzubringen.
AUF SIE KOMMT ES AN. Der Erfolg eines Unternehmens wie Swietelsky entscheidet sich vor Ort auf den Baustellen, nicht in der Zentrale. Mit einem Wettbewerb werden alle Beschäftigten ermutigt, ihre Ideen stärker einzubringen.©beigestellt
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Unternehmen stehen aktuell vor großen Herausforderungen. Bewältigen lassen sich diese nur durch Innovationen. Beim Bauunternehmen SWIETELSKY setzt man dabei gezielt auf Ideen und Kreativität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Arbeitskräftemangel, hohe Energiepreise, Materialknappheit und mögliche Versorgungsengpässe, durcheinandergeschüttelte Lieferketten, Nachhaltigkeit und Klimawandel – selten zuvor war die Wirtschaft von derart vielen externen Faktoren bestimmt. Verlässliche Rahmenbedingungen und langfristige Planung sind kaum mehr als ein verblassender Gruß aus vergangenen Zeiten, an den sich Entscheidungsträger wehmütig erinnern. Die Konsequenz daraus: Wer sein Geschäftsmodell nicht ständig an die wechselnden Rahmenbedingungen anpasst, riskiert Wettbewerbsnachteile und Kundenverlust.

Ideen waren schon immer gefragt, jetzt sind sie es besonders. Denn mit von oben aufgesetzten Cost-Cutting-Programmen und internen Umstrukturierungen sind die Herausforderungen der Gegenwart nicht zu bewältigen – und die der Zukunft schon gar nicht. Und Engpässe bei qualifizierten Fachkräften und dringend benötigten Materialien lasen sich auch mit viel Geld nicht lösen, einfach weil es niemanden gibt oder in China wegen Covid mal wieder die Häfen geschlossen sind.

Der Schlüssel zur Zukunft heißt daher „Innovation“. Das ist mehr als nur so daher gesagt. Die Studie „Most Innovative Companies 2020“ der Boston Consulting Group (BCG) zeigt, dass innovative Firmen Krisen erfolgreicher überstehen. So übertrafen die 50 innovativsten Unternehmen des BCG-Rankings in den zehn Jahren nach der Finanzkrise 2008/2009 den allgemeinen Markt bei der Aktionärsrendite alljährlich um über fünf Prozent.

Doch Innovationen fallen nicht vom Himmel und kommen selten von außen. Innovationen werden in Unternehmen entwickelt. Deshalb sind Unternehmen gerade in der aktuellen Situation mehr denn je darauf angewiesen, dass mehr Mitarbeitende auch mitdenken – um die Effizienz zu steigern, Ressourcen zu sparen, Geschäftsmodelle zukunftsfit zu machen.

Ideen bringen Geld.

Das Potenzial ist riesig: Laut deutschem „Ideenmanagement-Report 2022„ entsteht pro Idee im Durchschnitt ein umgerechneter Jahresnettonutzen von rund 5800 Euro. Dieser kann darin bestehen, dass man entsprechend Kosten spart oder so viel an zusätzlichem Gewinn im ersten Jahr ausweisen kann. Ein Zusatznutzen durch bessere Prozesse, mehr Klimaschutz oder durch Qualitätssteigerungen sowie eine bessere Umsetzung neuer Geschäftsmodelle ist dabei noch gar nicht mit eingerechnet.

„Innovation ist die harte Währung des 21. Jahrhunderts“, sagt der Journalist und Buchautor Wolf Lotter, Verfasser einer „Streitschrift für barrierefreies Denken“. Seine ermutigende Botschaft: „Innovationen brauchen Ideen. Aber der Mensch hat Ideen, er kann Innovation. Man muss ihn nur lassen.“

© Jan Hetfleisch© beigestellt

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EUROPA NEU VERBINDEN. Er gilt als wichtigstes Glied, um Europas Norden mit dem Süden zu verbinden, und spielt eine wesentliche Rolle bei dem Bemühen, mehr Güter von der Straße auf die Bahn zu verlagern: der Brenner-Basistunnel, 64 Kilometer lang und damit die längste unterirdische Bahnverbindung der Welt. Auch bei diesem Mega-Projekt ist das Know-how der Tunnelbauer von Swietelsky gefragt. Die Fertigstellung des Tunnels ist für 2032 geplant.

© beigestellt

Lotter spricht damit ein heikles Thema an. Denn den nötigen Innovationen steht oft eine starre Unternehmenskultur im Weg, in der selbstständiges Denken unerwünscht ist und konformes Verhalten belohnt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können dann noch so kreativ sein und noch so gute Ideen haben: Gibt es keine Ermutigung, eigene Ideen einzubringen und auszuprobieren, wird wenig Innovation entstehen. Das „betriebliche Vorschlagswesen“, wie die Sache auch mal hieß, ist dann nicht mehr als ein toter Briefkasten, in den man Ideen einwerfen kann, aber nie eine Reaktion bekommt.

„Organisationsstrukturen haben den Zweck, Zustände zu bewahren. Das ist ihre Aufgabe, das machen sie gut“, analysiert Lotter, „aber das steht Innovationen entgegen. Innovationen brauchen Freiräume, brauchen den Mut zu Fehlern – alles Dinge, die Organisationen ganz fürchterlich finden.“ Die Analyse des US-Ökonomen Clayton Christensen überrascht da kaum. Er hat entscheidende Technologiesprünge analysiert, von der Entwicklung der Schreibmaschine bis zum Computer, von der der Petroleumlampe bis zum elektrischen Licht. Das Ergebnis: Fast alle bahnbrechenden Technologiesprünge wurden von den Branchenführern verpasst.

Keine Angst vor Fehlern.

Kaum erstaunlich also, dass Innovationen vor allem mit Unternehmen wie Apple, Amazon und Google assoziiert werden, bei denen die Förderung von Ideen zur DNA gehört. „Wir kümmern uns nicht darum, ob wir scheitern oder nicht“, nennt Werner Vogels, Chief Technology Officer bei Amazon, eine wesentliche Erfolgsformel des Unternehmens. Das klingt knackig einfach, braucht auf den zweiten Blick aber einige Voraussetzungen, um nicht im unternehmerischen Selbstmord zu enden. „Wer Innovation steigern will, muss die Kosten des Scheiterns senken“, sagt auch Vogels. Das betreffe sowohl die finanzielle als auch die soziale Dimension, etwa den Karrierestatus innerhalb der Firma. Deshalb wird bei Amazon sorgfältig unterschieden zwischen reversiblen und irreversiblen Entscheidungen. Tochterfirmen zu verkaufen, ist in der Regel nicht rückgängig zu machen und benötigt tiefgehende Diskussionen und Entscheidungsprozesse. 95 Prozent aller Entscheidungen aber, vom Design bis zum Pricing, seien reversibel. Vogels: „Einer der häufigsten Fehler, den ich bei anderen Firmen sehe, ist, dass sie nach großen Anfangserfolgen reversible Entscheidungen so behandeln, als wären sie irreversibel.“

Innovation hat vor allem mit Menschen und Prozessen zu tun, weiß der Amazon-Manager, deshalb arbeitet Amazon in kleinen Teams. Vogels: „Im Grunde sind wir eine Firma aus Tausenden kleinen Start-ups, die unabhängig voneinander sind.“

Erfolg entscheidet sich vor Ort.

Ähnlich aufgestellt ist das Bauunternehmen Swietelsky, und das hat primär nicht mit Innovationen zu tun. Mit 12.000 Beschäftigten und einer Bauleistung von mehr als 3,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr zählt das in Linz ansässige, in Europa und Australien operierende Unternehmen zu den top drei der Bauindustrie in Österreich.

„Swietelsky ist sehr dezentral geführt. Jede unserer tausenden Baustellen kann als eigenständige Unternehmung betrachtet werden“, sagt Finanzvorstand Harald Gindl. „Unser Gesamterfolg entsteht daher nicht in der Zentrale, sondern vor Ort auf den Baustellen.“ Deshalb haben die Beschäftigten einen besonderen Stellenwert. „Unser Erfolg ist stark von der Motivation und Lösungskompetenz unserer Teams vor Ort abhängig“, sagt Gindl, „wir haben daher schon sehr früh gelernt, die Ideen unserer Mitarbeiter als wichtigste Quelle für Profitabilität und Fortschritt zu sehen“ (Hier geht's zum Interview).

Aus dieser Überzeugung leitet sich auch der Slogan des Unternehmens ab: „Swietelsky baut auf Ideen.“ Um dieses Fundament der Unternehmenskultur weiter zu entwickeln und noch stärker in den Fokus zu rücken, hat das Bauunternehmen das „Festival der Ideen“ entwickelt. Dabei wurden alle Beschäftigten aufgefordert, Ideen einzubringen und neue Wege aufzuzeigen, wie Dinge besser gemacht werden können. Denn Innovationen entstehen nur ganz selten durch Geistesblitze von „Innovations-Beauftragten“, sondern sind meistens von den Beschäftigten vor Ort initiiert. Denn jede und jeder Einzelne weiß selbst am besten, was sich verbessern lässt.

Oft sind das nur kleine Schritte bei alltäglichen Themen, die ausgerollt auf den gesamten Konzern, große Wirkung haben. Was würde ich ändern, wenn ich ganz oben auf der Karriereleiter stünde? Was würde mir helfen, meine Arbeitsprozesse schneller oder kostengünstiger zu gestalten? Womit könnte ich einen Qualitätsvorteil in meiner Arbeit erzielen? Das waren nur drei der Leitfragen, mit denen die Kreativität angestoßen wurde.

Harald Gindl, Swietelsky

© Hermann Wakolbinger

„Ob der bislang so erfolgreiche Weg von Swietelsky auch in Zukunft fortgesetzt werden kann, hängt davon ab, wie gut die Ideen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind und wie sorgsam das Management damit umgeht, diese Ideen also ermöglicht, fördert und aufbaut“, betont Vorstand Gindl, „es geht darum, in die Organisation hineinzuhören, den Fluss der Ideen auf allen Ebenen des Unternehmens anzuregen und dafür zu sorgen, dass diese Ideen an die Oberfläche gebracht werden.“

Wir haben schon früh gelernt, die Ideen unser Beschäftigten als wichtigste Quelle für Profitabilität und Fortschritt zu sehen.

Harald Gindl, Swietelsky

Bühne frei für Vorschläge.

Tatsächlich war die Resonanz überwältigend. 350 verschiedene Vorschläge wurden eingereicht, nach den Themen geordnet und von Expertenkomitees fachkundig bewertet. Die zwölf besten Ideen wurden dann bei einer Veranstaltung vor 300 Führungskräften präsentiert, die darüber per Live-Voting abstimmen konnten. Die vier Sieger hatten dann am Abend bei einem Live-Event mit 1.300 Angestellten der Unternehmensgruppe ihren großen Auftritt vor Publikum. Wie groß das Spektrum der Ideen und wie kreativ die Verbesserungsvorschläge sind, zeigen einige Beispiele:

- Harald Kogler und Arnold Künnert schlagen vor, die Bauführung beim Kraftwerk Tauernmoss zu ändern. Sie haben einen überdimensionalen, sechs Meter langen „Abdichtungs-Stöpsel“ entwickelt, der verhindern soll, dass der offene Durchschlag des einbindenden Triebwasserweges im Stausee bei Füllung des Tauernmoossees nicht in die Kaverne und das angrenzende zehn Kilometer lange Tunnelsystem ausrinnt. Der „Stöpsel“ bringt eine verkürzte Bauzeit und reduziert Risiken.

- Eine Zeitersparnis und mehr Arbeitssicherheit bringt die Idee von Kurt Maier. Es geht dabei um die Fertigung von passenden Stahl-Verbaukästen für Aushubarbeiten unter Berücksichtigung der Greifzangen eines Zweiwege-Baggers.

- Auf Klimaschutz und eine autarke Energieversorgung der Baustellen zielt ein Vorschlag von Leopold Winkler und Kurt Maier: Überdachungen zum Beispiel von Baucontainern mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten, den so gewonnenen Strom zu speichern und auf der Baustelle zu nutzen.

- Auf diesen Vorschlag setzt die Idee von Marcus Scheuerer auf: Die Photovoltaik-Anlagen auf möglichst vielen Dächern der Swietelsky-eigenen Immobilien im In- und Ausland in einer Strom-Cloud zu verbinden. Damit kann das Unternehmen schrittweise immer mehr mit erneuerbarer Energie versorgt werden.

- Um neuen Kolleginnen und Kollegen das Onboarding zu erleichtern, schlagen Elisabeth Friedl und Christoph Ploier vor, Neueinsteiger die ersten Wochen oder Monate durch Buddys begleiten zu lassen. Diese können ihnen beim Kennenlernen des neuen Arbeitsplatzes und auch durch das Vermitteln der ungeschriebenen Regeln bei der Integration helfen.

© Karlheinz Fessl© Karlheinz Fessl

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MIT TEMPO VON UFER ZU UFER. 1959 senkten mutige Männer eine Betonglocke auf den Grund der Drau, bliesen mit Luft das Wasser aus und gruben die Fundamente für zwei im Fluss stehende Pfeiler. Fünf Jahre später fuhr der erste Zug von St. Paul im Lavanttal über den 426 Meter breiten Fluss nach Bleiburg. Jetzt hat das Swietelsky-Team die fast hundert Meter hohe Jauntalbrücke „runderneuert“ für die Koralmbahn. Die neue Stahlkonstruktion wiegt 3.300 Tonnen doppelt so viel wie die alte, weil sie Notbremsungen von Zügen aushalten muss, die mit 250 Kilometern pro Stunde fahren.

© Karlheinz Fessl

- Als „Idea of the year“ ausgezeichnet wurde der Vorschlag von Markus Steiner, Sonja Sesse und Kurt Maier, eine firmeninterne App einzurichten. Sie soll als Plattform für Kommunikation und Baustellen-News dienen, aber auch Forum für Problemlösungen und Umfragen sein.

Nach so viel Ideen-Dynamik ist jetzt das Management gefordert. Denn ein solcher Wettbewerb beinhaltet auch die Verpflichtung, das Engagement der Beschäftigten ernstzunehmen und die ausgezeichneten Vorschläge umzusetzen – sonst ist es mit der Euphorie bald vorbei. Damit genau das nicht geschieht, hat Swietelsky einen Innovations-Hub eingerichtet – als Stabsstelle des Vorstands ein Pusher für das Ideenmanagement im Unternehmen. „Diese Sache darf nicht mit den Einreichungen enden, sondern entfaltet erst in der Umsetzung ihr großes Potenzial“, weiß auch Clemens Kukacka, Leiter des neuen Hubs. Seine nächsten Schritte: Die nach Themen geclusterten Vorschläge werden in Arbeitsgruppen, zu denen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herzlich eingeladen sind, weiterbearbeitet, ihre Umsetzung geprüft und vorangetrieben. Fortschritte werden transparent auf einer internen Webseite dokumentiert.

Das Projekt hat gute Voraussetzungen. Denn Innovationen sind bei Swietelsky kein Neuland. Für den Semmering-Basistunnel wurde eine spezielle Schachtkonstruktion entwickelt, die vom Unternehmen selbst, ohne externe Spezialunternehmen umgesetzt werden kann. Die Baustelle beim Wiener Austro Tower wurde logistisch bewusst so gestaltet, dass mit nur einem Kran gearbeitet werden konnte. Und auch die Bahnbaumaschine der Superlative, die „RUS 1000 S“, ist das Ergebnis zahlreicher Verbesserungsvorschläge, die die Mechanisierung im Bahnbau stark vorangetrieben haben.

Innovationen haben bei Swietelsky also Tradition. Und diese Tradition wird jetzt mit dem „Festival der Ideen“ und dem Innovations-Hub neu definiert und weitergeschrieben. „Das wird eine zeitlich unbefristete Aufgabe“, betont Clemens Kukacka, „weil es möglich sein soll, laufend neue Ideen in den Prozess einzubringen.“

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