Trend Logo

Wohin Österreichs Industrie steuert

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
8 min

Die OMV-Raffinerie in Schwechat

©IMAGO/Volker Preußer
  1. home
  2. Aktuell
  3. Politik

Der in Aussicht gestellte Strombonus ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Budgetknappheit lässt kaum Spielraum für eine wirkungsvolle Strategie zu, um der produzierenden Wirtschaft unter die Arme zu greifen.

von

Erst was weg ist, beginnt man zu vermissen – aber dann ist oft die Chance vertan, um es zurückzuholen. Damit es Österreich nicht auch mit seiner einst stolzen Industrie so ergeht, werden spät, aber doch nun die Verantwortlichen der Republik aktiv.

Die Sache eilt, denn die Schrumpfung ist bedrohlich. Um fast zwölf Prozent ist der inflationsbereinigte Wert aller produzierten Waren im verarbeitenden Gewerbe seit Ende 2022 gesunken, zeigt eine Auswertung des Thinktanks Agenda Austria. Der Dezember 2024 lag sogar um 9,5 Prozent unter dem Vorjahresmonat. Nirgendwo in Europa ist der Output so stark zurückgegangen. Jahrzehntelang Motor des Wohlstands, scheint die Erfolgsstory der Industrie 2022 gerissen zu sein.

Am 16. Mai vormittags traf sich im Wirtschaftsministerium am Wiener Stubenring eine illustre Gruppe zu einem Kick-off-Meeting, um der Erosion etwas entgegenzusetzen. Mit dabei waren die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung: ÖVP-Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, SPÖ-Infrastrukturminister Peter Hanke und Deregulierungs-Staatssekretär Sepp Schellhorn von den Neos. Für einen ökonomischen Problemaufriss sorgten Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und Holger Bonin vom Institut für Höhere Studien. Eingebunden sind auch die Sozialpartner. Ziel des Prozesses, der von der Plattform „Industrie 4.0“ begleitet wird, ist die Erarbeitung einer umfassenden Industriestrategie für das Land.

Das bei solchen Anlässen übliche Medientamtam fehlte: keine auf Social Media verbreiteten Selfies, keine Presseaussendungen, keine sonstige Information. Offenbar sollen erst gar nicht zu große Erwartungen geweckt werden, das Enttäuschungsrisiko ist hoch.

Hohe Energie-, Lohn- und Bürokratiekosten haben viele Industrieunternehmen in den letzten Jahren an den Rand der Wettbewerbsfähigkeit gebracht. Die eben in Aussicht gestellte Strombonus für die energieintensive Industrie für 2025 und 2026 ist da nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Zusätzliche Abschreibungsmöglichkeiten bei den Investitionen, was das Budget kurzfristig nicht zu stark belastet, sind eine weitere Entlastungsmöglichkeit.

An eine rasche Senkung der Lohnnebenkosten, im Regierungsprogramm ab 2027 vorgesehen, glaubt derzeit niemand mehr. „Im Moment erwarte ich mir da nichts“, bleibt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer realistisch. Für Siegfried Menz, Obmann der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer, stehen die begonnen Gespräche somit unter keinem so guten Stern: „Selbst 2027 oder 2028 ist zu spät. Die Unternehmen brauchen jetzt eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten. Sonst braucht man auch keine Strategie.“

Einziger Lichtblick ist, dass bei Löhnen und Gehältern nun auch die Arbeitnehmervertretungen den Ernst der Lage erkannt haben. Die aktuellsten Lohnabschlüsse liegen unter der rollierenden Inflation. Außer im öffentlichen Dienst.

Immer weiter so

Eine Aneinanderreihung kostendämpfender Maßnahmen stellt allerdings noch keine Strategie dar. Das Problem ist, dass es nur minimalen budgetären Spielraum gibt. „Der Regierung sind die Hände gebunden“, sagt Monika Köppl-Turyna, Chefin des industrienahen Thinktanks Eco Austria. „Jetzt fliegt uns um die Ohren, dass wir die Hausaufgaben nicht gemacht haben.“ Ihrer Ansicht nach wäre eine Industriestrategie schon bis zum Sommer möglich und wünschenswert gewesen, auch eine Kompensation der Strompreise wäre für sie ein sinnvoller, schnell einzusetzender Hebel. Aber EcoAustria ist in den Prozess nicht eingebunden.

Skeptisch zeigt sich auch Wolfgang Hesoun, früher Siemens-Österreich-Chef und jetzt Wirtschaftskammer-Vizepräsident: „Die Politik kann bessere Rahmenbedingungen bei Bürokratie und Genehmigungen schaffen, ansonsten ist ihr Impact beschränkt – zumal die finanziellen Spielräume eben überschaubar sind.“

Offen bleibt, wie stark der Staat seine Industriebeteiligungen nutzen wird, um das Land voranzubringen. Die Staatsholding ÖBAG hält Anteile an Schwergewichten wie dem Energiekonzern OMV, der eben mit einem Riesendeal im Kunststoffbereich aufhorchen ließ, aber auch an Verbund oder A1 Telekom. Die Zuständigkeit für die Holding ist vom Finanz- ins Wirtschaftsministerium gewechselt. Im trend-Gespräch deponiert Hattmannsdorfer: „Ich möchte die ÖBAG zentraler für standort- und wirtschaftspolitische Schlüsselfragen machen. Das Optimieren der Dividende alleine ist mir zu wenig.“

Dem steht der Wunsch von SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer entgegen, für die Budgetsanierung möglichst hohe Dividenden zu bekommen. 2025 sind immerhin 1,4 Milliarden eingeplant, und fließen sie in den kommenden Jahren nicht in ähnlicher Höhe, muss anderswo gespart werden.

Der Zielkonflikt ist vorprogrammiert. Soll die ÖBAG, wie von Hattmannsdorfer skizziert, einen größeren Beitrag zu wirtschaftspolitischen Zielen leisten, muss sie auch investieren, zum Beispiel in einen Dachfonds zur Finanzierung standortrelevanter Zukunftstechnologien, wie er auch im Regierungsprogramm vorgesehen ist. ÖBAG-Chefin Edith Hlawati stünde für neue Aufgaben bereit: „Wir hätten die Ressourcen und die Leute dafür“.

Ein vereinfachtes Modell so eines „rot-weiß-roten Dachfonds“ sähe vor, dass Dividenden von OMV oder Verbund in ihn hineinfließen, aus dem dann Energie-Start-ups finanziert werden könnten.

Mit einem Ankerinvestor wie der ÖBAG wäre es einfacher, Pensionskassen und Versicherungen bzw. Private-Equity-Investoren zu bewegen, Kapital zur Verfügung zu stellen. Doch von politischem Drive in dieser Sache ist bislang wenig zu merken, obwohl Berater bereits an konkreten Konzepten für einen Fonds arbeiten. EcoAustria ist laut Köppl-Turyna damit beauftragt, bis Ende Juni eine Studie zu dem Thema zu erstellen.

In einer Rede beim Wiener-Börse-Preis hat Wienerberger-CEO Heimo Scheuch in seiner Rolle als Aufsichtsratschef der Börse kürzlich gefordert, noch größer zu denken. Ihm schwebt ein Staatsfonds nach norwegischem Vorbild vor, der standortpolitisch agiert, aber auch in Aktien und Anleihen investieren soll.

Reinfahren

Dass der Staat keine Möglichkeit hat, aus Budgetgründen auf Einnahmen zu verzichten, um die Betriebe zu entlasten, lässt Unternehmer Sigi Menz nicht gelten – und spricht damit vielen seiner Kollegen aus der Seele: „Zwei Prozent Einsparung bei den Ausgaben müssen drinnen sein. Offenbar ist man nicht ausreichend bereit, Spielräume zu schaffen.“ Die Regierung müsse halt einmal mutiger in die öffentliche Verwaltung hineinfahren – „wobei ich damit keine Elon-Musk-Methoden meine.“

Alle möglichen Ideen werden im Ringen um eine politisch akkordierte Industriestrategie in den nächsten Monaten verstärkt in der Öffentlichkeit aufflackern. Wobei etwa Wolfgang Hesoun die Wirksamkeit so einer Strategie grundsätzlich bezweifelt: „Die Politik maßt sich da eine Rolle an, die sie kaum erfüllen kann.“

Der Artikel ist leicht gekürzt und aktualisiert, er ist in voller Länge im trend.PREMIUM vom 23. Mai 2025 erschienen.

Über die Autoren

Logo
Jetzt trend. ab € 14,60 im Monat abonnieren!
Ähnliche Artikel