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Günter Geyer: "Selbstfindung tut der SPÖ gut"

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Günter Geyer, Aufsichtsratspräsident der Vienna Insurance Group (VIG)
Günter Geyer, Aufsichtsratspräsident der Vienna Insurance Group (VIG)©trend / Lukas Ilgner
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Günter Geyer, der mächtige Aufsichtsratschef der VIG und langjährige SPÖ-Sympathisant, scheint Gefallen an einem Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinen Positionen zu finden.

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trend: Sie haben sich ja einmal als Fan einer Großen Koalition geoutet. Wie enttäuscht sind Sie, dass es dazu nicht kommen wird?
Günter Geyer: Enttäuscht bin ich nicht. Das Wahlergebnis spiegelt die Entwicklungen des letzten Jahres wider und war für mich auch in großen Teilen erwartbar.

trend: Sie sehen das als langjähriger SPÖ-Sympathisant aber sehr nüchtern.
Geyer: Ich orientiere mich in meinen Positionen nicht an der Tagespolitik. Als Bürger sind mir soziale Werte und eine wirtschaftliche Denkweise wichtig. Wer diese am besten vertritt, bekommt meine Stimme.

trend: Was ist bei der SPÖ falschgelaufen?
Geyer: Als Partei muss ich klare Themen vorgeben, mich damit überzeugend befassen und mir vor allem die Zeit nehmen und meinen Wählern zuhören. Als Führungskraft in einem Unternehmen sollte man den Mitarbeitern ja auch zuhören. All das ist bei der SPÖ nicht wirklich geglückt. Eine Phase der Selbstfindung tut der Partei wahrscheinlich ganz gut.

trend: Ist Christian Kern für diese Selbstfindung der Richtige?
Geyer: Das kann ich schwer beurteilen, ich kenne ihn nur aus seiner früheren Tätigkeit als ÖBB-Chef.

trend: Sie galten ja als Berater des früheren Bundeskanzlers Werner Faymann. Kern hat Sie nie zu Rate gezogen?
Geyer: Nein. Er hat wohl seine eigenen Berater.

Ich halte Kurz für eine sehr fähige Persönlichkeit und hoffe, dass er viele seiner Vorstellungen umsetzen kann.

trend: Was erwarten Sie von einem Kanzler Kurz?
Geyer: Ich halte ihn für eine sehr fähige Persönlichkeit und hoffe, dass er viele seiner Vorstellungen umsetzen kann.

trend: Im Wahlkampf hieß es sogar, Sie würden mit Kurz sympathisieren, weil er bei Ihnen eine Veranstaltung besucht hat.
Geyer: Ich sympathisiere mit Politikern, die vernünftige Vorstellungen zu bestimmten Themen haben. Wobei meine Vorstellungen oft mit jenen der Caritas oder Volkshilfe konform gehen. Und warum sollte Kurz nicht zu einer Veranstaltung von uns kommen?

trend: Einige Ihrer Unternehmerkollegen haben Kurz öffentlich unterstützt. Das war für Sie aber nie ein Thema?
Geyer: Ich war noch nie in einem Personenkomitee, weil ich grundsätzlich kein Fan davon bin. Aber das soll jeder so handhaben, wie er will.

trend: Welche Erwartungen haben Sie denn nun konkret an eine neue Regierung?
Geyer: Die Themen, die aus meiner Sicht dringend angegangen werden sollen, sind: eine Reform des Bildungssystems, der Abbau der Bürokratie, eine Reduzierung der Steuerlast und eine Reform des Pensionssystems.

trend: Bleiben wir bei dem für Ihre Branche so wichtigen Pensionssystem. Was sollte da passieren?
Geyer: Ich hoffe auf eine Reform des Pensions- und Pflegesystems. Nehmen wir die kürzlich beschlossene Abschaffung des Pflegeregresses: Im Grunde war die Abschaffung richtig, was aber jedenfalls fehlt, ist die Motivation zur privaten Vorsorge. Diejenigen, die es sich leisten könnten, sollten motiviert werden, etwas für ihre Vorsorge zu tun, denn es ist eine Tatsache, dass die Menschen lieber zu Hause gepflegt werden, und deren Wunsch wird durch die Abschaffung des Pflegeregresses gar nicht berücksichtigt.

In Österreich fehlt die Motivation zur privaten Vorsorge.

trend: An welche Anreize denken Sie?
Geyer: Man muss den Menschen die Vorsorge vonseiten der Politik schmackhafter machen. Da rede ich gar nicht von hohen finanziellen Anreizen. Aber nehmen Sie die geförderte Zukunftsvorsorge, die seit Jahren an einem unbefriedigenden Veranlagungsergebnis leidet. Die sollte dahin abgeändert werden, dass auch Veranlagungen in Infrastruktur wie Straßen, Wohnbau, Schulen möglich werden. Das hätte den großen Vorteil, dass mehr Geld für diese Projekte zur Verfügung stünde und es gleichzeitig stabilere Erträge für die Altersvorsorge gäbe.

trend: Und was konkret schwebt Ihnen beim Bürokratieabbau vor?
Geyer: Wir haben es seit der Finanz-und Wirtschaftskrise mit einer wahren Dokumentationswut zu tun. Das muss aufhören.

trend: Viel davon passiert aber auf EU-Ebene und lässt sich von einer österreichischen Regierung schwer stoppen.
Geyer: Das trifft nur zum Teil zu. Oft werden Gesetze in Österreich noch einmal strenger gefasst. Dazu kommt, dass vieles ja gar nicht bundesweit gilt und wir es etwa mit neun Bauordnungen zu tun haben. Wer soll verstehen, dass jenseits und diesseits der Enns unterschiedlich gebaut werden darf?

trend: Die Regierung will Steuern in den nächsten Jahren im Ausmaß zwischen zwölf bis 14 Milliarden Euro senken. Gelingt das Ihrer Meinung nach?
Geyer: Das hängt natürlich davon ab, ob die Wirtschaft - wie prognostiziert - weiter wächst und es gelingt, Einsparungen in der Bürokratie zu erzielen. Das alleine wird aber nicht ausreichen, wir werden uns darauf einstellen müssen, dass wir länger arbeiten müssen, bevor wir in Pension gehen.

trend: In Ihrem Konzern finden sich sehr viele Frauen in Führungspositionen. Wie könnten Sie das anderen Unternehmen schmackhaft machen?
Geyer: Aus meiner Sicht ist die Kommunikation zwischen Führung und Mitarbeitern eine viel sachlichere. Ich bin oft fasziniert, wie Frauen Dinge formulieren können und damit auch zu besseren Ergebnissen kommen.

trend: Dennoch sind Sie ein Gegner der Quote. Warum?
Geyer: Ich bin gegen jede Form der Drohung. Ich denke, es sollte ausreichen, wenn man Frauen bei der Kinderbetreuung mehr unterstützt und Rahmenbedingungen in der Arbeit generell frauenfreundlicher macht.

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Günter Geyer im Gespräch mit trend-Redakteurin Angelika Kramer © trend / Lukas Ilgner

trend: Machen Sie sich große Sorgen um die Zukunft der Lebensversicherung?
Geyer: In Österreich sind wir in einer viel komfortableren Situation als etwa unser Nachbarland Deutschland. Denn der Garantiezinssatz ist bei uns wesentlich niedriger. Selbst bei unverändertem Zinssatz sollte die Lebensversicherungsbranche hierzulande die nächsten 15 Jahre nicht in Gefahr sein.

trend: Was halten Sie in dem Zusammenhang von der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank?
Geyer: Davon bin ich nicht gerade begeistert. Ich würde mir eine raschere Anhebung der Zinsen wünschen.

trend: Ein Wahlkampfthema war leistbares Wohnen. Ihr Rezept?
Geyer: Zu unserem Konzern gehören ja auch Wohnbaugesellschaften. Die bauen viel, könnten aber mit weniger Bürokratie noch viel mehr bauen. Von Mietzinsobergrenzen halte ich wenig. Wenn der Markt funktioniert, genügend Wohnungen vorhanden sind, wird keine Obergrenze benötigt.

trend: Hier sind Sie also auch nicht auf SPÖ- Linie?
Geyer: Ich bin mir nicht immer ganz sicher, wer in der SPÖ wofür eintritt.

trend: Auch in Ihrer Branche wird die Konkurrenz durch Fintechs immer größer. In welchen Bereichen rechnen Sie mit den größten Veränderungen?
Geyer: Bei den internen Arbeitsabläufen und in Kundenservices sowie der Kommunikation. Dass es im Vertrieb zu großen Personaleinsparungen kommen wird, glaube ich aber nicht. Qualitätsberatung wird wichtiger denn je sein.

trend: Sie wurden noch unter Faymann in den Nominierungsausschuss der Verstaatlichtenholding ÖBIB berufen. Hat sich das System aus Ihrer Sicht bewährt?
Geyer: Was sich bewährt hat, ist, dass alle unsere Aufsichtsratsnominierungen außer Diskussion gestanden sind. Alle unsere Kandidaten waren herzeigbar. Was bei der Konstruktion aber nicht glücklich ist, ist die Rolle des Eigentümers, der Republik. Sie ist nicht Fisch und nicht Fleisch.

trend: Ihr Konzern beschäftigt immer wieder ehemalige Politiker wie Sonja Steßl oder Josef Ostermayer. Gibt es nach den Wahlen schon neue Anfragen von SP-Politikern?
Geyer: Ich finde es ungerecht, wenn man Personen diskriminiert, nur weil sie einmal in der Politik waren. Viele haben ja wertvolle Assets für ein Unternehmen zu bieten - wie etwa ihr Netzwerk. Und das ist kein Thema der parteipolitischen Zugehörigkeit.

Zur Person

Günter Geyer, 74, ist Aufsichtsratspräsident der Vienna Insurance Group (VIG) und der Wiener Städtischen Versicherung. Er gilt als einer der mächtigsten Versicherungsmanager des Landes. Der Oberösterreicher engagiert sich für viele Sozialprojekte wie "Rettet den Stephansdom".

Der Artikel ist der trend-Ausgabe 45/2017 vom 10. November 2017 entnommen.

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