
Die Herbstlohnrunde der Metallindustrie und des Bergbaus steht heuer unter besonders schwierigen Vorzeichen.
Vor den am Montagnachmittag beginnenden Lohnverhandlungen der Metaller haben sich die Arbeitnehmer- und die Arbeitgeberseite über die ihnen jeweils nahestehenden Think Tanks argumentativ in Stellung gebracht. Während das gewerkschaftsnahe Momentum Institut Forderungen nach Lohnzurückhaltung zurückweist und auf die hohen Energiekosten als das wahre Problem verweist, sieht die Agenda Austria Österreichs Löhne "im Höhenflug" - bei gleichzeitig stagnierender Produktivität.
Momentum: „Energiekosten senken“
„Wer Wettbewerbsfähigkeit sichern will, muss die Energiekosten senken“, meint Momentum-Chefökonom Oliver Picek. „Lohnzurückhaltung ist keine Lösung, sie würde die Nachfrage zusätzlich schwächen und die Rezession verschärfen.“
Das sieht Agenda-Austria-Ökonom Jan Kluge anders. „In Österreich sind die Löhne in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen als im Euroraum, doch die Produktivität stagniert seit Jahren“, schrieb Kluge auf der Plattform X. „Laut der Benya-Formel sollten Löhne nur im Ausmaß von Inflation und Produktivitätswachstum steigen - letzteres ist quasi nicht vorhanden.“ Während der Tariflohnindex im Euroraum seit 2020 um 17,2 Prozent gestiegen sei, habe er in Österreich um 28 Prozent zugelegt.
Löhne stiegen stärker als in anderen Ländern
„Das ist tatsächlich so, dass die Lohnsteigerungen gerade bei den westeuropäischen Handelspartnern deutlich geringer waren als in Österreich und von dem her haben wir im Bereich der preislichen Wettbewerbsfähigkeit, also bezogen auf die Löhne, doch gegenüber diesen Handelspartnern verloren“, bestätigte Wifo-Ökonom Benjamin Bittschi am Sonntagabend in der ZiB 1.
Allerdings habe das Lohnverhandlungssystem in Österreich in den letzten Jahren zu mehr Wohlstand beigetragen, sagte seine Wifo-Kollegin Christine Mayrhuber in der ORF-TV-Sendung „Das Gespräch“. Das sozialpartnerschaftliche Lohnverhandlungssystem habe nicht nur die Wohlfahrt gesteigert, sondern auch die Beschäftigung gefördert und die Arbeitslosigkeit reduziert. Dass die hohen Löhne der letzten Jahre die Inflation angeheizt hätten, relativierte die Ökonomin: "Wir haben in Österreich ein System, wo die Lohnrunde immer die vergangene Inflation berücksichtigt, das heißt, die Löhne gehen der Inflation nach."
Hebenstreit: Aufschwung durch mehr Kaufkraft
Sowohl Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida, als auch Stephan Zöchling, Chef des steirischen Autozulieferers Remus, erfüllten in der TV-Diskussionsrunde die Rollenerwartungen.
„Wir sind in einer veritablen Krise gelandet aufgrund des Versagens der vergangenen Regierung, die Inflation entsprechend zu bekämpfen“, sagte Hebenstreit. Jetzt brauche man einen Aufschwung, und mehr als 50 Prozent der Nachfrage würden aus der Kaufkraft kommen. Die öffentliche Hand habe einen Anteil von rund 25 Prozent, 20 Prozent der Nachfrage kämen von den Investitionen der Unternehmen und ungefähr 5 Prozent sei der Nettoeffekt der Exporte. Die Löhne seien sicher kein Inflationstreiber, so Hebenstreit.
Zöchling verwies darauf, dass der Produktivitätszuwachs in den letzten Jahren negativ gewesen sei, trotzdem habe man nicht nur die Inflation abgegolten, sondern die Löhne zum Teil auch darüber hinaus erhöht. "Wir haben in der Metallindustrie über 28 Prozent Lohnsteigerungen gehabt in den letzten Jahren." Das sei für den Standort nicht mehr leistbar.
Metaller und Eisenbahner machen den Anfang
Die Herbstlohnrunde wird heute mit den Lohnverhandlungen der Metaller eröffnet. Traditionell starten die Gespräche mit der formellen Forderungsübergabe der Gewerkschaften in der Wirtschaftskammer, anschließend folgt die erste Gesprächsrunde mit dem Fachverband Metalltechnische Industrie (FMTI). Betroffen sind rund 190.000 Beschäftigte. Auf Arbeitnehmerseite führen PRO-GE-Bundesvorsitzender Reinhold Binder und - für die Angestellten - GPA-Bundesgeschäftsführer Mario Ferrari die Verhandlungen. Arbeitgeber-Chefverhandler ist FMTI-Obmann Christian Knill.
Ebenfalls am Montag beginnen die Kollektivvertragsverhandlungen für rund 55.000 Beschäftigte in 92 Eisenbahnunternehmen in Österreich. Die Gewerkschaft vida hat bereits erklärt, dass auch sie keine Reallohnverluste akzeptieren will.
(trend/APA)