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Wer bei Stürzen in Öffis haftet

In Kooperation mit D.A.S. Rechtsberatung der Ergo Versicherung
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8 min

Bei Stürze in Öffis können auch die Betreiber haftbar gemacht werden.

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Bei Unfällen in öffentlichen Transportunternehmen müssen Fahrgäste bei Schäden nicht immer selbst dafür aufkommen. Ein OGH-Urteile macht es möglich, Passagieren öfter Recht zu bekommen. Die Experten der D.A.S. Rechtsberatung der Ergo Versicherung AG erklären, wann das Recht auf der Seite der Fahrgäste ist.

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Was steht in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen?

Nicht immer ist klar, auf welcher Seite das Recht bei Unfällen von Personen in öffentlichen Verkehrsmitteln steht. Ein Beispiel: Als ein Fahrgast, verwiesen die Wiener Linien auf die Allgemeinen Beförderungsbedingungen. Darin wird festgehalten, dass Passagiere sich einen „festen Halt“ verschaffen müssen. Schäden, die entstehen, wenn man diese Regel nicht befolgt, hat demnach der Fahrgast zu tragen – zumindest bisher.

OGH-Urteil: mit einem kräftigen Ruck ist nicht zu rechnen

Öffi-Betreiber fühlen sich nach Sturz älterer Dame schuldlos

Doch im Jahr 2013 hat das Oberlandesgericht (OLG) Wien dieser simplen Regelung widersprochen, wie ein Urteil zeigt. Der 79-jährigen Wienerin Elisabeth S. widerfuhr folgender Unfall: Während sie mit der rechten Hand ihr Ticket vom Automaten entwerten ließ, hielt sie sich mit der anderen Hand an einer Griffstange fest. In dem Moment fuhr die Tramway mit maximaler Beschleunigung, und einem kräftigen Ruck, los. Die Dame, die zu diesem Zeitpunkt quer zur Fahrrichtung stand, konnte die Balance nicht mehr halten, stürzte und verletzte sich schwer. Die Wiener Linien weigerten sich in weiterer Folge, Schmerzensgeld zu zahlen und begründeten das damit, dass das Anfahren mit maximaler Beschleunigung zulässig ist und die Frau sich eben einen festen Halt verschaffen, hätte müssen.

Verunglückte Frau musste nicht mit einem kräftigen Ruck rechnen

Dieser Rechtsauffassung widerspricht das OGH-Urteil: Das Anfahren mit höchster Beschleunigung in einer Haltestelle, wo Fahrgäste typischerweise mit der Entwertung von Fahrscheinen befasst sind, ist – ohne verkehrsbedingte Notwendigkeit – ein Verstoß gegen die Sorgfalt. Was die Sorgfalt der gestürzten Frau betrifft, erklärt das Gericht weiter: Der Passagier muss sich anhalten und dabei unverzüglich seinen Fahrausweis entwerten. Im konkreten Fall musste Frau S. dennoch nicht mit einem kräftigen Ruck beim Anfahren rechnen und brauchte deshalb auch nicht mit dem Entwerten des Tickets, wie etwa vor einer Kurvenfahrt, abzuwarten.

Öffi-Sturz: Bei Sorglosigkeit droht Mitverschulden

Es können jedoch Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Fahrgast die Unfallfolgen oder Verletzung „mitverschuldet“. Das hätte zur Folge, dass man Schadenersatz (etwa Heilungskosten, angemessenes Schmerzensgeld) nicht in voller Höhe bekommt. Unter „Mitverschulden“ versteht man eine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern. Das bedeutet, der Fahrgast haftet mit, wenn er mit der eigenen Gesundheit sorglos umgeht. Die Anforderung an diese Sorgfalt des Fahrgastes darf aber nicht zu hoch sein.

So sieht der Oberste Gerichtshof in folgendem Fall kein Mitverschulden eines Verletzten: Ein Fahrgast hat sich an einer Haltestange festgehalten, die durch eine Schnellbremsung der Straßenbahn losgerissen wurde und stürzte. Laut OGH trägt der Betreiber Schuld an dem Unfall und nicht der Passagier.

Nicht haftbar, wenn Sturz durch Aufstehen erfolgt

Lässt man seinen Sitznachbar heraus, haftet man nicht, wenn dieser dabei stürzt

Auch in einem weiteren Fall ging das Urteil zugunsten des Fahrgastes aus. Daraus resultiert folgende Erkenntnis: Wird man vom Sitznachbarn, der am Fensterplatz sitzt, gebeten, ihn herauszulassen, muss man sich die Folgen seines Sturzes nicht anrechnen lassen, wenn man dem Wunsch folgt und aufsteht. Wichtig ist jedoch, dass man sich, während man den anderen Fahrgast heraus lässt, festhält. Der OGH vermerkt, dass der Fahrgast den Sitznachbar schließlich nicht zwingt, sich an ihm vorbei zu zwängen.

Gurt muss nur benutzt werden, wenn er gut sichtbar ist

Das Beförderungsunternehmen trifft grundsätzlich sogenannte vertragliche Schutz- und Nebenpflichten. Dazu zählt in erster Linie die gefahrlose Beförderung der Personen, die das Verkehrsmittel entgeltlich in Anspruch nehmen. Wird etwa eine Sitzmöglichkeit angeboten, muss der Fahrgast diese gefahrlos verwenden können. Ist ein Gurt vorhanden, muss dieser nur benutzt werden, wenn dieser gut sichtbar ist oder ein Schild eindeutig auf die Verwendung des Gurts hinweist. Ansonsten gilt die Nichtverwendung eines Gurtes nicht als Sorgfaltsverstoß.

Schadenersatzforderung einklagen oft einzige Möglichkeit

Oft ist jedoch die einzige Möglichkeit, seine Schadenersatzforderung gerichtlich einzuklagen. Im Verfahren argumentieren die Beförderungsunternehmen oft damit, dass etwa der Fahrgast sich nicht verletzt hätte, wäre er zum Unfallzeitpunkt angeschnallt gewesen oder wäre er nicht gestanden. Dann muss das Gericht klären, ob der Fahrgast sorglos war.

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Die ERGO Versicherung AG ist mit ihrer weit über 100-jährigen Erfolgsgeschichte eines der führenden Versicherungsunternehmen auf dem österreichischen Markt. Als Tochtergesellschaft der ERGO Austria International AG ist sie Teil der ERGO Group und somit der Munich Re, einem der weltweit führenden Rückversicherer und Risikoträger. Im Rahmen strategischer Kooperationen mit den Partnern UniCredit/Bank Austria und Volksbanken sowie über den eigenen Außendienst, angeschlossene Makler, Agenturen und den Direktvertrieb bietet sie ein kundenorientiertes, bedarfsgerechtes Produktsortiment an Lebens-, Kranken- und Schaden-/Unfall- sowie Rechtsschutzversicherungen für den privaten sowie betrieblichen Bereich an.

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