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Neue Restrukturierungs- und Insolvenzordnung: Ein großer Wurf?

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Neue Restrukturierungs- und Insolvenzordnung: Ein großer Wurf?
Die österreichische Insolvenz- und Restrukurierungsordnung wird geändert.©iStockphoto
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Ist die vom Ministerialrat präsentierte neue Restrukturierungs- und Insolvenzordnung tatsächlich ein großer Wurf? Die Rechtsanwälte Matthias Schimka und Eva Spiegel, Partner bei Wolf Theiss Rechtsanwälte, analysieren die Ministerialsvorlage.

Am 22.2.2021 wurde der Ministerialentwurf zum Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRL-UG) veröffentlicht. Das Gesetz ist die mit Spannung erwartete Umsetzung der Restrukturierungs-RL. Neben der Einführung einer neuen Restrukturierungsordnung soll unter anderem die Insolvenzordnung angepasst werden. Die Begutachtungsfrist läuft bis zum 6. April 2021. Mit dem In-Kraft-Treten ist im dritten Quartal 2021 zu rechnen.

Die Zielsetzung

Nach der Restrukturierungsordnung sollen Schuldner die Möglichkeit erhalten, über einen Restrukturierungsplan im Rahmen eines außerinsolvenzlichen Verfahrens unter grundsätzlicher Beibehaltung der Eigenverwaltung den Turnaround zu schaffen. Dies, wenn nötig, auch gegen den Widerstand einzelner "Akkord-Störer". Die Restrukturierungsordnung versucht, die bis dato bestehende Lücke zwischen Insolvenzverfahren und konsensualer außergerichtlicher Sanierung zu schließen und das Obstruktionspotential einzelner Gläubiger zu überwinden.

Für Privatpersonen und Einzelunternehmer soll die Entschuldung durch Änderungen der Insolvenzordnung erleichtert werden und innerhalb von drei Jahren möglich sein.

Erwartete Auswirkungen

Die Restrukturierungsordnung stellt eine Zäsur für das Restrukturierungsrecht außerhalb der Insolvenz dar. Restrukturierungsmaßnahmen können nunmehr auch gegen den Willen einzelner Gläubiger ermöglicht werden. Auch das Konzept des klassenübergreifenden cram-down, der unfreiwilligen Auferlegung eines Umstrukturierungsplans (siehe "4. Wie wird über den Restrukturierungsplan abgestimmt?"), ist neu.

Nachdem die bisherigen Versuche des österreichischen Gesetzgebers einer Insolvenzprophylaxe durch ein vorgelagertes Restrukturierungsverfahren nicht angenommen wurden und – wie zuletzt das Unternehmensreorganisationsgesetz – weitgehend "totes" Recht blieben, gilt es abzuwarten, ob das neue Restrukturierungsverfahren in der Praxis Bedeutung erlangen wird.

Abzuwarten bleibt selbstverständlich auch das finale Gesetz und inwieweit es hier noch zu Änderungen kommt.

Die wichtigsten Punkte aus der Ministerialsvorlage zur neuen Restrukturierungs- und Insolvenzordnung.

1. Wann kann ein Restrukturierungsverfahren eingeleitet werden?

Die Verfahrenseinleitung knüpft an die wahrscheinliche Insolvenz des Schuldners an. Diese liegt vor, wenn der Bestand des Schuldners ohne Restrukturierung gefährdet wäre, etwa im Fall seiner drohenden Zahlungsunfähigkeit oder bei Vorliegen der URG-Kennzahlen (Eigenmittelquote weniger als 8 Prozent und fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre).

Der Schuldner kann daher zwar im Sinne des Insolvenzrechts überschuldet sein; bei Zahlungsunfähigkeit muss aber grundsätzlich ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden. Wurde ein Restrukturierungs- oder Sanierungsverfahren bereits vor weniger als sieben Jahren eingeleitet, scheidet ein neuerliches Restrukturierungsverfahren aus. Bestimmte Schuldner (wie etwa Kreditinstitute oder natürliche Personen, die keine Unternehmer sind) sind per se vom Anwendungsbereich der Restrukturierungsordnung ausgeschlossen.

2. Welche Unterlagen sind erforderlich?

Dem Antrag auf Verfahrenseinleitung sind ein Vermögensverzeichnis, ein Finanzplan (grundsätzlich) für 90 Tage, die Jahresabschlüsse (der letzten drei Jahre) und ein Restrukturierungsplan u.a. mit bedingter (d.h. von der Annahme und Bestätigung des Restrukturierungsplans abhängiger) Fortbestehensprognose anzuschließen. Alternativ zum Restrukturierungsplan kann zunächst nur ein Restrukturierungskonzept mit Mindestinhalt vorgelegt werden, das in weiterer Folge (mit Hilfe des Restrukturierungsbeauftragten) zu einem Restrukturierungsplan auszuarbeiten ist.

3. Was ist ein Restrukturierungsplan?

Der Restrukturierungsplan ist das Herzstück des Verfahrens. Er soll ein valider Plan zur Regelung der Restrukturierungsmaßnahmen und -beiträge der betroffenen Gläubiger sein.

Bei seiner Gestaltung ist der Schuldner flexibel. Er kann etwa darüber entscheiden, welche Gläubiger einbezogen werden (ausgenommen bestimmte Forderungen). Es müssen nicht alle Gläubiger des Schuldners einbezogen werden. Jedenfalls nicht erfasst sind Forderungen von Arbeitnehmern, sie bleiben von der Restrukturierung unberührt.

Als Instrumente zur Gestaltung der einbezogenen Forderungen kommen primär Kürzungen und Stundungen von Forderungen in Betracht.

4. Wie wird über den Restrukturierungsplan abgestimmt?

Die Gläubiger sind in Klassen einzuteilen, wobei fünf Gläubigerklassen gebildet werden können: (i) besicherte Gläubiger, (ii) unbesicherte Gläubiger, (iii) Anleihegläubiger (unter Anleihen sind unabhängig von einer Börsennotierung alle Formen von schuldrechtlichen Papieren zu verstehen, die obligatorische Rechte verbriefen), (iv) bestimmte schutzbedürftige Gläubiger mit Forderungen unter EUR 10.000 und (v) Gläubiger nachrangiger Forderungen. Ist der Schuldner ein KMU muss keine Klassenbildung stattfinden.

Die Abstimmung erfolgt im Rahmen einer Tagsatzung. Bei einer zustimmenden Summenmehrheit von 75 Prozent kombiniert mit einer einfacher Kopfmehrheit in jeder Gläubigerklasse ist der Plan angenommen.

Bei Nichterreichen der Mehrheiten kann die Zustimmung der dissentierenden Gläubigerklassen im Wege eines cross-class cram-down ersetzt werden. Der Minderheitenschutz wird dabei im Wege der relativ priority rule sichergestellt. Demnach müssen ablehnende Gläubigerklassen zumindest wie Klassen mit gleichem Rang im Insolvenzverfahren und besser als Klassen mit schlechterem Rang behandelt werden.

5. Welche Wirkungen entfaltet der Restrukturierungsplan?

Jeder Restrukturierungsplan bedarf der gerichtlichen Bestätigung. Mit der Bestätigung entfaltet er seine Wirkung nur gegenüber den betroffenen Gläubigern.

Zur Erreichung des Restrukturierungsziels kann flankierend eine Vollstreckungssperre für drei (verlängerbar auf sechs) Monate durch den Schuldner beantragt werden. Während der Vollstreckungssperre ruht die Insolvenzantragspflicht des Schuldners wegen Überschuldung. Ebenso wenig kann aus diesem Grund ein Insolvenzverfahren durch Gläubiger eröffnet werden. Bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gilt diese Insolvenzsperre (mit Ausnahmen) nicht. Anknüpfend an die Vollstreckungssperre beschränkt der Gesetzesentwurf die Möglichkeit zur Beendigung oder Änderung noch zu erfüllender Verträge. Von dieser Vertragsauflösungssperre kann mittels privatautonomer Parteienvereinbarung (mit Ausnahmen, wie z.B.: Nettingmechanismen) nicht abgewichen werden.

6. Werden (Zwischen-)Finanzierungen geschützt?

Ja, durch die vorgesehenen Änderungen der Insolvenzordnung sollen Neu- bzw. Zwischenfinanzierungen sowie bestimmte Transaktionen unter gewissen Voraussetzungen privilegiert werden und in einem späteren Insolvenzverfahren einen (eingeschränkten) Anfechtungsschutz genießen.

7. Gibt es ein vereinfachtes Restrukturierungsverfahren?

Scheitert eine außergerichtliche Sanierung zwischen dem Schuldner und seinen Finanzgläubigern nur an einem oder mehreren "Akkord-Störern" und sind ungeachtet dessen alle erforderlichen Zustimmungsmehrheiten (d.h. mindestens 75 Prozent in der jeweiligen Klasse) gegeben, kann der Schuldner die fehlenden Zustimmungen im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens gerichtlich substituieren lassen.

Vom vereinfachten Restrukturierungsverfahren dürfen nur Finanzgläubiger betroffen sein; darunter fallen sämtliche Forderungen mit Finanzierungscharakter (wie etwa zinstragende Forderungen, Forderungen aus Anleihen, Darlehen von institutionellen Fonds, Gesellschaftern oder Privatpersonen sowie Lieferantenforderungen mit untypisch langen Laufzeiten von mehr als 180 Tagen).

Matthias Schimka

© Roland Unger

Matthias Schimka ist Mitglied des Banking & Finance-Teams von Wolf Theiss. Er ist auf Finanzierung und Restrukturierung spezialisiert und berät Gläubiger (einschließlich Kreditinstitute und andere Finanzinvestoren) und Unternehmensschuldner sowie deren Direktoren in allen Aspekten von Restrukturierungs- und Sanierungsfragen. Schimka war an verschiedenen Veröffentlichungen zum Gesellschafts-, Kapitalmarkt- und Stiftungsrecht beteiligt.


Eva Spiegel

© beigestellt

Eva Spiegel ist spezialisiert auf Insolvenzrecht und Handelsstreitigkeiten. Sie ist Mitglied des Insolvenz- und Restrukturierungsteams von Wolf Theiss und leitet die Insolvenzpraxis. Sie berät regelmäßig Großgläubiger in Insolvenzverfahren sowie beim Schutz und der Durchsetzung von Gläubigerrechten. Darüber hinaus verfügt sie über umfangreiche Erfahrung in der Bearbeitung von Handelsstreitigkeiten und vertritt sowohl nationale als auch internationale Mandanten.

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