Erben und vererben: Bestimmungen für Pflichtteile und Schenkungen

Der Pflichtteil ist jener Teil des Erbes, der nahen Verwandten zusteht. Es gibt jedoch auch Gründe, die Nachkommen davon ausschließen. D.A.S. Partneranwalt Christian Függer erklärt, wann sich der Pflichtteil erhöhen oder minimiert oder gar gestrichen werden kann.

Thema: Rechtstipps
Erben und vererben: Bestimmungen für Pflichtteile und Schenkungen

Auch wenn testamentarisch ein Universalerbe eingesetzt wurde haben nahe Verwandte Anspruch auf einen Pflichtteil. Unter bestimmten Umständen kann dieser jedoch gestrichen werden.

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Was ist ein Pflichtteil?

Ein Pflichtteil ist der Anteil am Wert des Vermögens des Verstorbenen, der dem oder den Pflichtteilsberechtigten zukommt. Dieser verpflichtende Anteil steht einem bestimmten Personenkreis (Pflichtteilsberechtigten) am Wert des Vermögens des Erblassers zu. Diesen Pflichtteilsberechtigten steht aus der Verlassenschaft selbst dann etwas zu, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten testamentarisch jemand anderen zu seinem oder seinen Erben eingesetzt hat.

Bei der Berechnung des Pflichtteils haben sich durch die Reform wesentliche Änderungen ergeben. So wird nicht mehr zwischen Vorschüssen und Schenkungen unterschieden. Davor wurde noch zwischen der Anrechnung von Vorschüssen (Vorempfängen auf den Pflichtteil) und der Pflichtteilserhöhung wegen Schenkungen unterschieden.

Alles, was der Pflichtteilsberechtigte als Erbteil, Vermächtnis oder nach dem Erbfall als Begünstigter einer vom Verstorbenen errichteten Privatstiftung oder vergleichbaren Vermögensmasse erhält, wird auf den Geldpflichtteil angerechnet, wird somit vom Pflichtteil abgezogen. Schenkungen, die der Pflichtteilsberechtigte oder auch ein Dritter vom Verstorbenen zu dessen Lebzeiten oder auf den Todesfall erhalten hat, sind der Verlassenschaft rechnerisch hinzuzurechnen und auf einen allfälligen Geldpflichtteil des Geschenknehmers anzurechnen.


Wer zählt zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten?

Der Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen umfasst die Nachkommen. Das sind Kinder und Kindeskinder, der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Verstorbenen. Außer diesen haben keine anderen Personen einen Anspruch auf einen Pflichtteil.

Kein Pflichtteil steht zu, wenn die betreffenden Personen enterbt wurden oder auf ihren Pflichtteil verzichtet haben.


Wie hoch ist der Pflichtteil?

Die Höhe des Pflichtteils beträgt stets die Hälfte dessen, was einer pflichtteilsberechtigten Person nach der gesetzlichen Erbfolge zusteht. Diese Regelung bestand bereits vor der Erbrechtsreform. Ein Beispiel: Hinterlässt ein Verstorbener eine Ehegattin und zwei Kinder, steht jeder der drei Personen ein Drittel zu. Also der Ehegattin ein Drittel und den beiden Kindern jeweils ein Drittel der Verlassenschaft. Hätte der Erblasser die beiden Kinder in seinem Testament nicht bedacht, würde der Pflichtteil der beiden Kinder die Hälfte des Drittels betragen, also ein Sechstel.

Für den Fall, dass es mehrere Pflichtteilsberechtigte gibt, also mehrere Kinder des Verstorbenen, einem oder mehreren von ihnen kein oder nur ein geminderter Pflichtteil zusteht und auch an ihrer Stelle keine Nachkommen den Pflichtteil erhalten, erhöhen sich die Pflichtteile der anderen Pflichtteilsberechtigten.


In welcher Form ist der Pflichtteil zu leisten?

Es gibt keinen Anspruch auf bestimmte Gegenstände aus der Verlassenschaft, sondern lediglich auf eine Geldforderung gegen den oder die Erben. Der Pflichtteil ist daher in Geld zu leisten, wobei der Pflichtteil auch durch eine Schenkung auf den Todesfall des Verstorbenen oder eine Schenkung unter Lebenden gedeckt werden kann.

Durch Errichtung eines Schenkungsvertrags auf den Todesfall zwischen dem Verstorbenen und der pflichtteilsberechtigten Person kommt es immer wieder dazu, dass dieser pflichtteilsberechtigten Person mit dem Todesfall Vermögenswerte des Verstorbenen zukommen und daher die pflichtteilsberechtigte Person als Geschenknehmer des Schenkungsvertrags mit dem Verstorbenen auf diese Weise ihren Pflichtteilsanspruch abgegolten erhält und so nach dem Tod des Verstorbenen keinerlei Pflichtteilsansprüche mehr geltend machen kann.

Ein Schenkungsvertrag auf den Todesfall ist ein Mittelweg zwischen einem Testament und einer Übergabe zu Lebzeiten. Der Geschenkgeber verspricht darin, nach seinem Ableben einen bestimmten Teil seines Vermögens an den Geschenknehmer zu übertragen. Diese Form der Schenkung ist nur gültig, wenn dazu von einem Notar ein Vertrag aufgesetzt wurde. Der Vertrag ist grundsätzlich auch nicht widerrufbar. Die Schenkung tritt erst mit dem Todesfall ein.


Wie macht man einen Anspruch auf den Pflichtteil geltend?

Ein Anspruch auf den Pflichtteil ist im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens anzumelden. Dieser ist nach Einantwortung, also dem Beschluss, mit dem die Verlassenschaft in den rechtlichen Besitz des oder der Erben übergeben wird, zu erfüllen.

Gerade bei beträchtlichen Verlassenschaften ist es für die Erben oft schwierig, die pflichtteilsberechtigten Personen sofort und vollständig zu befriedigen. Um den Erben die sofortige Befriedigung der Pflichtteilsberechtigten zu erleichtern, sieht die Erbrechtsnovelle nun vor, dass der Erblasser in einer letztwilligen Verfügung den Pflichtteil stunden kann – höchstens aber auf fünf Jahre nach seinem Tod –, oder dieser kann verfügen, dass der Pflichtteil innerhalb dieses Zeitraums in Teilbeträgen gezahlt wird. Sollte der Erblasser keine Stundung verfügt haben, kann der Geldpflichtteil von der pflichtteilsberechtigten Person erst ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen gefordert werden.


Enterbung und Herabsetzung des Pflichtteils

Der letztwillig Verfügende hat noch eine weitere Möglichkeit, bei pflichtteilsberechtigten Personen eine entsprechende Herabsetzung des Pflichtteils vorzunehmen. Dieser kann in der letztwilligen Verfügung den Pflichtteil auf die Hälfte mindern, wenn er und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit oder zumindest über einen längeren Zeitraum vor dessen Tod in keinem Naheverhältnis standen, wie es zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlich besteht. Diese Möglichkeit hat jedoch auch bereits vor dem Erbrechts-Änderungsgesetz bestanden.

Eine Enterbung ist die in einer letztwilligen Verfügung vorgenommene Entziehung des Pflichtteils. Mit der Reform wurden Gründe für eine Enterbung erweitert. Nunmehr gelten auch (vorsätzliche) Straftaten gegen nahe Angehörige des Verstorbenen, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, als Enterbungsgrund, ebenso grobe Verletzungen der Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis. Die Enterbung wäre auch dann möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Verstorbenen zu Lebzeiten im Notstand hilflos gelassen oder ihm gegenüber eine gerichtlich strafbare Handlung mit mehr als einjähriger Strafandrohung begangen hat.

Die „beharrliche Führung einer gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößigen Lebensart“ ist hingegen kein Enterbungsgrund mehr. Zusätzlich wurden durch die Erbrechtsreform auch strengere Vorschriften für die Errichtung fremdhändiger Testamente eingeführt, um Fälschungen zu verhindern oder zumindest zu erschweren.


Pflichtteil und Schenkungen

Als Schenkungen gelten die Ausstattung eines Kindes, der Vorschuss auf den Pflichtteil, die Abfindung für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht sowie die Vermögenswidmung an eine Privatstiftung und sonstige Leistungen. Davon ausgenommen sind Schenkungen, die der Verstorbene aus Einkünften ohne Schmälerung des Stammvermögens zu gemeinnützigen Zwecken aus sittlicher Pflicht oder aus Anstand gemacht hat – es sei denn, der Verstorbene und der Geschenknehmer hätten etwas anderes vereinbart.

Eine Schenkung ist der Verlassenschaft rechnerisch zuzuschlagen. Das bedeutet, dass der Wert der Verlassenschaft mit dem Wert der Schenkung zu addieren ist. Aus dieser Summe wird der Pflichtteil des Berechtigten ermittelt.

Gemäß der Erbrechtsnovelle ist die geschenkte Sache zu dem Zeitpunkt der Schenkung zu bewerten. Dieser ermittelte Wert ist entsprechend dem Verbraucherpreisindex der Statistik Austria an den Zeitpunkt des Todes des Erblassers anzupassen.


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Take Aways
  • Wichtige Bestimmungen zum Pflichtteil
  • Ein Erblasser kann Pflichtteil auf die Hälfte minimieren, wenn kein Naheverhältnis bestand
  • Erblasser kann verfügen, dass Pflichtteil bis zu fünf Jahre gestundet wird oder in Teilbeträgen ausbezahlt wird
  • Strafdaten gegen nahe Verwandte sind ein Enterbungsgrund
  • Den Erblasser in der Not hilflos gelassen zu haben ist ebenfalls ein Enterbungsgrund
  • Der Pflichtteil kann sich erhöhen, wenn einem oder mehreren Pflichtteilsberechtigten kein oder nur ein geminderter Pflichtteil zusteht
  • Eine Schenkung ist der Verlassenschaft rechnerisch zuzuschlagen
  • Eine geschenkte Sache ist zu dem Zeitpunkt zu bewerten, zu dem die Schenkung gemacht wurde.
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