
Die Rache der Journalist:innen ist das Archiv. Das gilt auch für das eigene Schaffen.
Die Welt der Wirtschaft war vor 55 Jahren eine Welt des Mannes. Das schlug sich auch im trend nieder. Ein Streifzug durch das Archiv.
„Die ganze Wirtschaft war eine Männerwelt“, entgegnete trend-Gründer Oscar Bronner in einem Interview zum 50. Jubiläum des Magazins der Kritik, dass in den ersten trend-Ausgaben kaum Frauen vorkamen. Das war gesetzlich gewünscht: Ehefrauen durften bis 1975 ohne Erlaubnis des Mannes weder arbeiten noch Verträge abschließen oder ein Konto eröffnen. Bis 1979 durften Frauen ungleich entlohnt werden.
Dass der trend „auch ein Männermagazin“ war, wie Bronner resümierte, ist mit Blick ins Archiv schwer zu leugnen. Die erste Frau, die im trend abgebildet wurde, war eine barbusige Frau auf dem Schoß ihres Chefs. Die Pointe des Comics ist für 1970 zwar durchaus zukunftsgewandt. Gut gealtert ist er dennoch nicht.
Betont fortschrittlich gab sich der trend damals nicht, er ging mit dem – männlichen – Zeitgeist. Eine Männerrunde war auch die erste trend-Redaktion. Lediglich zwei Frauen – Rosemarie Starlinger in der Dokumentation und Nora Öhler im Sekretariat – waren mit von der Partie. Erst im Frühjahr 1971 fingen die ersten Redakteurinnen beim trend an.
Ob die Abwesenheit von Frauen die einseitige Themenwahl geprägt hat, lässt sich rückblickend nicht belegen – naheliegend ist es. Unter dem Titel „Fleischexport“ wurde in der sechsten Ausgabe über eine Fotoagentur berichtet. Die vielen Fotos der nackten Models nehmen auffällig mehr Platz als der Text ein. Ein erzürnter Leserbriefschreiber kündigte darauf das Abo, weil er der Ansicht war, dass er ein Wirtschaftsmagazin und nicht die „Ausgabe einer pornographischen Zeitschrift“ abonniert habe. Die nackten Frauen der Werbeeinschaltungen und die Inserate für einschlägige Etablissements, in jeder Ausgabe zu finden, störten die männliche Leserschaft wohl weniger.
Wie sich der Blick auf Frauen im trend gewandelt hat
In der elften trend-Ausgabe wurden Frauen zum ersten Mal vom Objekt zum Subjekt. Ein mehrseitiger Artikel widmete sich dem Thema „Frauen-Karriere“ (Untertitel „Die zweite Wahl“). Erschreckend viele Hindernisse, die erwerbstätige Frauen damals beschäftigten, sind immer noch aktuell: die Schwierigkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die fehlende Aufwertung von Care-Arbeit und weiblich dominierter Berufe, der Umstand, dass Männer im Haushalt und in der Kinderbetreuung zu wenig Verantwortung übernehmen. In 55 Jahren hat sich wenig geändert.
Deutlich geändert hat sich jedoch, wie berichtet wird. Im trend kann man zwar auch heute über die Fitnessbranche lesen, Sätze wie jener aus dem Jahr 1986 hätten heute allerdings keine Chance mehr: „Gegen eine voll durchtrainierte Vierzigjährige hat eine Zwanzigjährige auch im Bett keine Chance.“ Der misogyne Satz kommentierte ein Foto der Fitnessikone und feministischen Vorkämpferin Jane Fonda.
Tipps für erfolgreiche Geschäftsanbahnungen gibt es im trend ebenfalls nach wie vor zu finden. Anders als 1988 wird aber keinesfalls der Besuch eines Nachtclubs empfohlen, wo „es auch möglich sein sollte, etwas Zuneigung zu arrangieren, für den Fall der Fälle“. Nachtrag: „Klar, daß so was nur unter der Hand geht.“


So manche Sujets aus 55 Jahren trend können als zeitgeschichtliche Dokumente gesehen werden, würden heute aber nicht mehr gedruckt.
Frauen des Jahres
Der Blick ins Archiv zeigt: Der trend wurde zaghaft, aber stetig progressiver. 1981 wurde mit Helene Partik-Pablé die erste Frau zum Mann des Jahres gekürt. Die Untersuchungsrichterin des AKHSkandals habe die „Last mannhaft getragen“, wurde die Wahl begründet. Sie auch Frau zu nennen und den Titel entsprechend sprachlich anzupassen – offenbar unvorstellbar. Wie dem Editorial zu entnehmen ist, wurde stattdessen diskutiert, das Wort Mann am Cover unter Anführungszeichen zu setzen.
Lediglich vier der bisher 44 Menschen des Jahres waren Frauen (Partik-Pablé 1981, Heide Schmidt 1994, Helga RablStadler 2020, Sabine Herlitschka 2021). Dermaßen gescheitert wie so mancher Mann des Jahres nach seiner Kür ist keine der Frauen.
Zwischen Fortschritt und gläserner Decke
Spätestens ab den 1990er-Jahren begann der trend, Frauen in der Wirtschaft verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken. 1991 wurden zum ersten Mal die 100 erfolgreichsten Österreicherinnen gekürt – von Johanna Dohnal über Hilde Umdasch bis Maria Schaumayer. Der Artikel resümiert, dass Frauen, die an der Spitze ihres eigenen Unternehmens stehen und die Strukturen selbst gestalten, Beruf und Familie eher unter einen Hut bekommen. Frauen, die in „fremden Hierarchien kämpfen“, müssten hingegen „erhebliche Abstriche in ihrem Privatleben machen“. Das lässt sich zumindest als Plädoyer für mehr Repräsentation – und beinahe als Argument für eine Frauenquote – lesen.
Ein Männermagazin ist der trend nicht mehr. Es gibt mehr Redakteurinnen, es wird gegendert, die Inhalte sind progressiver und feministischer. Trotz aller Wegbereiter:innen, Initiativen und Fortschritte sind Österreichs Wirtschaft und die Wirtschaftsberichterstattung jedoch nach wie vor männlich dominiert. Die gläserne Decke besteht – so auch beim trend. Noch fehlt die erste Chefredakteurin oder Herausgeberin der trend-Geschichte.
55 Jahre trend - das Jubiläumsheft
Für die Jubiläumsausgabe anlässlich des 55-jährigen Bestehens hat die trend-Redaktion 55 Legenden aus 55 Jahren gewählt: Menschen, die Österreichs Wirtschaft groß gemacht, Altes aufgebrochen und Neues erfunden haben – und die wieder aufgestanden sind, wenn sie einmal hingefallen sind. Die Porträts lesen Sie hier.
Der Text ist im trend.PREMIUM vom 25. September 2025 erschienen.