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Sichere Rundfunkversorgung

In Kooperation mit der ORS.
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Aktualisiert
Lesezeit
9 min

Norbert Grill ist seit 2008 technischer Geschäftsführer der ORS. Er hat das Studium Regelungstechnik und Automatisierung an der TU Wien absolviert und war zuvor beim ORF in leitenden Funktionen für Digitalisierungsprojekte verantwortlich.

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NORBERT GRILL, technischer Geschäftsführer der ORS, über Rundfunksicherheit, Zukunftstechnologien wie 5G Broadcast und hybride Dienste, die ein neues Fernseherlebnis ermöglichen.

Die Themen Zivilschutz und sichere Informationsversorgung sind heute wichtiger denn je. Wie steht es mit Rundfunk- und Informationssicherheit in Österreich?
Die Terrestrik ist die wichtigste Technologie, um im Krisenfall die Bevölkerung informieren zu können. Die terrestrische Informationsübertragung hat den Vorteil, dass sie durchgehend mit einer Notstromversorgung ausgestattet ist. Das beginnt bei der Quelle, dem ORF-Zentrum, das nahezu autark fahren kann, geht über das Leitungsnetz zu den Sendeanlagen, das eigenständig ist, bis hin zu den Sendern, die alle notstromversorgt sind. So können mindestens 99 Prozent der Bevölkerung Fernsehen und Radio auch bei einem Blackout empfangen. Das ist ­einzigartig. Das lässt sich mit Satellitenempfang nur sehr schwer bewerkstelligen und ist beim Streaming wahrscheinlich gar nicht möglich.

In der Ukraine fiel gleich zu Kriegsbeginn das Mobilfunknetz aus.
Ja, das wurde sofort lahmgelegt. Rund 36 Stunden hat dann noch der Rundfunk in der Ukraine funktioniert. Die ersten Kriegsziele eines Aggressors sind die Informationskanäle. Deswegen haben wir im Rahmen von Hilfsprojekten der European Broadcasting Union über 20 Lkw mit Ersatzteilen und Ausrüstung aus Europa in die Ukraine geschickt, damit so die Informationsversorgung der Bevölkerung gesichert werden kann. Die ORS hat allein 20 Paletten an Senderausrüstung wie Antennenteile, Kabel oder Verbinder geschickt. Da sieht man, wie wichtig die Senderinfrastruktur in Zeiten einer Krise ist. Eine wichtige Informationsquelle ist auch die Kurzwelle. Der ORF sendet damit auch deutschsprachige Informationen in die Ukraine. Mit dem Medium Kurzwelle können Länder versorgt werden, die Tausende Kilometer weit entfernt sind. So ist die Kurzwelle in einigen Staaten heute eine der wichtigsten unabhängigen Informationsquellen.

Wie lange kann in Österreich im Fall eines Blackouts die Bevölkerung mit Informationen versorgt werden?
Die Notstromversorgung der Sender erfolgt über Dieselgeneratoren. Damit können die Sender zehn bis zwanzig Tage autonom senden, bevor die Tanks wieder aufgefüllt werden müssen. Der ORF hat auch den gesetzlichen Auftrag, für 76 Stunden eine Notversorgung zu garantieren. Wir liegen da deutlich darüber. In Zukunft wird es einen ökologischeren Ersatz für den Diesel geben. Da spielt Wasserstoff eine wichtige Rolle.

Die eine Seite ist die Sendeinfrastruktur. Wie kann sich aber die Bevölkerung bestens darauf vorbereiten, selbst in Krisenzeiten die wichtigsten Informationen zu bekommen?
Die Zivilschutzverbände und die Politik weisen immer wieder darauf hin, wie wichtig es ist, ein batteriebetriebenes Radio oder ein Kurbelradio im Haus zu haben. Notfalls kann man sich auch über das Autoradio informieren. UKW-Radio ist in Krisenzeiten einer der wichtigsten Informationskanäle. Künftig können auch Smartphones mit 5G Broadcast gänzlich ohne Mobilfunknetz und SIM-Card Informationen empfangen.

Die Terrestrik ist die wichtigste Technologie, um im Krisenfall die Bevölkerung informieren zu können.

5G Broadcast wurde ja heuer beim Songcontest erstmals zur Übertragung von Live-Inhalten eingesetzt. Was ermöglicht der neue Übertragungsstandard?
5G Broadcast, an dessen Entwicklung die ORS maßgeblich beteiligt ist, ist eigentlich ein zusätzliches Streamingprodukt, mit dem TV- und Live-Inhalte wie etwa Shows oder Sportveranstaltungen direkt über terrestrische Sendeanlagen an mobile Endgeräte übertragen werden können. Damit lassen sich mobile Geräte direkt ohne Mobilfunknetz und SIM-Card bespielen. Dafür ist auch kein Zusatztuner erforderlich. Der mobile Broadcast-Dienst wird einfach in die Chips der Mobilfunkgeräte integriert. Mit Partnern haben wir schon und die Übertragung auf Prototypen Mobiltelefone beim Songcontest getestet, und es hat bestens funktioniert. Dadurch werden die Mobilfunknetze und Datenpakete der Konsumenten entlastet. Und die terrestrische Sendeinfrastruktur bietet wie gesagt eine sehr hohe Ausfallssicherheit.

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Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer beim Besuch des ORS-Senders Lichtenberg LINZ1, der im Krisenfall eine große Region mit Informationen versorgen kann. Er ist einer von über 400 Sendern in Österreich.

© Max Mayrhofer

Die ORS betreibt nicht nur das terrestrische Sendernetz in Österreich, sondern bietet weitere Dienste über ihre technische Plattform. Was wird schon alles geboten?
Gleich vorweg: die junge Bevölkerung konsumiert trotz gegenteiliger Aussagen etwa vom Netflix-Chef noch immer gerne lineares Fernsehen. Rund 40 bis 50 Prozent sehen wöchentlich auch lineares Fernsehen. Live-TV wie etwa bei Formel 1-oder „ZIB“-Übertragungen boomen. Aber man benötigt heute als Satelliten-, Kabel- oder Terrestrikbetreiber ein erweitertes Angebot. Die Kunden wollen Inhalte zeit- und ortsunabhängig konsumieren. Deswegen bietet die ORS auch immer mehr nichtlineare Dienste und Streamingdienste an, damit Zuseher etwa die Formel-1-Übertragung oder die „ZIB“ etwas später anschauen können. Mit unserer technischen Plattform bieten wir diese hybriden Dienste an.

Was versteht man darunter genau?
Wir vereinen die Vorteile der linearen Broadcast-Channels mit ihrer hohen Sicherheit und Qualität mit dem Streaming. Damit können Sendungen später angeschaut oder aufgezeichnet und andere Plattformen wie Netflix genutzt werden. Das Schöne an diesen Hybriddiensten ist, dass beispielsweise ein simpliTV-Kunde mit seiner Box regionales TV und kleine Spartenkanäle abrufen kann, ohne sich darum kümmern zu müssen, ob er gerade Terrestrik, Satellit oder Streaming nutzt. Die ­Programme sind einfach über die Kanalliste mit einer Fernbedienung abrufbar. Die ORS bietet ihre Dienste auch kleineren TV-Veranstaltern an, etwa Printmedien, die Content haben und diesen abrufbar machen wollen.

Was ist bei der ORS in Zukunft noch geplant?
Bei uns steht der Kunde im Zentrum. Seitdem wir auch simpliTV anbieten, achten wir darauf, dass der Kunde ein Gesamtangebot erhält und damit ein Kundenerlebnis, das er von anderen großen Internetplattformen kennt. Nun geht es darum, das simpliTV-Erlebnis immer weiter durch kleine Schritte zu verbessern und um neue technische Dienste zu erweitern. Ein Highlight ist etwa die Kurzzusammenfassung von Sportveranstaltungen, damit ein Zuseher, der den Beginn versäumt hat, schnell in die Live-Übertragungen einsteigen kann. Das planen wir für 2023.

Ein wichtiges Thema für alle Unternehmen ist derzeit der Fachkräftemangel.
Wir positionieren die ORS als „Great Place to Work“ in der Rundfunkbranche und bieten gute, flexible Arbeitsbedingungen mit top Ausstattung, etwa auch für das Homeoffice. Einige arbeiten bei uns auch Teilzeit, um sich so weiterbilden zu können. Ein junger Mitarbeiter studiert etwa in Graz und ist trotzdem fix in einer Wiener Arbeitsgruppe. Unsere Fusion-Teams sind heute schon divers zusammengemixt, und auch englischsprachige Kolleg:innen sind mit dabei. Bei uns arbeitet etwa eine IT-Spezialistin aus der Ukraine in einem Team mit einer russischen Kollegin. Das ist kein Problem, und darauf sind wir stolz.

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