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Mondi-Chef Peter Oswald: "Durchgreifen und alte Zöpfe abschneiden"

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Mondi CEO Peter Oswald
Peter Oswald - CEO des globalen Papierkonzerns Mondi Group.©VGN / Ian Ehm Ian
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Der neue Gesamt-CEO des Papierkonzerns Mondi, Peter Oswald, über die Gefährlichkeit von Wahlslogans, was er von der neuen Regierung erwartet und die Komplexität von Kartonfaltschachteln.

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trend: Seit Kurzem stehen Sie ganz an der Spitze des Konzerns. Wird Mondi nun auch die Firmenzentrale nach Wien verlegen?
Peter Oswald : Die zentrale Holding lag bis vor Kurzem in Südafrika. Und jetzt gibt es drei gleichberechtigte Corporate Offices: London, Johannesburg und Wien. Der Ort, wo Entscheidungen getroffen werden, bleibt London.

Ein Österreicher als CEO bringt also keinen rotweißroten Bonus?
Oswald : In unserem Corporate Office in Wien sind in den letzten Jahren Hunderte hochwertige Arbeitsplätze entstanden, und wir schaffen auch jetzt weitere Arbeitsplätze. Aber wir werden weder den Sitz der Gesellschaften verlagern noch die Börsennotierungen in London und Johannesburg. Und nach meinen Erfahrungen als Aufsichtsrat bei OMV und Telekom muss ich auch ehrlicherweise sagen: Wien als Börsenplatz ist auch nichts, worum man sich unbedingt reißt. Vieles wird hier zu formalistisch gehandhabt. Da gibt es Auslegungen von Vorschriften, die in der Praxis fast nicht zu erfüllen sind, da könnte ich stundenlang erzählen

Das liegt vielleicht daran, dass auch Teile des politischen Österreichs der Börse oder großen Konzernen, vorsichtig ausgedrückt, nicht gerade freundlich gesinnt sind.
Oswald : Ja, absolut. Ich habe auch Bundeskanzler Christian Kern bei einem gemeinsamen Abendessen gefragt, was er mit der Erläuterung seines Wahlspruchs eigentlich meint: Da die braven Steuerzahler, die in die Arbeit fahren, dort viele andere böse Großverdiener und Konzerne, die nichts zahlen? Mondi zahlt alle Steuern, und ich kenne viele Konzerne, die zahlen sie genauso. Natürlich sollte man gegen die, die es nicht tun, vorgehen. Aber man sollte nicht mit dem Feuer spielen und bei den Wählern den Eindruck erwecken, wir lösen unsere Probleme, etwa im Gesundheits- oder Bildungssystem, indem diese wenigen schwarzen Schafe plötzlich Steuern zahlen.

Aber Steueroptimierung in Großkonzernen ist doch auch eine Realität.
Oswald : Ich habe Christian Kern gefragt, was er glaubt, da holen zu können. Er sagte, eine Milliarde Euro. Doch damit kann man einen Haushalt von 170 Milliarden nicht sanieren. Natürlich braucht es Steuergerechtigkeit, und gegen Steueroptimierer muss man vorgehen. Aber es ist etwas anderes, in der Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, dass wir in einem Staat leben, wo einzelne Bürger brav ihre Steuern zahlen und es sich einzelne oben richten können; das ist nicht richtig.

Wahlkampf ist keine Zeit differenzierter Argumente.
Oswald : Offensichtlich will man auch nicht differenzieren. Auch die Aussage des Slogans "Hol dir, was dir zusteht" sehe ich kritisch, weil sie polarisiert und bewusst mit unrichtigen Vorurteilen spielt.

Schlägt sich das wirtschaftsfeindliche Klima bei den Investitionen von Mondi nieder?
Oswald : Wegen einzelner Aussagen ziehen wir nicht aus Österreich ab. Wir müssen damit leben, auch wenn es nicht hilfreich ist. Allerdings: Das Klima ist bei den Menschen vor Ort ein ganz anderes, die verstehen, dass Leitunternehmen wie Mondi Arbeitsplätze schaffen und sichern.

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Peter Oswald - CEO Mondi Group: "Ich habe Christian Kern bei einem Abendessen gefragt, was er mit seinem Wahlspruch eigentlich meint."

© VGN / Ian Ehm Ian

Sie halten sich also lieber an die ÖVP mit Spitzenkandidat Sebastian Kurz, der von vielen in der Wirtschaft auch aktiv unterstützt wird, etwa von KTM-Chef Stefan Pierer?
Oswald : Erstens: Der nächste Bundeskanzler, egal, ob Kern oder Kurz, wird ein sehr kompetenter Bundeskanzler sein, hochintelligent, engagiert. Das ist die gute Nachricht. Es gibt, Gott sei Dank, keine Wahl zum geringeren Übel. Zweitens muss man sich die politische Grundsatzfrage stellen: Will ich in einem Land, das derzeit schon einen sehr starken Staat hat, eine Regierung, die noch mehr Staat will? Oder will ich eine Regierung, die den Staat vernünftig reduzieren will?

Ich kann mir Ihre Antwort auf die Frage unschwer vorstellen ...
Oswald : Anders als Herr Pierer unterstützen wir als Mondi keine Partei. Ich persönlich unterstütze das Programm all jener Parteien, die das Konzept eines schlankeren Staates vertreten, was, glaube ich, den Wohlstand erhöht und mehr Arbeitsplätze schafft.

Sie haben sich schon öfters zu politischen Themen zu Wort gemeldet. Was müsste die nächste Regierung denn konkret erledigen?
Oswald : Meine Wortmeldungen nützen leider wenig. Ich habe mir meine Interviews der letzten zehn Jahre angeschaut: Es ist ernüchternd. Es geht einfach darum, dass wir eine zu hohe Staatsquote haben, zu viele Ausgaben. Und es wird kein Weg daran vorbeiführen, das Wachstum der öffentlichen Ausgaben unterhalb der Inflation zu halten.

Wodurch lässt sich das bewerkstelligen?
Oswald: Zum Beispiel gehört der Föderalismus reduziert. Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, dass sich neun Landtage Gedanken über Bauordnung oder Jugendschutz machen. Oder Beispiel Mindestsicherung: Die ist in NÖ und in Wien anders, und Leute ziehen um, um davon zu profitieren. Das alles schafft Doppelgleisigkeiten und Ineffizienzen. Die neue Regierung soll faktenbezogen durchgreifen und alte Zöpfe abschneiden. Ich glaube auch, dass es dazu kommen wird, weil die Leute nicht mehr bereit sind, übermäßig hohe Steuern zu bezahlen, für die sie eigentlich nur Bürokratie zurückbekommen.

Haben Sie auch aus Sicht des Unternehmens Mondi Reformideen für die neue Regierung?
Oswald : Etwa beim Arbeitszeitgesetz, eine mühsame Sache, die gegen die Interessen der Mitarbeiter geht. Dass man das einhält, ist so etwas von veraltet. Und das betrifft jeden, der nicht eine ganz regelmäßige Arbeitszeit hat, und diese Flexibilität im positiven Sinn wird ja immer mehr verlangt.

Sie investieren jedenfalls in den kommenden Jahren über 800 Millionen Euro in Werke in Osteuropa und Russland. Dagegen nehmen sich die 30 Millionen für die österreichischen Standorte eher bescheiden aus. Zufall?
Oswald: Österreich ist Nummer eins bei Mondi, gemessen an der Höhe des Umsatzes, mit über einer Milliarde. Gerade ein Werk in Korneuburg (Anm.: Niederösterreich) ist im Zukunftsbereich der flexiblen Verpackungen tätig und ist eines der am schnellsten wachsenden. In Zeltweg werden Spezialfolien für Lebensmittelverpackungen hergestellt, mit stark wachsenden Umsätzen. 30 Millionen haben wir nur in Korneuburg investiert, an allen österreichischen Standorten ist es wesentlich mehr. Aber es ist insofern kein Zufall, da Österreich bezüglich der Holzkosten kein guter Standort ist. Und die sind bei Weitem die wichtigsten Kostenfaktoren in unserer Papiersparte.

Und da kann Österreich nicht mithalten?
Oswald: Das liegt eher an der österreichischen Energiepolitik, die Wettbewerb in der Holznutzung durch die Ökostromförderung zugunsten der Biomasseverbrennung verzerrt. Wir sind für marktwirtschaftlichen Wettbewerb, der jene Holzverwendung stärkt, die die meiste Wertschöpfung hat und die meisten Arbeitsplätze schafft. Der Staat sollte keine veraltete und ökologisch höchst fragliche Art der Stromproduktion mit Riesensummen dauersubventionieren. Wobei das ja die Haushalte bezahlen. Das ist ja nichts anderes als eine versteckte Steuer, die nicht in der Steuerquote aufscheint.

Die kleine Ökostromnovelle vor wenigen Wochen hat nichts verbessert?
Oswald : Nein, die Fehlallokation von Kapital wurde noch verlängert, insofern ist es noch schlechter gekommen. Allerdings glaube ich an eine große Ökostromlösung nach der Wahl. Die Bevölkerung zahlt ja mit dem Strompreis die Subventionen mit und will, dass damit Innovationen und Investitionen in erneuerbare Energien gefördert werden und nicht dauersubventioniert wird.

Gerade wegen Erfordernissen des Klimaschutzes könnten aber noch weitere Belastungen auf Mondi zukommen. Stichwort CO 2-Handel oder der Ausstieg aus fossilen Rohstoffen.
Oswald : Erstens: Wir fordern nicht, sondern bringen unseren eigenen Beitrag: Mondi hat den CO 2-Ausstoß von 2004 bis 2016 um 34 Prozent gesenkt; das macht uns so schnell keiner nach. Zum zweiten haben wir Selbstversorgung mit erneuerbarer Energie durch Verbrennung der Biolauge und von Holzresten auf 63 Prozent hochgeschraubt. Einzelne Werke, etwa Frantschach, liegen über 90 Prozent. Weit besser als Österreich als Ganzes übrigens.

Also betrifft Mondi das Pariser Klimaschutzabkommen als eine der wenigen Industrieunternehmen nicht wirklich?
Oswald: Wir helfen durch unsere Bemühungen sogar, das Ziel zu erreichen. Aber ich sehe ein anderes Dilemma: Es kann nicht sein, dass Österreich oder Europa sich höhere Ziele setzen und dann alle anderen nur zuschauen. Dadurch werden die CO 2 Emissionen bestenfalls auf einen anderen Kontinent verlagert. Unter Umständen gibt es dort einem höheren CO 2-Anstieg, wenn es dort weniger strenge Vorschriften gibt. Damit steigt die gesamte Belastung in der Welt. Und -bei uns wurden Arbeitsplätze vernichtet.

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Peter Oswald zum Erfolg von Mondi: "Wir liefern einfach gute und innovative Ideen und höchste Qualität, Tag für Tag."

© VGN / Ian Ehm Ian

Wechseln wir von der Weltpolitik zum Weltkonzern Mondi: Sie haben eben ein erfolgreiches Halbjahr mit stabil hohen operativen Gewinnen vorgelegt. Ein Grund dafür war ein markanter Preisanstieg im Markt. Haben Sie also nur Glück gehabt?
Oswald: Jedes Resultat besteht aus zwei Teilen. Das Marktumfeld, wo man nur versuchen kann, sich in Segmenten zu positionieren, die besser performen. Kurz-oder mittelfristig kann man daran tatsächlich wenig ändern. Der zweite Teil allerdings ist schon unser Beitrag durch viele einzelne Anstrengungen, etwa Produktinnovationen oder verbesserte Ausbildung der Mitarbeiter oder die ersten Schritte in Richtung Digitalisierung. All das hat sich positiv auf Qualität und Kostenstruktur und somit auch auf unser Ergebnis ausgewirkt.

Im Unterschied zu anderen Papierkonzernen wie etwa Sappi mit Druckpapier haben Sie sich stark auf den Verpackungssektor verlegt. Warum?
Oswald: Wir haben vor Jahren prognostiziert, dass der Bereich Verpackung eine bessere Zukunft hat. Denken Sie nur an den boomenden E-Commerce. Wir haben für alle Großen der Branche wie Amazon, Otto, Zalando &Co. innovative Verpackungslösungen entwickelt. Und mit deren Wachstum wachsen auch wir mit.

Ist der Boom nachhaltig?
Oswald: Ja, das ist nachhaltiges Wachstum. Und unsere Produkte aus Papier und Pappe sind ebenso nachhaltig, weil sie sechs-bis siebenmal recycelt werden können, das ist die Zukunft. Auch die dünnwandige Kunststofftechnologie für flexible Verpackung von Mondi ist nachhaltig, weil sie hilft, bis zu 80 Prozent des sonst verwendeten Plastiks oder Glases oder Metalls einzusparen, das heißt weniger Energie-, weniger CO 2-Verbrauch.Ist der Boom nachhaltig? Ja, das ist nachhaltiges Wachstum. Und unsere Produkte aus Papier und Pappe sind ebenso nachhaltig, weil sie sechs-bis siebenmal recycelt werden können, das ist die Zukunft. Auch die dünnwandige Kunststofftechnologie für flexible Verpackung von Mondi ist nachhaltig, weil sie hilft, bis zu 80 Prozent des sonst verwendeten Plastiks oder Glases oder Metalls einzusparen, das heißt weniger Energie-, weniger CO 2-Verbrauch.

Kann man bei Produkten wie Verpackungen noch etwas Neues bringen?
Oswald: Unterschätzen Sie die Komplexität der Thematik nicht. Wir haben etwa achteckige Wellpappeschachteln entwickelt, die sich besser stapeln lassen, ohne einzuknicken, und die Material sparen. Oder Kunststoffbeutel, die sich anfühlen und aussehen wie Papier, inklusive Sichtfenster, damit Kunden den Verpackungsinhalt im Supermarktregal sehen können. Wir haben biologisch abbaubare Kunststoffe aus Kartoffel-und Maisstärke erforscht, die komplett frei sind von fossilen Rohstoffen. Das ist auch der Hauptgrund, wieso Tausende Kunden und weltweite Marktführer wie P&G oder Nestlé mit uns zusammenarbeiten: Wir liefern einfach gute und innovative Ideen und höchste Qualität, Tag für Tag. Und daran könnte sich auch die Politik ein Vorbild nehmen.

Zur Person

Peter Oswald , 55, Betriebswirt und Jurist, begann bei KTM und der Deutschen Bank. 1992 heuerte er bei der österreichischen Frantschach AG an. Der gebürtige Oberösterreicher überführte das über 100 Jahre alte Papierunternehmen 2004 in die Mondi-Gruppe. Seit 2008 hat er die Führung der Europa-Division inne.
Im Frühjahr 2017 wurde zum CEO des Mondi-Gesamtkonzerns ernannt. Er war u. a. Aufsichtsrat bei Telekom Austria, MIBA und OMV.

Nicht von Pappe

Peter Oswald steht einem der größten und innovativsten Papier-und Verpackungskonzernen der Welt vor - mit beeindruckendem Trackrekord.

Die Mondi-Group ist ein weltweit tätiger Verpackungs- und Papierhersteller mit rund 25.400 Mitarbeitern und über 100 Fabriken in mehr als 30 Ländern, neun davon in Österreich (etwa Frantschach, Zeltweg oder Amstetten).

Man bewirtschaftet Wälder, recycelt Altpapier und rittert gegen Biomassekraftwerke um den Rohstoff Holz für die Zellstoffproduktion. Man versorgt sich selbst mit Strom (95 Prozent) und Wärmeenergie (64 Prozent). 79 Prozent des investierten Kapitals gehen in den Bereich Verpackungen - durchaus innovativer Natur. Es geht um Zementsäcke, die nicht nass werden, wiederverschließbare Tierfutterbeutel aus Kunststoff-Papier-Hybridfolien, die nicht umknicken, Sichtfenster-Chipssackerl aus biologisch abbaubarem Plastik, inklusive Etiketten und Dekomaterial, falls das die Kunden (wie etwa Mars, Nestle, Procter & Gamble) wünschen.

Die frühzeitige Entscheidung für diesen Geschäftsbereich bringt dank E-Commerce-Boom und zunehmend komplexeren Lösungen für Konsumgüterhersteller stolze Erträge. Der Umsatz im Halbjahr 2017 stieg um acht Prozent auf 3,5 Milliarden Euro, der Gewinn vor Steuern machte 710 Millionen Euro aus (knapp 20 Prozent Marge). Seit 2013 hat sich der Börsenkurs mehr als verdreifacht.

Das Interview ist im trend 35/2017 erschienen.

Interview

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