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Heini Staudinger lässt grüßen - wo war die FMA bei der SIGNA?

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Angelika Kramer

©Elke Mayr
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Der Fall Signa trifft nicht nur einige wenige vermögende Investoren, sondern den ganzen Finanzmarkt Österreich. Aber wo war die FMA?

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Erinnern Sie sich noch an Heini Staudinger, den schrulligen Schuhproduzenten aus dem Waldviertel, der vor rund zehn Jahren von Kunden, Freunden und Mitarbeitern Geld für sein Unternehmen einsammeln wollte und dem die Finanzmarktaufsicht FMA damals einen Strich durch die Rechnung machte? Das Einsammeln der knapp drei Millionen Euro sei unzulässig, urteilte die Behörde. Zu groß sei die Gefahr, dass Staudinger seinen Geldgebern die Darlehen irgendwann einmal nicht mehr zurückzahlen könne. Der später als "Finanzrebell" betitelte Staudinger, der vor ein paar Jahren auch zur Bundespräsidentenwahl antrat, wurde mit einer Verwaltungsstrafe bedacht, die unkonventionellen "Bankgeschäfte" im Waldviertel wurden ebenso rasch beendet, wie sie begonnen hatten.

Szenenwechsel. Im noblen Palais Harrach auf der Wiener Freyung residiert seit Jahren das Immobilienunternehmen Signa des Tirolers René Benko. Ein Unternehmen, das in den letzten Jahren ein enormes Wachstum hinlegte: Aus einer kleinen Immobilienfirma, die Ende der 90er-Jahre in Tirol ihren Ausgang nahm, wurde ein Imperium mit Luxusobjekten wie dem Park Hyatt oder dem Chrysler Building in New York und schließlich ein riesiger Handelskonzern. Benko drehte ohne Zweifel ein riesiges Rad. Milliarden flossen -von teils dubiosen Geldgebern - in das Unternehmen, Milliarden flossen aus dem Unternehmen in Form von Dividenden an die Investoren wieder hinaus. Dieses Rad hat nun einen gewaltigen Patschen bekommen, Stillstand nicht ausgeschlossen. Aber bis vor wenigen Monaten haben die Finanzaufseher dem Treiben Benkos offensichtlich tatenlos zugesehen, und das, obwohl die potenzielle Gefahr, die von der Signa ausging, eine deutlich höhere war und ist, als sie Staudinger jemals hätte sein können. Wie ist das möglich?

Milliardenschulden

Heute ist von Schulden der Signa von mehr als zehn Milliarden Euro die Rede. Allein in den nächsten drei Jahren müssen vier Milliarden Euro davon getilgt werden, und der langjährige Großinvestor Hans Peter Haselsteiner lässt mit Aussagen wie "Wie schlimm es ist, weiß man noch nicht" aufhorchen. Hier ist ein Milliardenimperium ins Wanken geraten, das nicht nur Finanziers vom Schlage eines Hans Peter Haselsteiner oder eines Roland Berger übel mitspielen kann, sondern auch etliche heimische Banken sowie Anleihegläubiger und Genussrechtsinhaber in Mitleidenschaft ziehen kann.

Nahezu jährlich hat die Signa Prime Genussrechte in beträchtlichem Ausmaß unters Volk gebracht. Und auch an der Wiener Börse notierte eine Anleihe der Signa Prime Capital Market, von der bekannt ist, dass sie von den großen heimischen Versicherungen eifrig gezeichnet wurde. Anders als im Fall Staudinger kann man also sehr wohl davon ausgehen, dass der heimische Finanzmarkt bei einem Fall der Signa in Mitleidenschaft gezogen werden kann.

Ja, es stimmt, es trifft großteils keine Armen, aber müssen institutionelle Finanzinvestoren hierzulande wirklich mit allem rechnen, oder sollten sie sich nicht vielleicht darauf verlassen können, dass eine funktionierende Finanzaufsicht die wichtigsten Systemrisiken im Auge behält? Wenn nicht einmal der "alte Hase" Haselsteiner als einer der größten Gesellschafter der Signa einen Überblick über die gesamte Misere hat, dann ist hier eindeutig etwas aus dem Ruder gelaufen. Einer aufmerksamen Finanzaufsicht hätte schon vor Jahren auffallen müssen, dass hier im Sinne von "too big to fail" ein nahezu unsteuerbares, unübersichtliches Gebilde entstanden ist.

Aufmerksamen Finanzaufsehern hätte auffallen müssen, dass das "Geschäftsmodell Benko" bei einer Zinswende zumindest ins Stottern geraten könnte. Eine aufmerksame Behörde hätte rechtzeitig Fragen stellen, das große Rad wenigstens verlangsamen und den Schaden in Grenzen halten können. Erst vor einigen Monaten, als schon viel aus dem Ruder zu laufen schien, als Galeria Kaufhof in Deutschland zum zweiten Mal Staatshilfe beantragte, wurde die EZB misstrauisch und begann, die Signa- Geldgeber zu überwachen. Eine außergewöhnliche Maßnahme, die wohl auch der späten Reaktion auf die Signa-Probleme geschuldet war.

Nur weil es beim Signa-Niedergang - anders als etwa bei der Pleite der Commerzialbank - keine Kleinen trifft, besteht kein Grund, sich entspannt zurückzulehnen oder gar zur Schadenfreude. Das Beispiel Signa zeigt, dass Unternehmen, die über exzellente Kontakte zur Politik verfügen, es scheinbar auch verstehen, Behörden einzulullen. Wäre die FMA bei der Signa mit ähnlichem Eifer wie bei Staudinger vorgegangen, hätte man das Finanzdesaster wohl in Grenzen halten können. Was hier aber passiert ist, schadet dem Ansehen des Finanzmarkts Österreich. Und damit uns allen.

Leitartikel aus trend. PREMIUM vom 10.11.2023

Signa-Gruppe: Der Zerfall des Immobilien- und Kaufhaus-Konzerns

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