
Christian Harwanegg, Pionier in der Entwicklung von Allergietests, gründete 2016 das Unternehmen MacroArray Diagnostics, kurz MadX.
©Trend/ Lukas IlgnerDer Wiener Molekularbiologe Christian Harwanegg hat mit MADx eine Diagnostikfirma aufgebaut, die das von ihm in Wien entwickelte innovative Allergie-Testsystem in mehr als 100 Ländern weltweit vertreibt. Bis 2030 will der Co-Gründer und CEO zum Weltmarktführer aufsteigen.
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Christian Harwanegg hat fast sein gesamtes Berufsleben einem Thema gewidmet: der Entwicklung von Allergietests. Nach der Promotion in Molekularbiologie startete er beim Wiener Spin-off VBC Genomics, einem Ort, an dem Pioniergeist noch zum Alltag gehörte. Über mehrere Firmenübernahmen landete er schließlich beim Monopolisten für In-vitro-Allergietests. In der österreichischen Niederlassung wurde ihm jedoch schnell klar, dass es dort wenig Raum für echte Innovation gab. „Ich erkannte, dass man in einem großen Unternehmen nie die Möglichkeit haben wird, eine bahnbrechende Idee wirklich umzusetzen“, sagt Harwanegg, den die Aussicht auf Selbstständigkeit schon immer gereizt hatte. 2016 zog er schließlich die Konsequenzen und gründete MacroArray Diagnostics, kurz MadX.
Die ersten sechs Monate arbeitete er alleine in einem Abstellraum in Wien Simmering an seiner Idee eines neuartigen Allergietests, dann stellte er seinen ersten Mitarbeiter ein. Finanzielle Unterstützung erhielt er in der Anfangszeit über AWS-Förderungen und durch den Einstieg eines Business Angels, der auch heute noch an Bord ist. Parallel dazu suchte Harwanegg nach Investoren, aber das gestaltete sich zur Zeit der Gründung eher schwierig: „Damals waren Internet-Startups der große Trend – im Fokus standen Hyperskalierbarkeit und milliardenschwere Exits. Da passten wir nicht ins Schema. Die Diagnostik hat relativ lange Vorlaufzeiten, bis sie profitabel wird.“
Markteintritt nach nur fünf Monaten
Und so blieb ihm zunächst nichts anderes übrig, als das vorhandene Kapital mit Bedacht einzusetzen und jeden Euro gezielt in die Entwicklung, in Geräte und Software zu stecken. Bereits nach fünf Monaten konnte ein Forschungsprodukt am Markt eingeführt werden, mit dem man erste Umsätze erzielte. Das sei nicht viel gewesen, habe aber gereicht, um weitere Mitarbeitende zu finanzieren, erzählt der Gründer. Im Oktober 2017 erfolgte dann der Markteintritt des revolutionären Allergy-Xplorer-Tests, kurz Alex.
Dabei handelt es sich um „den ersten In-vitro-Multiplex-Test“, der in der heute vorliegenden Version anhand von ein paar Tropfen Blut eine breite Palette von fast 300 Allergenen, darunter mehr als 200 molekulare Allergene, hochpräzise untersucht. „Würde man unser Spektrum mit anderen Referenzsystemen testen wollen, wäre das um den Faktor zehn bis 20 teurer und mit der Blutmenge nicht machbar“, sagt Harwanegg, Co-Gründer, Mehrheitseigentümer und CEO von MadX mit Sitz in Wien-Liesing.
Nummer zwei der Blut-Allergietests
Die Firma produziert die Tests nicht nur, sondern bietet eine Komplettlösung aus Software und vollautomatischen Analysegeräten in mehr als 100 Ländern weltweit an. Die jährlichen Wachstumsraten liegen im zweistelligen Bereich. Heuer wird das Unternehmen mit 150 Mitarbeitenden knapp 40 Millionen Euro umsetzen. Damit ist man laut CEO die Nummer zwei am Markt bei Blut-Allergietests. Bis 2030 will man zum Weltmarktführer aufsteigen. „Gelingt uns das, werden wir mehrere Millionen Tests pro Jahr verkaufen – ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg, die Allergiediagnostik weltweit zu verbessern.“
Immerhin leide jeder Fünfte in den USA, in Europa und in Asien unter Allergien. Das bedeute, dass grundsätzlich noch viel mehr Potenzial vorhanden sei, als derzeit abgefragt werde. „Unser Ziel ist es, 99,9 Prozent der Patientinnen und Patienten korrekt zu diagnostizieren. Deshalb haben wir ein Produkt entwickelt, das mit 300 Allergenen das breiteste Spektrum auf dem Markt abdeckt – so kann jeder Allergiker, egal, wo er lebt, im ersten Schritt ein zuverlässiges diagnostisches Ergebnis erhalten“, sagt der CEO.
Herstellung ohne Mixer
Bei der Herstellung der Tests setzt man auf Hightech: Die allergieauslösenden Proteine werden mit Hilfe von Bakterien oder Hefen im Labor produziert – sauber, präzise, kontrolliert. „Dadurch erhalten wir hochreine Substanzen und können sagen: Die Katze ist tatsächlich der Allergieauslöser und nicht die Milben, die ebenfalls im Fell stecken“, sagt Harwanegg. In der immer noch dominierenden Praxis werden hingegen statt Proteinen abgeschabte und in einem Mixer zerkleinerte Katzenhaare als Testmaterial verwendet.
Der Diagnostik-Ansatz von MadX ermöglicht darüber hinaus sehr feine Differenzierungen. Bei Verdacht auf eine Hundeallergie können sich Patientinnen und Patienten gezielt auf die allergieauslösenden Substanzen testen lassen, die nur männliche Hunde produzieren. Reagieren sie ausschließlich darauf, könnten sie im Zweifelsfall immer noch einen weiblichen Hund anschaffen. Bei einer Ei-Allergie lässt sich feststellen, ob man nur auf rohe Eier reagiert, gekochte Eier aber problemlos verträgt.
Neuer Markt in Kanada
Zu den Kunden von MadX gehören renommierte Spitäler wie die Berliner Charité und das AKH, Labore und Ärzte. Der Vertrieb erfolgt über Großhändler und teilweise in Eigenregie. „In Deutschland, UK, USA, Singapur, Skandinavien und Frankreich haben wir nun auch eigene Mitarbeitende vor Ort. Das heißt: Dort ersetzen wir die Vertriebspartner und gehen direkt in die Märkte rein. Das bedeutet mehr Aufwand bei gleichzeitig höherer Profitabilität.“ Wie erfolgreich man in den 100 Ländern jeweils sei, hänge stark von den Abrechnungsmodalitäten ab.
In Deutschland wachse man derzeit am schnellsten. Österreich gehöre eher zu den schwierigeren Märkten. „Die Allergiezentren hierzulande stehen seit Jahren unter massivem Leidens- und Kostendruck, weil die Krankenkassen die Vergütung für In-vitro-Diagnostik von Allergien seit Jahrzehnten kaum anpassen und zudem ein Limit festgelegt haben, wie viel sie zahlen wollen.“ Andere Länder haben vorteilhaftere Bedingungen oder sind größer. In den USA, wo die Zulassung sehr lange dauere, sei man mit einem Forschungsprodukt präsent. Vor Kurzem habe man den Markteinstieg mit dem regulären Testsystem in Kanada geschafft.
Das hohe Wachstumstempo von MadX hat sich mittlerweile herumgesprochen. „Heute rennt uns Private Equity die Bude ein“, sagt Harwanegg, „aber jetzt brauchen wir das Geld nicht mehr. Wir haben einen starken Cashflow und eine hohe Profitabilität.“
