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Andritz auf großer Einkauftour

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Seit Ende März ist Vanessa Hellwing Finanzvorständin bei Andritz.
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Seit Ende März ist Vanessa Hellwing Finanzvorständin bei Andritz.

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Alle paar Monate verkündet der Grazer Technologiekonzern Andritz neue Übernahmen. Finanzvorständin Vanessa Hellwing sieht Chancen für weitere Zukäufe im Bereich Umwelt und Energie, setzt aber zugleich auf eine tiefere Integration der bisherigen Akquisitionen.

Vanessa Hellwing ist eine sehr erfahrene Finanzvorständin. Vor ihrem Wechsel zur börsennotierten Andritz Anfang des Jahres war die gebürtige Deutsche etliche Jahre für deutsche Mittelständler in der CFO-Position tätig, zuletzt für Viessmann Climate Solutions. Bei Andritz kann sie nun auf diese Erfahrungen zurückgreifen, ist aber auch darüber hinaus gefordert: „Eine neue Facette meiner Rolle ist es, Investoren, Analysten und Stakeholdern Rede und Antwort zu stehen und zu erklären, was Andritz ausmacht. Das ist nicht immer ganz einfach, weil wir ein sehr heterogenes Unternehmen sind, das im Laufe der Jahre über sehr viele Akquisitionen gewachsen ist“, sagt Hellwing.

Mit einem Umsatz von 8,3 Milliarden Euro gehört der Grazer Maschinen- und Anlagenbauer zu den großen und komplexen Industrieunternehmen des Landes. Viele sehen in Andritz vor allem einen Papier- und Zellstoffkonzern. Immerhin macht der Bereich einen bedeutenden Teil des Umsatzes aus. Großprojekte wie die Lieferung einer äußerst ressourceneffizienten Zellstoffanlage nach Brasilien gehören zu den prestigeträchtigen Aufträgen. Darüber hinaus sind die Steirer in der Metallverarbeitung tätig, im Bereich Wasserkraft und seit einigen Jahren auch sehr umtriebig bei Umwelt- und Energietechnologien. Erst vor wenigen Wochen feierte man die Eröffnung einer Elektrolyseur-Gigafactory am Standort der Tochter Andritz Schuler in Erfurt, wo künftig grüner Wasserstoff hergestellt wird.

Dass Andritz heute als Schwergewicht der österreichischen Wirtschaft daherkommt, liegt neben dem organischen Wachstum auch an der dynamischen Expansionsstrategie: „Seit 2002 haben wir 88 Akquisitionen erfolgreich durchgeführt. Das sind typischerweise zwischen drei bis sieben Zukäufe pro Jahr“, sagt die CFO. Dabei folgt man klaren Regeln: Von Wettbewerbern lässt man die Finger genauso wie von Unternehmen in Schieflage. Das Management bleibt in der Regel an Bord. Bis 2027 will man es auf neun bis zehn Milliarden Euro Umsatz bringen, Zukäufe inklusive. „Andritz geht das Thema Übernahmen sehr aktiv und strategisch an. Sie schauen, welche spannenden Technologien es am Markt gibt und wie man diese in das Portfolio integrieren kann“, sagt Thomas Hirnschall, Industrieexperte bei Horvath & Partner Management Consulting in Wien.

13 Jahre gewartet

Und der Appetit ist weiterhin groß: Im Februar wurde die Übernahme der US-Firma LDX Solutions bekannt gegeben. Mit dem Anbieter für Technologien und Dienstleistungen zur Emissionsreduktion stärkt Andritz sein Umwelt-Angebot und seine Position in Nordamerika. Zugekaufter Umsatz: rund 100 Millionen Dollar. Nur zwei Monate später tüten die Grazer den Kauf der italienischen Firma A. Celli Paper ein. Der Maschinenbauer, der auch über einen Standort in Shanghai verfügt, erzielt rund 70 Millionen Euro Umsatz. Im Juni folgen dann gleich zwei Übernahmen: Diamond Power International, ein amerikanischer Spezialist für Kesselreinigungssysteme für die Zellstoff-, Papier- und Energieindustrie und die italienischspanische Salico-Gruppe, die mit Töchtern in Großbritannien, den USA und Indien den Geschäftsbereich Metallverarbeitung aufwertet. „Andritz übernimmt gezielt kleine und mittlere Unternehmen zur Stärkung von Portfolio oder Märkten und legt dabei großen Wert darauf, dies zu vernünftigen Preisen zu tun. Ist ein Target noch nicht reif, wartet man geduldig ab, bis es so weit ist“, sagt Daniel Lion, Analyst bei der Erste Group. Im Falle von A. Celli, dem italienischen Maschinenbauer im Bereich Papier, waren es beachtliche 13 Jahre. So lange dauerte es, bis der Eigentümer bereit für den Verkauf war, weil er in Rente gehen wollte.

Als Urheber der Übernahmestrategie gilt Kernaktionär Wolfgang Leitner. „Der ehemalige CEO und heutige Aufsichtsratschef hat die Übernahmestrategie maßgeblich entwickelt und geschärft. Zwar verlief nicht jede Akquisition reibungslos – ich denke da etwa an die Schuler Group –, insgesamt wurden jedoch zahlreiche attraktive Zukäufe realisiert“, sagt Lion. Die Übernahme des US-Papiermaschinenzulieferers Xerium Technologies 2018, eine der drei größten Akquisitionen in der Andritz-Firmengeschichte neben dem deutschen Automobilzulieferer Schuler Group und der österreichischen VA Tech Hydro, ist für ihn ein Paradebeispiel, wie sich Shareholder Value generieren lässt.

Stärkere Integration

In der Vergangenheit habe man die übernommenen Unternehmen größtenteils eigenständig weiterlaufen lassen und den Schwerpunkt auf das Heben technologische Synergien gelegt, erzählt die CFO. „Mit der Größe, die Andritz mittlerweile erreicht hat, ist es notwendig, die Integration zu forcieren und die Komplexität zu reduzieren“, kündigt sie an. Beim deutschen Pressenhersteller Schuler laufe derzeit die SAP-Integration, parallel prüfe man, wie sich administrative Bereiche konsolidieren lassen. Im Rahmen des Rebrandings wurde kürzlich der Name in Andritz Schuler angepasst. Bei Xerium erzählt sie von ähnlich gelagerten Projekten.

Die neue Herangehensweise prägt auch ihren Blick auf künftige Akquisitionen: „Derzeit stehen viele Übernahmeziele auf unserer Liste. Wenn eine Technologie strategisch wichtig ist, kann das ein starkes Argument sein. Trotzdem gilt es auch immer, den Aufwand eines Zukaufs sowie die Integrationskosten realistisch zu bewerten“, sagt die CFO.

Stabile Einnahmen

Strategisch konzentriere man sich derzeit auf eine Steigerung des Servicebereichs. „Daher schauen wir auch bei allen potenziellen Akquisitionen, inwiefern sie dazu einen Beitrag leisten können“, sagt sie. Das Servicegeschäft bei Andritz steht heute für rund 40 Prozent der Erlöse. „Es ist bei Managern und beim Kapitalmarkt gleichermaßen beliebt, weil es für stabilere Einnahmen in unsicheren Zeiten sorgt“, sagt Industrieexperte Hirnschall.

Im Bereich Umwelt und Energie, führt Hellwing weiter aus, gebe es Segmente, wo noch nicht so viel Konsolidierung stattgefunden habe wie bei Papier und Zellstoff oder bei Wasserkraft. Somit habe man dort noch Möglichkeiten, kleinere mittelständische Unternehmen zu kaufen und in das Portfolio zu integrieren, sagt die CFO, die mit einer Ankündigung aufhorchen lässt: „Bei 88 Übernahmen“, erklärt sie, „überprüfen wir natürlich unser Portfolio auch immer wieder, ob wir noch der richtige Eigentümer für diese Unternehmen sind.“ Ein bisschen aufzuräumen, ist somit auch Teil ihrer Agenda.

Andritz in Zahlen

Dieser Artikel ist erstmals im trend.PREMIUM vom 18. Juli 2025 erschienen.

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