
Die Ostöffnung war für viele österreichische Unternehmen ein Sprungbrett zur Internationalisierung, sagt TPA-Experte Thomas Haneder. Doch aus den Billiglohnländern sind mittlerweile Standortkonkurrenten geworden.
TREND: Was hat aus Ihrer Sicht Österreichs Wirtschaft in den vergangenen 55 Jahre besonders beeinflusst?
Thomas Haneder: Die Ostöffnung und die Expansion österreichischer Unternehmen nach Osteuropa waren sicher ein Meilenstein für die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs. Das ist eine absolute Erfolgsgeschichte! Osteuropa bot vielen mittelständischen Unternehmen die Chance, zu einem regionalen oder sogar internationalen Player zu werden. Und da meine ich nicht nur Banken und Versicherungen. Betriebe der Holzindustrie und auch Maschinenbauer haben dort Produktionsstätten errichtet, für andere Produzenten waren es enorme Absatzmärkte. Ohne die Ostexpansion wäre Österreichs Wirtschaftskraft nicht dort, wo sie jetzt steht.
Wie ist das gelungen?
Neben der geografischen und auch mentalen Nähe zu den Ländern Osteuropas war der echte Pioniergeist vieler Unternehmer und Führungskräfte ein wesentlicher Faktor. Sie haben die Chancen dort erkannt und sind als First Mover in diese neuen Märkte gegangen. Auch TPA hat bereits 1993 in Ungarn einen eigenen Standort eröffnet, um mit Klienten mitgehen zu können und diese bei ihrer Expansion zu begleiten. Die Finanzkrise 2008 hat dann diese Euphorie ziemlich gebremst. Aber diese Krise hat auch zu einer Professionalisierung geführt. Die „Goldgräberzeit“ wurde durch klarere Strukturen und verbessertes Controlling abgelöst.
Ohne die Ostexpansion wäre Österreichs Wirtschaftskraft nicht dort, wo sie jetzt steht. Und die Chancen sind weiter gut.
Ist die CEE-Fantasie ausgeträumt, oder gibt es dort noch Chancen?
Mittel- und Südosteuropa sind weiterhin sehr interessante Regionen für österreichische Unternehmen. Auch wenn man gut qualifizierte IT-Fachkräfte für einen Niedriglohn dort nicht mehr findet, sind die Arbeitskosten in vielen Ländern immer noch deutlich günstiger als in Österreich. TPA hat das für eine Studie durchgerechnet: In Österreich bleiben einem durchschnittlichen Angestellten netto 50 Prozent dessen, was das Unternehmen als Arbeitskosten hat. In Bulgarien sind es 67 Prozent, also ein Drittel mehr. Das ist schon ein wesentlicher Unterschied. Und es gibt in Mittel- und Südosteuropa immer noch sehr viele „hungrige“ und leistungsbereite junge Menschen.
Wie sehen Sie die Entwicklung für die kommenden 55 Jahre?
Prognosen für einen so langen Zeitraum abzugeben, ist nicht sehr sinnvoll. Eindeutig ist aber, dass Osteuropa immer noch ein Wachstumsmarkt ist. Der Wohlstand wächst, die Menschen können sich mehr leisten, fahren auf Urlaub ins Ausland. Österreich ist der fünftgrößte Investor in diesen Ländern, das ist eine gute Ausgangsposition. Die Übernahme der Santander Bank Polska durch die Erste Group ist ja ein deutliches Signal für die Attraktivität dieses Marktes. TPA hat in Warschau ein Büro mit 400 Mitarbeitenden, die gut zu tun haben. Umgekehrt sind viele Länder Osteuropas in den vergangenen Jahrzehnten von verlängerten Werkbänken zu ernsthaften Mitbewerbern geworden, das sollten wir nicht unterschätzen.
Was heißt das konkret?
Die Börse Warschau ist mittlerweile anstelle von Wien der wichtigste Finanzplatz der Region, BMW und der chinesische Autohersteller BYD haben als Standort für neue Werke Ungarn gewählt. Da müssen wir aufpassen und unsere Rahmenbedingungen so gestalten, dass Österreich als Standort wettbewerbsfähig bleibt.
Zur Person
Thomas Haneder ist Partner und Mitglied des CEE-Management-Teams bei TPA Steuerberatung und berät Unternehmen beim Markteintritt in Südosteuropa. TPA unterhält Büros in zwölf Ländern Mittel- und Südosteuropas.