
Anna Sporrer, geb. 1962, ist seit März Justizministerin. Sporrer wurde von der SPÖ für das Amt vorgeschlagen. Davor war die Niederösterreicherin mehr als zehn Jahre Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichtshofs. Sie ist ausgebildete Rechtsanwältin.
©WOLFGANG WOLAKJustizministerin ANNA SPORRER über notwendige Einsparungen in ihrem Ressort, Kritik an den hohen Gerichtsgebühren und wichtige Reformen aus ihrem Haus wie etwa das neue Waffengesetz oder ein „Signa-Paket“, das schon weit gediehen ist.
WKStAs werden überall kritisiert, weil sie genau dort hineinstechen, wo es für viele unangenehm ist.
Wenn Sie für die Justiz unbeschränkt Geld hätten, wo würden Sie investieren?
Ich würde beim Gewaltschutz beginnen, sprich: die Gewaltambulanzen weiter ausrollen. Das ist zwar im Regierungsprogramm vorgesehen, aber da gäbe es weiteren budgetären Bedarf. Aktuell haben wir zwei Pilotprojekte für Gewaltambulanzen in Wien und in Graz, und ich hoffe, dass in der Legislaturperiode noch welche dazukommen. Denn es ist ein wichtiges Ziel, dass wir zu einer höheren Verurteilungsrate nach Gewaltfällen kommen. Wichtig wäre mir auch, die Eingangsgerichte, also Bezirks- und Landesgerichte, personell aufzustocken. Ich meine damit nicht nur Richterinnen und Richter, sondern auch Supportpersonal. Ähnliches gilt für die Staatsanwaltschaften. Gerade die Staatsanwaltschaft Wien ist ja mit Großverfahren sehr gefordert. Und natürlich ist auch in den Justizanstalten infolge der hohen Belagszahlen ein hoher Personalbedarf. Wir haben sehr engagierte Leute, aber sie sind auch sehr gefordert.
Aufgrund der schwierigen Budgetsituation werden das wohl fromme Wünsche bleiben. Immerhin soll der Personalstand aber gleichbleiben. Dennoch soll es auch in Folge neuer Aufgaben an allen Ecken und Enden in der Justiz hapern. Ist jetzt mit längeren Verfahrenszeiten zu rechnen?
Wir setzen alles daran, dass das nicht geschieht. Wir sind in Österreich bei den Verfahrensdauern, vor allem bei Zivilverfahren, sehr gut. Das soll so bleiben. Um das zu erreichen, versuchen wir, Verfahrensabläufe zu optimieren. Ich hatte dazu auch schon ein Gespräch mit dem neuen Präsidenten des Handelsgerichts, das ja durch die hohe Zahl an Insolvenzen besonders gefordert ist. Er meint, es wäre machbar, durch verstärkten Einsatz von IT und KI die Verfahrensdauern im Rahmen zu halten. Dazu ist auch wichtig, die elektronische Verfahrensführung – Stichwort Justiz 3.0 – weiter auszurollen.
Gleich viel Personal muss also in den nächsten Jahren in der Justiz mehr arbeiten. Aber wie ist das mit der Vorstellung der SPÖ vereinbar, die Arbeitszeit zu verkürzen?
Bei Richtern und Richterinnen gibt es freie Zeiteinteilung. Das kann dennoch phasenweise zu hoher Belastung führen, natürlich. Ich weiß auch, dass es etwa bei der Justizwache Überstunden gibt. Das geht natürlich auf Dauer nicht, wir versuchen das Problem aber mit Personalumschichtungen zu lösen.
Sind Sie grundsätzlich für eine Arbeitszeitverkürzung?
Das ist in diesem Regierungsprogramm kein Thema.
Wo wollen Sie in Ihrem Ressort konkret sparen?
Ein Bereich soll die Erwachsenenvertretung sein. Nein, es gibt keine Einsparungen bei der Erwachsenenvertretung, aber wir können auch nicht ausweiten. Gerade die Zahl der vertretenen Personen nimmt stark zu. Diesen steigenden Bedarf kann ich aktuell nicht durch mehr Geld abdecken. Sogenannte „Clearings“ im Rahmen der Überprüfung der Erwachsenenvertretung sollen also künftig nicht obligatorisch, sondern nur mehr fakultativ, wenn es notwendig ist, stattfinden. Außerdem bitten wir Anwälte und Notare einen Anteil an Fällen zu übernehmen. Das gab es vor ein paar Jahren schon. Jede Kanzlei soll bis zu fünf Erwachsenenvertretungen pro Jahr übernehmen. Gerade dort, wo rechtliche Fragen zu klären sind, sollen die Rechtsberufe stärker eingebunden werden.
Sie wollen auch die Gerichtspraxis verkürzen. Halten Sie das für klug?
Sie soll von sieben auf fünf Monate verkürzt werden. Wir verkürzen zwar die Zeit, die Qualität der Ausbildung soll aber nicht leiden. Ich denke, die Erprobung der Rechtskenntnisse in der Praxis lässt sich auch in fünf Monaten gut bewerkstelligen. So eine Maßnahme hat es schon einmal gegeben. Als wir diese Verkürzung vor ein paar Jahren hatten, konnten wir bei den Übernahmewerbern keinen Qualitätsabfall feststellen.
Wo wollen Sie sonst noch sparen?
Wir wollen in der IT von teuren Lizenzprodukten auf Open-Source-Produkte umsteigen. Da sparen wir zehn Millionen Euro im Jahr. Und einige Bauprojekte werden aufgeschoben. Und die ohnehin schon lange geplante Ausweitung der elektronischen Fußfessel wird Einsparungen bringen.
In welcher Höhe?
Wir rechnen jährlich mit rund 150 zusätzlichen Häftlingen in dieser Vollzugsform. Das sollte etwa eine Million Euro bringen.
Die Anwälte sind sehr erbost über die Erhöhung bei den Gerichtsgebühren um 23 Prozent. Ging das nicht anders?
Mir waren da die Hände gebunden, und die Erhöhung stand auch nicht im Zusammenhang mit dem Budget. Die Gerichtsgebühren steigen mit dem Verbraucherpreisindex. Das ist gesetzlich so geregelt. Die Erhöhung wurde zwei Mal wegen Corona verschoben, danach wurde vom Parlament keine andere Regelung getroffen, etwa durch einen Initiativantrag. Als ich das Amt angetreten habe, hatte ich keinen Spielraum mehr.
Sollte die automatische Valorisierung der Gerichtsgebühren Ihrer Meinung nach bestehen bleiben?
Ich halte die Valorisierung schon für notwendig. Über eine Deckelung kann man diskutieren. Auch mein Haus evaluiert die Gebührenstruktur laufend, aber eine Deckelung ist aktuell nicht geplant.
Haben Sie die Befürchtung, dass sich die hohen Gebühren auf den Zugang zum Recht nachteilig auswirken werden?
Für Personen, die die Gerichtsgebühren nicht bezahlen können, gibt es Verfahrenshilfe. Was wir beim Gewaltschutz vorhaben, ist, dass bei einstweiligen Verfügungen oder Wegweisungen künftig die Täter die Gerichtsgebühren zahlen sollen.
Sollten die Gerichtsgebühren zweckgewidmet werden?
Das Geld hat ja kein Mascherl. Ich bekomme die 2,4 Milliarden Euro für das Justizressort aus dem Staatshaushalt.
Der Ministerrat hat ein neues Waffengesetz beschlossen. Was war Ihnen dabei am wichtigsten?
Nach dieser Tat in Graz bleibt man fassungslos zurück. Wir sind dazu da, Verantwortung zu tragen, und das tun wir hiermit. Wir verschärfen das Waffengesetz. Neben den bekannten Maßnahmen wie Altersanhebung für Waffenbesitzer, Datenaustausch und ausgeweiteten psychologischen Tests war mir wichtig, dass man auch ein vorläufiges Waffenverbot bei Einleitung eines Strafverfahrens wegen Gewalt im sozialen Nahraum, also vor allem Gewalt gegen Frauen und Kinder, verhängen kann. Das ist ein großer Fortschritt im Gewaltschutz.
Wie sehr haben die Regierungsparteien da an einem Strang gezogen?
Wir waren uns alle darüber völlig einig, dass es eine rasche Antwort und scharfe Maßnahmen braucht. Nach so einer schrecklichen Tat kann man nicht zur Tagesordnung übergehen
Eines der wichtigsten Vorhaben der Regierung ist die Bundesstaatsanwaltschaft. Wie weit ist man da mit den Plänen?
Wir sind an der legistischen Ausarbeitung.
Wird sie noch heuer eingerichtet werden?
Eingerichtet in dem Sinne, dass schon Akten dort landen, wird sich für heuer wahrscheinlich nicht mehr ausgehen, aber das Konzept sollte heuer schon stehen.
Planen Sie Veränderungen bei der WKStA (Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft), die ja auch immer wieder im Zentrum der Kritik steht?
WKStAs werden überall kritisiert, weil sie genau dort hineinstechen, wo es für viele unangenehm wird. Ich stehe vollkommen hinter der WKStA. Korruptionsbekämpfung und Amtsmissbrauch sind keine einfachen Delikte. Darauf muss man als Staat klare Antworten geben. Um die Verfahren zu verkürzen, arbeiten wir an der Vereinfachung der Berichtspflichten. Den Weg werden wir weitergehen.
Der Fall Signa hat bislang keine rechtlichen Konsequenzen nach sich gezogen. Sehen Sie da Handlungsbedarf ?
Gerade bei der Bilanzverschleierung muss etwas geschehen, etwa eine deutliche Erhöhung der Strafen. Einige Unternehmen zahlen die Strafen aus der Portokasse. Da wird eine klare Antwort von uns kommen. Der Entwurf ist bereits in Koordinierung.