
CARMEN THORNTON und JOHANNES KAUTZ über ihre Kanzleipartnerschaft, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, den Reformbedarf im Pensionsrecht und beim Verschuldensprinzip.
TREND: Sie kommen beide aus verschiedenen juristischen Fachgebieten. Wo liegen die Stärken Ihrer Kanzlei durch Ihre gemeinsame Zusammenarbeit?
Carmen Thornton: Johannes kümmert sich um die wirtschaftsrechtlichen Aspekte und ich mich um die privaten Aspekte unserer Mandant:innen. Und ich versuche, unseren Mandant:innen auch emotional zur Seite zu stehen. Ich verstehe mich auch als Krisenhelfer und gebe bei einer Scheidung auch Unterstützung auf dem Weg in ein neues Leben.
Abseits vom Familienrecht ist Ihre Kanzlei auch im Wirtschaftsrecht aktiv.
Johannes Kautz: Ja, das ist mein Beratungsschwerpunkt. Ich verstehe mich als Trusted Advisor. Um Unternehmen gut beraten zu können, ist es wichtig, ihre strategische Ausrichtung zu kennen, um juristische Risiken schon im Vorfeld zu identifizieren und entsprechend zu vermeiden. Zu meiner Leidenschaft zählt auch das Prozessrecht. Es macht mir Spaß, vor Gericht zu verhandeln und das beste Ergebnis für unsere Mandant:innen zu erzielen.
Wen vertreten Sie vor Gericht vorwiegend?
Kautz: Ich vertrete größtenteils Unternehmen in arbeits- und wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten. Privatpersonen vertrete ich in erbrechtlichen Verfahren.
Sie haben darüber hinaus aber noch eine besondere Beratungstätigkeit. Kautz: Ich habe auch eine Spezialisierung im Betriebspensions- und Pensionskassenrecht. Dieses Thema betrifft besonders große Unternehmen. Ich darf seit rund zehn Jahren eines der führenden Unternehmen in diesem Bereich betreuen.
Wo liegen dann Ihre Gemeinsamkeiten?
Kautz: Unsere Schnittstellen liegen bei Unternehmerscheidungen.
Thornton: Trennungen führen oft zu wirtschaftlichen Krisen und unternehmerischen Veränderungen. Auch die Einbindung von Banken für Finanzierungen ist dabei ein wichtiges Thema. Große gemeinsame Expertise haben wir aber auch im Erbrecht und bei Unternehmensweitergaben.
Führen Trennungen wirklich gleich zu Krisen von Unternehmen?
Thornton: Es muss nicht gleich eine Unternehmenskrise dadurch ausgelöst werden, schließlich ist das Unternehmen selbst von der Aufteilung ausgenommen. Aber bei Trennungen treten komplexe Fragen auf: Wie geht man mit Kreditbelastungen für eine Wohnung um? Wer übernimmt nun die Zahlungsverpflichtungen? Kann ein Partner bei einer Trennung ausbezahlt werden? Diese Fragen zu lösen ist oft nicht so einfach.
Wann werden Sie bei Ehekrisen von Mandant:innen kontaktiert?
Thornton: Das ist unterschiedlich. Generell kann man sagen, dass, je mehr Vermögen vorhanden ist, desto eher wird auch schon vorausschauend geplant. Den Menschen ist da bewusst, dass sie sehr viel verlieren können. Aber die meisten kommen erst, wenn es brennt.
Oft ist der Grund für eine Scheidung der Fehltritt eines Ehepartners. Ist das noch zeitgemäß, dass daraus derartig folgenschwere rechtliche Konsequenzen gezogen werden?
Thornton: Hier gibt es einen dringenden Reformbedarf. Die derzeitigen Regeln mit der Verschuldensfrage gleichen einem Roulettespiel mit der eigenen Existenz. Man führt jahrzehntelang eine gute Ehe. Dann passiert, aus welchen Gründen auch immer, ein kleiner Fehltritt, der wird dann auch noch dokumentiert, und man verliert seine Existenzgrundlage und den nachehelichen Unterhaltsanspruch.
Und wenn der Fehltritt schon sehr bald nach der Trauung passiert?
Thornton: Dann ist man bei einer Scheidung mit lebenslangen Unterhaltszahlungen konfrontiert. Das kann doch nicht sein. Es müsste viel mehr in Richtung eines bedarfsorientierten Unterhaltsanspruchs gehen. Da können verschiedene Faktoren einfließen. Etwa die Dauer der Ehe, ob es Kinder gibt oder nicht, ob jemand Betreuungspflichten für gemeinsame Kinder übernommen hat. Nicht zuletzt muss die gesamte pensionsrechtliche Thematik neu geregelt werden. Es gibt ja in Österreich kein automatisches Pensionssplitting. Das muss man aber mitbedenken, wenn der Unterhalt neu geregelt werden sollte.
Wie schätzen Sie die Chancen für diese Änderungen bei der Regierung ein?
Thornton: Es steht im Regierungsprogramm, dass es hier Änderungen geben wird. Das wäre notwendig und an der Zeit, dass das Verschuldensprinzip abgeschafft wird. Wie die neue Regelung aussehen wird, ist aber noch offen.
Wie sieht das derzeit bei den pensionsrechtlichen Fragen aus?
Kautz: Derzeit ist es so, dass Anwartschaften aus einer privaten Pensionsvorsorge bei einer Scheidung nicht aufgeteilt werden. Wenn aber der Unterhaltsanspruch wegfällt, weil ein Ehepartner sich um die Kinder gekümmert hat und diese Anwartschaften nicht erworben hat, kommt es zu extremen Benachteiligungen. Da müsste sich der Gesetzgeber etwas überlegen, wie man das ausgleichen kann.
Was schlagen Sie vor?
Kautz: Man könnte zum Beispiel ein gemeinsames Pensionskonto einführen. Da könnte es dann gesetzliche Regelungen geben, dass die Anwartschaften im Fall einer Scheidung geteilt werden.
Sie sind Experte im Betriebspensions- und Pensionskassenrecht. Sehen Sie hier auch Handlungsbedarf?
Kautz: Im Regierungsprogramm ist die Einführung eines Generalpensionskassenvertrag vorgesehen. Das bedeutet, dass die Abfertigung neu in eine Pensionskasse übertragen werden kann, um daraus eine lebenslange Pension zu bekommen. Dies war bisher nur für Personen möglich, die schon eine betriebliche Pensionsvorsorge hatten, also meist für Mitarbeiter in größeren Betrieben. Das soll jetzt für alle ermöglicht werden. Das wäre eine sehr wichtige Neuerung, und ich hoffe, dass sie umgesetzt wird.
Sie waren beide zuvor in Großkanzleien. Welche Vorteile bringt Ihre kleinere Kanzleipartnerschaft?
Thornton: Die Flexibilität, die wir beide hier genießen, ist von unschätzbarem Wert. Wir möchten Zeit für unsere Kinder, unsere Familie haben, und das ist in unserer Kanzleipartnerschaft viel besser möglich als in einer Großkanzlei.
Sie gehen auch bei der Kanzleistruktur neue Wege?
Thornton: Ja, wir möchten unsere Kanzleistruktur so schlank wie möglich halten und sowohl zeitlich als auch örtlich flexibel sein. Daher haben wir keine eigenen Mitarbeiter und ein Shared Office, bei dem von den Räumlichkeiten bis zum Backoffice alles von einem externen Anbieter organisiert wird. Das ist bei angloamerikanischen Kanzleien unserer Größe bereits gang und gäbe.
Wie hilft Ihnen die Digitalisierung?
Kautz: Gerade weil wir keine zusätzlichen Mitarbeiter haben, sind für uns Legel-Tech-Tools unerlässlich. Recherchen, Vorbereitungsarbeiten für Prozesse erfolgen bei uns KI-unterstützt. So können wir uns ganz auf unsere eigentliche Arbeit konzentrieren.
Thornton: Gerade im Familienrecht kommt es aber auch auf eine sehr persönliche und individuelle Prozessführung an. Wir richten unsere Strategie auch auf die jeweiligen Richter und Richterinnen aus. Es ist auch wichtig, die Prozessparteien zu kennen und die Verhandlung dementsprechend aufzubauen. Wir kalkulieren in unsere Strategie auch ein, wer den Gegner vertritt.
Geht Ihre Partnerschaft auch über die Kanzleipartnerschaft hinaus?
Thornton: Zuerst waren wir nur privat zusammen. Dann haben wir gesagt, in einer Ehe wirtschaftet man ja ohnehin für das Gemeinsame. Und so haben wir unsere gemeinsame Kanzlei gegründet. Wir ergänzen uns inhaltlich und fachlich sehr gut.
Empfehlen Sie Ihren Klienten, einen Ehevertrag abzuschließen?
Thornton: Wenn es Kinder aus einer früheren Ehe gibt, empfehle ich meist, einen Ehevertrag abzuschließen. Damit kann man absichern, dass Vermögenswerte bei einer Scheidung auch den Kindern aus der früheren Beziehung zukommen. Auch wenn ein Ehevertrag unromantisch wirkt, macht es Sinn, sich vor der Trauung zu überlegen: „Was wollen wir, welche finanziellen Ziele haben wir?“ Und da hilft ein Ehevertrag oft, sich darüber klarer zu werden.
Haben Sie einen Ehevertrag?
(Beide lachen.) Thornton: Nein, wir haben ja die Kanzlei gemeinsam.
Kautz: Wir sind „all in“ gegangen. Da darf nichts schiefgehen. Und es wird bei uns auch nichts schiefgehen.
Zu den Personen:
Carmen Thornton verbrachte die ersten Jahre ihrer Karriere bei Großkanzleien wie CMS oder Natlacen Walderdorff Cancola in Warschau.
Johannes Kautz startete seine juristische Laufbahn bei Preslmayr Rechtsanwälte und war danach zehn Jahre bei DLA Piper. Gemeinsam gründeten sie die Kanzlei Thornton & Kautz Rechtsanwälte.