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„Wir bräuchten bessere Regeln zur Insolvenzprophylaxe“

IN KOOPERATION MIT GRAF ISOLA
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 © Christian Jungwirth, beigestellt (2)

Stefan Weileder, David Seidl und Katharina Weiß.

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Die Insolvenzrechtsexperten der Kanzlei Graf Isola, Stefan Weileder, David Seidl und Katharina Weiß über Hürden bei der Restrukturierung von Konzernen.

Trend: Ihre Kanzlei ist als Schuldnervertreter in die Aufarbeitung der Signa-Pleite involviert. Welche Erfahrungen brachte die Abwicklung?

Stefan Weileder: Es fängt einmal mit dem Fehlen eines materiellen Konzerninsolvenzrechts an. Der nationale Rechtsrahmen ist dadurch geprägt, dass jeder im Konzern eingesetzte Geschäftsleiter für die von ihm geführte Gesellschaft isoliert prüfen muss, ob ein Insolvenzgrund vorliegt. Wenn das der Fall ist, muss er insolvenzrechtliche Maßnahmen in Bezug auf die jeweilige Gesellschaft treffen. Eine Art „Automatic Stay“ für den Gesamtkonzern gibt es nicht.

Worauf ist bei Restrukturierungen im Konzern besonders zu achten?

David Seidl: In Finanzierungsverträgen finden sich häufig „Cross-Default-Regelungen“, die Kündigungsrechte bei Finanzierungen anderer Konzerngesellschaften auslösen können. Darüber hinaus bestehen in der Regel auch Haftungsbrücken aus Patronatserklärungen, Garantien und dergleichen. Solche Risiken müssen im Vorfeld konkreter Restrukturierungsverhandlungen untersucht und möglichst eingegrenzt werden.

Ihr Wunsch an den Gesetzgeber?

Stefan Weileder: Vielfach scheitern außergerichtliche Restrukturierungen am Ablauf der nicht verlängerbaren 60-tägigen Insolvenzantragsfrist. Angelehnt an eine entsprechende Privilegierung in der Restrukturierungsordnung könnte für Konzernrestrukturierungen eine konzernweite Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung angedacht werden. Als flankierende Maßnahme könnte eine Art Konzern-Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden, der die Gläubigerrechte konzernweit im Auge behält. Das Ganze sollte sich natürlich in einem nicht öffentlichen Verfahren abspielen.

Wo hakt es bei der gerichtlichen ­Restrukturierung?

Katharina Weiß: In Deutschland gibt es einen eigenen Gruppen-Gerichtsstand. Alle Insolvenzverfahren, beispielsweise der deutschen Signa-Gesellschaften, sind bei einem Gericht ­anhängig und auch nur einer Verwalterkanzlei zugewiesen. In Österreich gibt es das nicht. Bei Signa gibt es meines Wissens mehr als 20 unterschiedliche Insolvenzverwalter, die mit der Abwicklung von österreichischen Konzerngesellschaften betraut sind. Ohne Zugriff auf ausgelagerte Stabsstellen, wie beispielsweise Buchhaltung und IT, kann es dabei zu echten Informationsdefiziten kommen.

Gibt es weitere Schwierigkeiten für Verwalter und Management?

David Seidl: Die Verwalter einer Konzernobergesellschaft haben Interesse daran, in den Untergesellschaften Geschäftsführer ihres Vertrauens einzusetzen. Der OGH hat das mittlerweile unterbunden. Die Verwalter sind daher jedenfalls auch von der Kooperation der Organe der Schuldnerin abhängig.

Stefan Weileder: Satzungen bzw. Geschäftsordnungen sehen nicht selten vor, dass bestimmte Geschäfte bis hinauf zum Aufsichtsrat oder gar von der Gesellschafterversammlung der Konzernobergesellschaft zu genehmigen sind. Ob dieses Zustimmungserfordernis durch die Zustimmung des Insolvenzverwalters der Konzernobergesellschaft ersetzt oder nur zu ergänzen ist, lässt sich oft nur anhand des konkreten Geschäfts beantworten. Gerade wenn Insolvenzverwalter und Schuldnerin nicht mit einer Zunge sprechen, kann es zu er­heblichen Unsicherheiten kommen.

Was sind nun die Quintessenzen aus der Restrukturierungspraxis?

Stefan Weileder: Bei komplexen Konzernrestrukturierungen mit einer Fülle von Wechselwirkungen wäre in der Insolvenzprophylaxe etwas mehr Flexibilität wünschenswert. Eine Art „Automatic Stay“ bzw. eine befristete Aussetzung von Insolvenzantragspflichten ­wegen Überschuldung könnte dabei ­helfen, Kollateralschäden für Konzern und Gläubiger zu vermeiden.

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