Trend Logo

Verkehrsminister Hanke: „Was ich vermisse, ist ein optimistischer Zugang nach vorne“

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
14 min

Bundesminister Peter Hanke

©LUKAS ILGNER
  1. home
  2. Aktuell
  3. Politik

Peter Hanke ist als Minister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur zuständig. Im trend-Gespräch erklärt der Wiener SPÖ-Politiker die Linien seiner Amtsführung, wie er Wirtschaft und Forschung besser verzahnen will und warum im Bereich der Industrie ein Umdenken nötig ist.

von

trend.

Herr Hanke, können Sie uns erklären, warum diese Koalition jetzt so harmonisch und mehr oder weniger ohne Streit funktioniert?

Peter Hanke

Kann ich. Die Harmonie hat Zeit gebraucht. Das war in der ersten Verhandlungsrunde Ende des vergangenen Jahres so noch nicht absehbar. Der Bundespräsident hat mit seinem Hinweis, man möge Brücken bauen, eine erhebliche Rolle gespielt. Dazu haben die blau-schwarzen Verhandlungen viele auch wachgerüttelt. Nach fast zwei Monaten kann ich mit Fug und Recht sagen: Die Koalition funktioniert derzeit wirklich sehr gut.

trend.

Ist es auf Dauer mehr als eine Anti-Kickl-Koalition?

Peter Hanke

Es geht nicht um Herbert Kickl, es geht um Österreich. Es geht darum, im dritten Jahr der Rezession alles zu unternehmen, um Österreich nach vorne zu bringen. Diese Erkenntnis ist bei den Sozialpartnern, bei den Regierungsmitgliedern und Staatssekretären voll angekommen.

trend.

Ist Herbert Kickl entzaubert?

Peter Hanke

Ich glaube, ja. Seine Hochblüte ist vorbei.

trend.

Das heißt, Budgetdesaster und Wirtschaftskrise schweißen auf Dauer zusammen.

Peter Hanke

Ja, sanieren ist angesagt. Das haben wir uns vorgenommen und das ist alternativlos. Wir haben ein klares, gemeinsames Bild der Lage. Jeder unterstützt das.

trend.

Eigentlich müsste die SPÖ die ÖVP und die Grünen doch täglich für das hinterlassene Schlamassel verdammen.

Peter Hanke

Auch hier gilt die Erkenntnis: Dinge, die in der Vergangenheit passiert sind, sind jetzt einmal zur Kenntnis zu nehmen. Es ist nicht gut, die Welt permanent im Rückspiegel zu betrachten. Wir blicken nach vorne.

Zur Person

trend.

Gut. Wie kommen wir aus der längsten Rezession seit 1945 wieder heraus?

Peter Hanke

Indem wir auf bekannte Stärken setzen. Wir haben eine Vielzahl an Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen, die auf hohem Niveau liefern. Es geht um eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Stakeholder. Die Mobilitäts- und die Energiewende beispielsweise bieten auch Chancen.

trend.

Sie leiten ein Superministerium mit Innovation, Mobilität und Infrastruktur. Was ist bei Ihnen einzusparen?

Peter Hanke

Es ist noch zu früh, um seriöse Zahlen zu nennen. Generell ist das eine knifflige Aufgabe, da wir als Standortministerium über gezielte Investitionen auch eine wichtige Rolle für die Ankurbelung der Konjunktur spielen. Wir sind in der Abstimmungsphase mit dem Finanzminister und suchen nach Möglichkeiten, kostspielige Projekte um ein oder zwei Jahre nach hinten zu schieben.

trend.

Welche wären das?

Peter Hanke

Nicht böse sein, das will ich niemandem über die Medien ausrichten.

trend.

Eine Ihrer Hauptaufgaben wird sein, gemeinsam mit Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer und Entbürokratisierungsstaatssekretär Sepp Schellhorn eine neue Industriestrategie für Österreich zu entwickeln. Können Sie diese schon skizzieren?

Peter Hanke

Wolfgang und ich …

trend.

… Sie sind schon per Du?

Peter Hanke

Ja, das ist auch ein gutes Zeichen, wie ich finde.

trend.

Sind schon alle in der Regierung per Du?

Peter Hanke

Das weiß ich nicht, ich bin ja nicht für die Gruppenanimation zuständig. Zurück zu Ihrer Frage: Wir werden unsere Stärken genauso wie unsere Problemfelder definieren. Ich möchte bewusst einen neuen Schwerpunkt auf Innovation legen. Forschung und Technologie sind das Zugpferd für die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Österreich. Eine Studie zeigt, dass ein Euro öffentlicher Mehrausgaben für Forschung, Entwicklung und Innovation zu einem langfristigen BIP-Zuwachs von etwa sechs Euro führt. Das bedeutet daher die Definition von Spitzenfeldern und Schlüsseltechnologien, in denen Österreich Exzellenz anstrebt. Wir können nicht in allen Bereichen führend sein, daher konzentrieren wir uns auf jene Felder, in denen Österreich bereits große Stärken besitzt. Dazu zählen neben künstlicher Intelligenz, Mikro- und Nanoelektronik auch die Umwelttechnologien Green Tech und Clean Tech, Quantentechnologie sowie Bereiche mit hoher Wachstumsdynamik wie etwa der Weltraum. Es ist unser Ziel, Österreich langfristig als europäisches Zentrum für Innovation und Digitalisierung zu etablieren. Mit der „FTI-Strategie 2030“ wollen wir im European Innovation Scoreboard unter die Top-fünf- und im Global Innovation Index unter die Top-zehn-Länder kommen. Das ist die Basis dafür, den Standort wieder nach vorne zu bringen.

trend.

Sie geben das Stichwort: Die Industrieproduktion in Österreich schrumpft seit zwei Jahren, Unternehmer wie Industriellenvereinigung klagen über zu hohe Lohnkosten, zu hohe Energiekosten und zu viel Bürokratie.

Peter Hanke

Wir brauchen auch im Bereich der Industrie ein Umdenken. Nicht alles kann auf Regierungsebene entschieden werden, man muss auch auf unternehmensinterne Prozessentwicklungen setzen. Die neuen Technologien bieten da viele Ansätze. Ich habe momentan das Gefühl, dass ein Stück weit immer über die Vergangenheit und über die aktuelle Situation – teilweise zu Recht – sehr, sehr kritisch gesprochen wird. Was ich vermisse, ist ein optimistischer Zugang nach vorne. Da muss jeder von uns, vom Unternehmer, vom Investor bis hin zum einzelnen Bürger, seinen Beitrag liefern. Österreich ist Industrieland, und wir wollen, dass das so bleibt. Es soll und darf keine Deindustrialisierung geben. Wir gehören nach wie vor zu den wohlhabendsten Ländern der Welt. Klar, in den letzten drei Jahren hat es einen Wohlstandsverlust gegeben, aber jetzt ist es wieder Zeit für Optimismus.

trend.

Ihr Wort in Gottes Ohr bei der Weltlage.

Peter Hanke

Natürlich ist es für uns alle eine schwierige Ausgangslage. Uns ist allen bewusst, dass wir uns in einem engen budgetären Rahmen bewegen. Dennoch ist klar: Ein starker Industriestandort ist das Ergebnis eines starken Innovationsstandortes. Daher werde ich bei allem Bekenntnis zum Sparen um jeden Euro kämpfen. Wir werden die angewandte Forschung auch besser mit den Unternehmen verknüpfen. Das habe ich in meiner Zeit als Wiener Wirtschaftsstadtrat mit der Wirtschafts- und Innovationsstrategie Wien 2030 auch so getan.

Im Bereich der künstlichen Intelligenz etwa ist ein Leuchtturmprojekt die neue AI Factory Austria. Die EU unterstützt die Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz etwa mit dem gesamteuropäischen Programm „European High Performance“. Mitte März gab dieses die Förderung von sechs neuen Standorten bekannt. Österreich, das über ein Konsortium, bestehend etwa aus Advanced Computing Austria (ACA) und dem Austrian Institute of Technology (AIT), verfügt, wurde als eines von sechs Ländern ausgewählt und erhält rund 40 Millionen Euro für den Aufbau eines Supercomputers, der den USA oder China Paroli bieten soll. Das wird immer wichtiger, denn wir sehen zunehmend, dass technologische Stärke zur ökonomischen Stärke wird und eben entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts beiträgt. Wir müssen auch an die nächste Generation denken, und die hat es verdient, ein ordentliches Österreich, ein wirtschaftlich starkes Österreich zu erben.

trend.

Zu Ihren Fachbereichen: Bei den ÖBB soll bis 2029 ein Investitionsplan von 21 Milliarden Euro umgesetzt werden. Bleibt es trotz des Spardrucks dabei?

Peter Hanke

Es gibt derzeit Verhandlungen mit dem Finanzministerium. Es kann sein, dass wir gewisse Einschränkungen vornehmen müssen. Aber prinzipiell gilt: Wenn wir über die Mobilitätswende sprechen, müssen wir doch klar sagen: Weg von anderen Verkehrsmitteln, hin zur Bahn und zur Klimaneutralität. Wir haben uns auch vorgenommen, die Sitzplatzkapazität bei den ÖBB bis 2030 um 40 Prozent zu erhöhen. Mit 511 Millionen Fahrgästen haben wir 2024 einen Rekord erzielt. Und jede Investition in Schiene und Zugmaterial stärkt die Wertschöpfung in Österreich. Die Bahnindustrie hat ja hier ein Zuhause gefunden. Meine Grundbotschaft – die ich die nächsten Wochen und Monate immer wieder betonen werde – ist: Es ist richtig, Klimaneutralität anzustreben, aber immer verbunden mit wirtschaftlicher Vernunft.

trend.

Damit sind wir beim Automobil: Soll das EU-weite Verbrennerverbot 2035 aufgehoben werden?

Peter Hanke

Das große Thema ist Dekarbonisierung. Das gilt für alle Bereiche, ob im Mobilitätsbereich oder auch im Energiebereich. Aber es wird noch länger einen Mobilitätsmix geben müssen. Man wird hier alle drei bis fünf Jahre ein Monitoring benötigen. Sollte man dann sehen, dass erst 2040 ein Verbrennerverbot in Europa sinnvoll ist, werden wir als Österreicher in der EU nicht dagegen stimmen.

trend.

In Norwegen sind dank staatlicher Förderpolitik bereits 90 Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge E-Autos. Ein Vorbild?

Peter Hanke

Ich glaube nicht, dass man nur mit der Förderschiene das Mindset der Menschen verändern kann. Sondern da geht es ja größtenteils darum, ob der jeweilige Haushalt einen Nutzen sieht, auf ein E-Auto umzusteigen. Das hängt von vielen Faktoren ab: Wie komme ich zur Arbeit, bin ich in der Stadt oder am Land unterwegs, gibt es genügend Ladepunkte. Zu glauben, nur Geld schafft Veränderung Richtung E-Mobilität, ist zu kurz gegriffen.

trend.

Stimmt die Ladeinfrastruktur in Österreich? 

Peter Hanke

Diese muss weiterentwickelt werden. Von den Landesversorgern gibt es österreichweit Ausbaupläne. Aber es müssen auch die Investoren und Unternehmer ihren Beitrag liefern. Es muss schon eine Verantwortung auf beiden Seiten geben.

Peter Hanke

Die deutsche Autoindustrie ist in der größten Krise der Nachkriegsgeschichte. Der Niedergang betrifft auch viele heimische Zulieferer. Was wäre da zu tun?

trend.

Wir müssen uns insgesamt nach Märkten außerhalb des europäischen Raums umschauen, beispielsweise Asien. Wir sind nicht zuletzt auch aufgrund der Trump’schen Vorgangsweise gezwungen, uns neu zu orientieren.

trend.

Kommen wir zum Schluss noch zum Defizit der Stadt Wien, das Sie hinterlassen haben: Es wird von 2,2 Milliarden auf 3,8 Milliarden 2025 explodieren.

Peter Hanke

Mit großer Emotion erlaube ich mir festzuhalten: Das Defizit beim Rechnungsabschluss für 2024 – er wird in den nächsten Wochen verabschiedet – liegt 500 Millionen unter dem Voranschlag. Im Sinne der Transparenz habe ich aber bereits im Jänner darauf hingewiesen, dass für das Budget 2025 mit einem höheren Abgang zu rechnen ist – auch weil dieses Budget schon vor eineinhalb Jahren beschlossen wurde. Außerdem habe ich darauf hingewiesen, dass es sich um ein Worst-Case-Szenario handelt. Die tatsächliche Summe wird darunterliegen. Die Budgetsituation in Wien ist angespannt, wie auch im Bund und in den anderen Bundesländern. Was die Ausgaben für die Mindestsicherung in Höhe von einer Milliarde Euro betrifft, bin ich ganz der Meinung von Bürgermeister Michael Ludwig: Wir brauchen endlich eine einheitliche Regelung für Österreich, damit Wien nicht einseitig in die Ziehung gebracht wird. Man darf nie vergessen, dass der urbane Raum attraktiver für Zuzug ist, weil es hier mehr Chancen gibt.

trend.

Schlussfrage: Wird Ihre Austria heuer Meister?

Peter Hanke

Es könnte knapp werden, mit einem Top-drei-Platz wäre ich schon zufrieden.

trend.

Herr Hanke, wir danke für das Gespräch.

Das Interview ist in der trend.EDITION vom 25. April 2025 erschienen.

Zur Magazin-Vorschau: Die aktuelle trend. Ausgabe

Zum trend. Abo-Shop

trend. Newsletter
Bleiben Sie informiert mit dem trend. Newsletter. Die wichtigsten Informationen aus der Welt der Wirtschaft. An Werktagen täglich per E-Mail.

Über die Autoren

Logo
Jetzt trend. ab € 14,60 im Monat abonnieren!
Ähnliche Artikel