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"Wir sind als Stadt sicher High End"

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Oberster Botschafter der Stadt Wien: Finanzstadtrat Peter Hanke beim "World Cities Summit Mayors Forum“ in Seoul

©O.J. Perry
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Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke, zugleich auch "Außenminister" der Stadt, über seine jüngste Asienreise, das Knacken der Zwei-Millionen-Einwohner- Marke und die Zukunft von Metropolen. Und einen Kanzler namens Herbert Kickl.

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Herr Hanke, Sie sind ja nicht nur Stadtrat für Finanzen, sondern auch für Internationales zuständig und damit quasi der Außenminister von Wien. Sie waren gerade acht Tage in Seoul und Bangkok. Was bleibt außer den touristischen Eindrücken von so einer Mission?

Peter Hanke

Es bleiben die Wirtschaftskontakte. Denn wir sind bereit, weite Wege zu gehen. Und das nicht nur einmal, sondern für mehrere Jahre. In Bangkok haben wir unsere Smart-City-Konzepte präsentiert und uns mit der dortigen Digitalisierungs-und Innovationsagentur ausgetauscht. Wir haben Investoren getroffen, einen Start-up-Wettbewerb durchgeführt und versuchen so, Startups im Digitalisierungs-, im IKT-und auch im Nahrungsmittelbereich den Weg nach Europa via Wien schmackhaft zu machen.

Ist in Thailand für die Stadt Wien wirklich etwas zu holen?

Peter Hanke

Da wir in den vergangenen Jahren das Smart-City-Thema sehr gut bewirtschaftet haben, können wir einer bunten und zugegeben viel größeren Metropole wie Bangkok einiges bieten. Das Thema Klimaneutralität betrifft ja alle großen Städte. Und da gibt es viele internationale Entwicklungen und internationale Experten, die wir, wenn sie nach Europa kommen, in Wien haben wollen. Der Start-up-Wettbewerb der Wiener Wirtschaftsagentur in Bangkok war zum Beispiel ein guter Start.

Hat Wien als mehrfach ausgezeichnete lebenswerteste Stadt der Welt eigentlich Startvorteile in Asien?

Peter Hanke

Ja. Einerseits ist die Marke Wien aufbauend auf den traditionellen Werten unserer Gesellschaft und unserer Kultur eine global stark aufgeladene Brand. Das ist auch in Bangkok spürbar. Außerdem können wir jungen Menschen mit unserem Ökosystem eine leistbare Struktur bieten. Das ist nicht nur so dahingesagt, sondern wir erfüllen das mit Leben. Unsere Konkurrenten Paris, London, München oder Brüssel sind am Ende des Tages sicher die teureren Städte.

Wir wollen, dass asiatische Start-ups von Wien aus den alten Kontinent erobern.

Peter HankeFinanzstadtrat der Stadt Wien

Um es konkret zu machen: Wie viele thailändische Start-ups sollen sich nach dieser Reise in Wien ansiedeln?

Peter Hanke

Zweistellig sollte diese Zahl schon sein. Viele asiatische Start-ups wagen gerade den Schritt nach Europa, und wir wollen, dass sie von Wien aus den alten Kontinent erobern.

Wien soll also eine Art Europa-Hub für asiatische Start-ups werden?

Peter Hanke

Die Logik des Standorts Wien spricht dafür. Ganz Europa ist von hier aus in zweieinhalb Flugstunden erreichbar, die Lebensqualität ist hoch, der Universitätsstandort sehr gut, Wohnen leistbar, und auch andere Standortfaktoren wie international versierte Rechtsanwälte oder Steuerberater etc. sprechen für uns. Wien hat hier einen großen Vorteil gegenüber anderen europäischen Städten.

Sie waren ja auch in Seoul beim Mayors Forum des World City Summits, bei dem Vertreter aus 48 Städten aus 22 Ländern zusammenkamen. Von welcher Stadt kann sich Wien am ehesten etwas abschauen?

Peter Hanke

Wir haben schon einen unglaublich hohen Standard erreicht. Dafür werden wir überall geschätzt, Sie haben das ja selbst gesehen. Man möchte von uns im Bereich Smart City lernen, auch im Bereich soziales Wohnen oder bei der Nachhaltigkeit. Wir sind als Stadt sicher High End. Aber auch wir können von anderen Städten, die einfach größer sind, bei Urbanität oder Digitalisierung lernen. Mir geht es auch darum, unsere Experten noch besser international zu vernetzen.

Unsere Agentur Urban Innovation Vienna zum Beispiel, die bei der Wien Holding angesiedelt und in der Öffentlichkeit eher unbekannt ist, beschäftigt sich mit den zentralen Zukunftsthemen der Stadt: Mobilität, Stadtentwicklung, Energie, Digitalisierung. Wir haben dort mittlerweile 60 Mitarbeiter. Das ist eine Know-how-Maschine für die Stadt – eben mit Experten und Projekten, die auch international vernetzt sind. Da geht es nicht um Marketing, sondern um die Zukunftsfähigkeit der Stadt. Ein zweiter wichtiger Punkt bei solchen Reisen ist, die Marke Wien weiter aufzuladen. Da können wir mit unseren Orbit-Systemen – Stadtwerke, Holding, Wirtschaftsagentur, waff und Wien Tourismus – überall auch außerhalb Europas einen starken Markenauftritt bieten. Mit dem Kulturthema ebenso wie mit der Smart-City-Kompetenz. Diese Stärken werden wir übrigens jetzt mit unseren Stadtbüros in neun Städten auch in Europa noch stärker forcieren.

Wir haben die Möglichkeit, mit unseren Technologien Europa wieder auf das Schachbrett der großen wirtschaftlichen Bühnen zurückzubringen.

Peter HankeFinanzstadtrat der Stadt Wien

Wien wird 2025 den City Summit im Rathaus veranstalten. Was soll da erreicht werden?

Peter Hanke

Wien wurde im Sommer 2022 Gewinner des "Lee Kuan Yew World City Prizes". Dieser würdigt herausragende Leistungen und Beiträge zur Schaffung lebenswerter, lebendiger und nachhaltiger urbaner Gemeinschaften auf der ganzen Welt. Als Siegerstadt hat Wien die besondere Ehre, auch Host des World Cities Mayors Forums 2025 zu sein. Im Fokus des Forums steht vor allem der Austausch über die brennenden Themen unserer Zeit: Klima-und demografischer Wandel, Digitalisierung, Partizipation und Stadtentwicklung. Details werden in den nächsten Monaten mit den Veranstaltern, dem Centre for Liveable Cities, beschlossen.

Welche Schwächen hat Wien?

Peter Hanke

Ich erlaube mir, diese Frage nicht zu beantworten. Ich gehöre zu den Menschen, die Lösungen und Stärkefelder definieren.

Das große Thema aller Städte sind der Klimawandel und der CO2-Ausstoss. 2050 werden 70 bis 80 Prozent aller Menschen auf der Erde in Städten leben. Schon jetzt verbrauchen die Städte 80 Prozent der weltweit produzierten Energie und sind für 70 Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Ist es angesichts solcher Zahlen nicht eine Illusion, die Klimaerwärmung zu stoppen? Man muss sich ja nur den Verkehr in Seoul und Bangkok ansehen.

Peter Hanke

Die CO2-Bilanz in den Städten kann mit neuen Technologien, Gebäudemanagement, Tiefengeothermie usw. viel schneller verbessert werden. So gesehen kann man den CO2-Fußbabdruck in den Städten rascher verkleinern. Klimaschutz beginnt in den Städten, dort gewinnen oder verlieren wir den Klimawandel.

Das gilt doch nur für die entwickelten europäischen Städte.

Peter Hanke

Genau deshalb sind diese Reisen so wichtig. Auch in Thailand werden E-Mobilität und Klimaneutralität wichtiger, in einem Hochtechnologieland wie Südkorea sowieso. Wir brauchen das Vorzeigemodell Europa und haben damit die Möglichkeit, mit unseren Technologien Europa wieder auf das Schachbrett der großen wirtschaftlichen Bühnen zurückzubringen – wenn es uns gelingt, glaubwürdig mit neuen Technologien und Green Jobs zu beweisen, dass Urbanität auch anders funktioniert. Das ist auch für Wien die große Chance.

Klimaneutralität ist mit Sicherheit die größte Herausforderung für Wien.

Peter HankeFinanzstadtrat der Stadt Wien

Wien hat dieser Tage die Zwei-Millionen-Einwohner-Zahl geknackt. Was ist nun die größte Herausforderung für die Stadt in den nächsten zehn Jahren?

Peter Hanke

Die größte Herausforderung ist sicher die Klimaneutralität – Wetterphänomene wie 30 Grad im Oktober machen uns Sorgen. Da müssen wir in der Infrastruktur nachbessern. In Wien forcieren wir den Ausbau von Fernwärme und Fernkälte, um den Pfad der Dekarbonisierung rasch voranzubringen. Unser Ziel ist, Wien bis 2040 in die Klimaneutralität zu bringen. Und wir müssen uns die Frage stellen, wie das Zusammenleben in größeren Städten bestmöglich gemanagt werden kann. Das betrifft Themen wie Bildung, Pflege und Gesundheit.

Was muss sich hier ändern?

Peter Hanke

Einerseits sind Investitionen gefragt, die unsere Infrastrukturen und Gebäude klimafit machen. Wien macht das z. B. beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs oder beim Thema "Raus aus Gas" wo wir in den kommenden Jahren Milliarden in die Hand nehmen. Andererseits braucht es höherwertige Ausbildung -da investieren wir heute schon Millionen. Dass Wien mit zwei Millionen Einwohner:-innen auch gleichzeitig lebenswerteste Stadt der Welt ist, ist aber auch das Ergebnis umsichtiger Politik und langfristiger Planung, die parallel zum stetigen Wachstum der Stadt ebenso die hohe Lebensqualität für die Wiener:innen erhält und ausbaut.

Die letzte große internationale Betriebsansiedlung in Wien war Böhringer- Ingelheim. Kommt da etwas in naher Zukunft?

Peter Hanke

Ja, wir arbeiten daran.

Woran?

Peter Hanke

Das kann ich noch nicht sagen, es handelt sich um den Life-ScienceBereich. Wien ist in der Endauswahl neben zwei deutschen Städten. Außerdem errichtet das Biopharmaunternehmen Takeda in der Seestadt Aspern gerade ein neues Labor für 250 Forscher zusätzlich zum bisherigen Betriebsstandort, den Takeda seit über 20 Jahren in Wien unterhält. Das ist ein echter Erfolg.

Aspern ist ja so etwas wie ein Exportschlager geworden. Es kommen jährlich viele Delegationen, um sich diesen neuen Stadtteil anzusehen.

Peter Hanke

Wir sind dort im Bereich der Stadtplanung und insbesondere im Bereich des Facility Managements wirklich neue Wege gegangen, die auch international beachtet werden: Energieeffizienz, Holzbauweise im Hochbau und eine spannende architektonische Geschichtserzählung. Da gibt es einen regen Reisetourismus. Da machen wir weiter, auch Rothneusiedl im Süden der Stadt ist so ein neues Entwicklungsgebiet.

Ein Kanzler Herbert Kickl würde mit Sicherheit dem Wirtschaftsstandort Österreich schaden.

Peter HankeFinanzstadtrat der Stadt Wien

Wie wichtig ist eigentlich die politische Stabilität Österreichs für den Standort Wien? Polemisch gefragt: Wie schädlich wäre ein Kanzler Herbert Kickl?

Peter Hanke

Mit Sicherheit würde er dem Wirtschaftsstandort Österreich schaden. Wir müssen unsere Urbanität in einer modernen Offenheit nach außen spielen können. Das bedeutet auch, dass wir auf allen politischen Ebenen ansprechbar bleiben müssen. Das wäre mit einem Kanzler Kickl ein schwieriger Weg.

Wie schwierig ist es, Fachkräfte bei migrationsfeindlicher Politik hierher zu holen?

Peter Hanke

Gerade in Wien haben wir jahrzehntelang bewiesen, dass wir anders sind. Österreich muss aufpassen, dass es nicht von internationalen Experten abgeschnitten wird, die wir für den Technologietransfer brauchen. Deswegen ist alles, was Offenheit signalisiert, für uns entscheidend. Wir brauchen qualitativen Zuzug und Expert:innen.

Sie haben bei Ihren Reisen oft den Wiener Wirtschaftskammerpräsidenten Walter Ruck dabei. Ist das der letzte funktionierende Rest der alten großen, rot-schwarzen Koalition?

Peter Hanke

Wir in Wien pflegen einen ordentlichen Kontakt zu allen für die Wirtschaft wichtigen Institutionen. Das ist für den Standort entscheidend. Und es ist eine Frage der Vernunft und des Weitblicks.

Bei Ihnen beiden funktioniert auch die persönliche Chemie.

Peter Hanke

Wir haben eine freundschaftliche Agenda, die es uns erleichtert, wirtschaftspolitische Ziele zu erreichen.

Würden Sie das auch der Bundespolitik empfehlen?

Peter Hanke

Ich würde dem Bund auf jeden Fall empfehlen, sich ein Stück weit geschlossener den Herausforderungen zu stellen. Es gab noch nie so viele Krisen.

Was ist Ihre Vision für Wien? Was wollen Sie erreicht haben, wenn Sie dereinst Minister oder Kanzler sind oder in Pension gehen?

Peter Hanke

Alle drei Dinge plane ich nicht. Meine Vision für Wien ist, dass wir als moderne Technologiemetropole der Zukunft in die Geschichte eingehen werden.

Zur Person

Peter Hanke, geb. 1964, ist seit Mai 2018 Stadtrat für Finanzen und auch für Internationales zuständig.

Das Interview ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 13.10.2023 entnommen.

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