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ÖVP-Autogipfel gegen Verbot von Verbrennungsmotoren

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Von links: IV-Chefökonom Helmenstein, Bundeskanzler Nehammer, Steiermarks Landeshauptmann Drexler und Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher bei ihren Statements zu "Technologieoffenheit und Deregulierung - Weichenstellung für den Industrie- und Automobilstandort Europa".

©APA/HELMUT FOHRINGER
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Die ÖVP unter Bundeskanzler Karl Nehammer stellt sich weiter gegen das von der EU beschlossene Aus für mit Diesel oder Benzin betriebenen Verbrennungsmotoren. Nach einem runden Tisch mit Industrievertretern wird im Sinne einer "Technologieoffenheit" eine Abkehr vom "Verbrenner-Verbot" gefordert.

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Schon länger treten Bundeskanzler Karl Nehammer und die ÖVP gegen das von der EU-Kommission beschlossene Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 auf. Die Kanzlerpartei tritt für die Rücknahme der Maßnahme ein. Stattdessen solle Technologieoffenheit herrschen.

Ein Argument der ÖVP: Sie sieht Österreichs starke Zulieferindustrie mit rund 100.000 direkt Beschäftigten und einem Schwerpunkt in der Steiermark gefährdet. Nun fordert Nehammer, die Politik dürfe nicht "durch Verbote und Überregulierung die Freiheit der Innovation einschränken". Ein Verbot von Verbrennermotoren wäre eine "rückwärtsgewandte" Politik und ein Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA oder Asien, wo weiter am Verbrenner geforscht werde.

EU-Regelung verbietet Verbrennungsmotoren nicht

Allerdings sieht die EU kein Verbot für Verbrenner-Motoren vor, sondern verlangt, dass Neuwagen ab 2035 CO2-neutral sind. Das bedeutet ein Verbot für das Tanken mit den fossilen Treibstoffen Benzin und Diesel und wird damit als "Verbrenner-Verbot" interpretiert.

Aber Verbrenner-Motoren, die mit CO2-neutralem Treibstoff (E-Fuels) betankt werden, bleiben - auf Druck Deutschlands - erlaubt. Auch Wasserstoff-betriebene Autos bleiben erlaubt.

Insofern wird die Regelung auf EU-Ebene als technologieneutral angesehen. Außerdem weist die EU darauf hin, dass auf jeden Fall 2026 überprüft wird, ob das Aus für fossile Kraftstoffe für Neuwagen wie geplant 2035 kommen soll. Ein Verbot von schon zugelassenen Fahrzeugen ist in der EU-Regelung nicht vorgesehen.

Forderungen der ÖVP-Politiker

Bundeskanzler Nehammer ließ eine Frage unbeantwortet, ob er auch nach 2035 die Verwendbarkeit von Benzin und Diesel für Neufahrzeuge fordert. Dafür wies er darauf hin, dass die Beimischung von Biokraftstoffen ein hohes Potenzial habe, den CO2-Ausstoß von Autos zu reduziere. Er wolle aber von der EU nach der Wahl am kommenden Sonntag eine "Regulierungspause", um wettbewerbsfähig zu bleiben. Klimaschutz müsse auf eine Stufe gestellt werden mit Industrie- und Standortschutz.

Auch Wirtschaftsminister Martin Kocher forderte für den bevorstehenden "großen Umbau" der Wirtschaft mehr Innovation und "weniger Bürokratie, aber nicht nur reine Symbolpolitik". Die Politik müsse einen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen müsse aber "alles möglich sein". Niemand sei auf die Idee bekommen, Fax, Telefonzellen oder Pferdekutschen zu verbieten, verglich Kocher seine Zukunftsvorstellung für den Verbrennermotor.

Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler forderte am Montag ebenso wie Nehammer "Technologieoffenheit", wozu auch gehöre, kein Verbrenner-Verbot zu haben. Die Autoindustrie sei ein wichtiger Faktor für den Wohlstand und den Erhalt von Arbeitsplätzen in Österreich. Der Landeshauptmann betonte die hohe Forschungsquote in der Steiermark, diese könne aber nur erhalten bleiben, wenn auch die Produktion vor Ort sei. Die heutige Initiative sei kein Angriff auf Strom- oder Wasserstoffbetriebene Autos, aber es gehe darum, die verschiedenen Technologien parallel zu entwickeln.

Economica-Chef Helmenstein: "Unintelligente Regulierung"

Economica-Chef Helmenstein wiederum sagte, "unintelligente Regulierung" würde Investitionen behindern und definierte dies als Regelungen, die nicht nur das Ziel sondern auch den Weg dorthin festlegen. Niemand könne jetzt schon wissen, welche Technologie in fünf bis acht Jahren die beste sein werde. Am Verbrenner müsse schon alleine deshalb weiter geforscht werden, weil selbst bei einem Auslaufen von Neuzulassungen 2035 mehrere Millionen alte Fahrzeuge bis zu 20 Jahre lang noch unterwegs sein würden. Um diese CO2-neutral zu betreiben wäre eine Brückentechnologie nötig - etwa in Form von Biotreibstoffen.

Helmenstein hatte auch eine positive Botschaft in Bezug auf alternative Antriebe. Eine Analyse der heimischen Patente zeige, dass Österreich nicht nur "ein Stärkefeld beim Verbrenner" habe, sondern auch dabei sei, relativ mehr Patente im Zusammenhang mit alternativen Antrieben einzureichen als andere Länder. Österreich werde daher sicherlich in fünf Jahren einer der Hotspots für alternative Antriebe sein.

Helmenstein hat auch für die Lobbyorganisation Oecolution, die von WKÖ und IV finanziert wird, eine Studie erstellt. Demnach braucht Österreichs Autoindustrie dringend mehr Forschung. Sonst könnte sie den Anschluss an China und die dortige Innovation verlieren. Oecolution-Geschäftsführerin Elisabeth Zehetner zieht daraus den Schluss, dass Österreich weiter an der Verbesserung der Energieeffizienz von Verbrennermotoren arbeiten und "in der Übergangsphase, in der noch viele Verbrennungsmotoren im Einsatz sind" zur schnellen Reduktion des CO2-Ausstoßes im Bereich der Biokraftstoffe und E-Fuels beschleunigt forschen müsse.

Reaktionen und Kritik

Die Initiative der ÖVP rief zahlreiche Reaktionen hervor. Sandra Krautwaschl, Klubobfrau der Grünen im steirischen Landtag und Spitzenkandidatin für die bevorstehende Wahl, warf Drexler vor, "falsche Behauptungen zu verbreiten", da in der EU kein Verbot von Verbrennermotoren vorgesehen sei. Wissenschaft und Automobilkonzerne bräuchten mehr Planungssicherheit. Statt "Phantomdebatten" zu führen, seien der Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Förderung von öffentlichem Verkehr nötig.

Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler sieht "viel altes Denken, das von alten Öllobbyisten hineingetragen wird" in der ÖVP. Der Umstieg auf klimafreundliche Antriebe sei eine Riesenchance für Europas Autoindustrie und ihre Zulieferer.

Anna Stürgkh, NEOS-Listenzweite bei der EU-Wahl, sieht eine "Auto-Show" von Nehammer." "Die verschärften CO2-Emissionsnormen sind in Bezug auf die Erreichung der festgelegten Flottenziele technologieneutral. Für die Erreichung des Flottenziels Nullemission sind und bleiben verschiedene Technologien verfügbar", zitiert sie aus dem Beschluss auf EU-Ebene.

Aus Sicht von Global 2000 und Greenpeace gehört die Zukunft der Elektromobilität. E-Fuels bräuchten sechs Mal so viel Strom wie die direkte Stromnutzung in Autos. "Wer an alten Technologien wie dem Verbrennungsmotor weiter festhält, gefährdet die Erreichung der Klimaziele, tausende Arbeitsplätze und den Wirtschaftsstandort", so Global 2000. E-Fuels schützen nur den Verbrenner, nicht aber das Klima, schreibt Greenpeace.

Zustimmung zu ihrer Forderung erhält die ÖVP von den Herstellern synthetischer Kraftstoffe: "Der Betrieb des Motors mit nachhaltigen, biogen oder synthetisch hergestellten erneuerbaren Kraftstoffen ist auszubauen sowie die Effizienz zu optimieren", fordert der Vorstand der Plattform Erneuerbare Kraftstoffe.

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