
Der Unternehmer Thomas Bründl ist heute zum Nachfolger des KTM-Industriellen Stefan Pierer an der Spitze der IV Oberösterreich gewählt worden. Ein Porträt.
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Es ist ein unerwartet großer Gebäudekomplex, den der Mittelständler Starlim Spritzguss am Rande des Industriegebiets in Marchtrenk belegt. Thomas Bründl führt mit zügigen Schritten durch das helle, hochmoderne Werk. Die vielen Erweiterungen, die es in den vergangenen Jahrzehnten gegeben hat, sind architektonisch kaum auszumachen – eine Tatsache, die ihm sichtlich Freude bereitet. „Jetzt gehen wir gerade durch einen Bereich, der 2007 dazugekommen ist“, sagt er gut gelaunt. Nur wenig später, im nächsten Abschnitt, ergänzt er: „Dieser hier stammt aus den 90er-Jahren.“
Es geht vorbei an Dutzenden fast identisch aussehenden Hightech-Maschinen, über Treppen und Gänge. Schließlich führt ein unterirdischer Tunnel direkt ins runderneuerte Verwaltungsgebäude – ein Relikt aus den 80er-Jahren. Ein Firmenrundgang als originell dargebotene Wachstumsgeschichte, das ist der erste Eindruck, den Bründl hinterlässt.
Seit der Jahrtausendwende steht der 60-Jährige an der Spitze des Familienunternehmens Starlim Spritzguss, gegründet 1984 von seinem Schwiegervater und von ihm zu einem Global Player geformt. In Österreich, Deutschland, Italien, Marokko, Kanada und seit Kurzem auch in China werden technische Silikonteile für Anwendungen in Industrie, Medizintechnik und im Mobilitätsbereich entwickelt und gefertigt: Schnuller, Zündkerzenstecker, Dialyseringe, Tränenkanalröhrchen und vieles mehr. „Als Starlim machen wir kleine Teile, davon aber sehr viele“, sagt Bründl.
Beim Endkunden bleibt der Weltmarktführer weitgehend unbekannt, sieht man einmal von den mit dem Red Dot Design Award ausgezeichneten Eiswürfelformen ab, die für einen kurzen Moment mediale Aufmerksamkeit brachten.
IV OÖ-Adventempfang
In der spezialisierten Welt des Silikons agiert Bründl souverän. Aber weder als Unternehmer noch als Vizepräsident der IV OÖ drängt es ihn in die Öffentlichkeit. Da muss es sich schon um eine Art Notfall handeln wie beim Adventempfang vergangenes Jahr. Als Stefan Pierer, damals noch Präsident, kurzfristig absagte – der Motorradhersteller KTM war an dem Tag in die Pleite gerutscht –, sprang Bründl ein und hielt die Ansprache, gelassen, pointiert, überzeugend. Dennoch: „Mein Motto war immer: Wer einen Berg besteigt, will die Welt sehen – nicht selbst gesehen werden“, erzählt er.
Genau diese Sichtbarkeit hat er nun seit 17. Juni. An diesem Tag hat ihn der mächtigste Landesverband der IV zu seinem Präsidenten gewählt – eine Funktion, auf die er es nicht angelegt hat, wie er betont: „Man hat mich bei der Ehre gepackt.“
Sein Vorgänger, der streitbare, polarisierende und mit KTM gescheiterte Unternehmer Pierer, hat das Amt stark geprägt. Nun steht mit dem Starlim-CEO ein anderer Charakter an der Spitze – verbindlicher im Ton, nahbarer in der Art. „Bründl vereint hohe soziale Kompetenz mit strategischem Weitblick“, sagt Palfinger-CEO Andreas Klauser und ergänzt als Geschäftspartner: „Er agiert sehr ‚hands-on‘, löst schwierige Themen auf pragmatische Art.“ Und Boris Greiner, Freund und Starlim-Aufsichtsrat, betont: „Bründl ist eine wunderbare Seele als Mensch und als Unternehmer. Er ist bodenständig, offen und sieht stets das Positive.“
Doch wer daraus auf eine zahme Amtsführung schließt, dürfte sich täuschen: „Einige werden mich als unbequem empfinden“, sagt Bründl und vergleicht sich augenzwinkernd mit Inspektor Columbo – jenem legendären Fernsehermittler, der mit seinen bohrenden Fragen selbst die raffiniertesten Täter überführt.
Leicht wird auch Bründls erster Fall nicht. Die österreichische Wirtschaft durchlebt das dritte Jahr der Rezession – und „Licht am Ende des Tunnels ist noch nicht in Sicht“, warnt der Unternehmer. Immerhin: Die Gruppe sei im Geschäftsjahr 2024/25 im Vergleich zu vielen anderen mit einem blauen Auge davongekommen. Der Umsatz des Vorjahres, der bei rund 250 Millionen Euro lag, konnte nahezu gehalten werden, ebenso das Ergebnis. Doch ganz zufrieden sei er nicht: „Wir hatten auf Wachstum gesetzt und entsprechend investiert. Das ist uns nicht gelungen“, sagt der CEO, der klarerweise eleganter als der Serienpolizist auftritt: klassischer Businessanzug, rotes Einstecktuch – Typus Industrieller alter Schule.
Erste Karriere als Pilot
Wer Bründl verstehen will – als Unternehmer wie als künftigen IV-OÖ-Präsidenten –, sollte ihn sich zunächst aber anders vorstellen: im blauen Anzug eines AUA-Piloten. Es war der Beginn einer Karriere, die nicht geplant war. Aufgewachsen bei Wels, besuchte er die HTL. Ein Studienfreund erzählte ihm von der Pilotenausbildung – eine Idee, die dem „Bua vom Land“, der nie zuvor geflogen war, zunächst abwegig erschien, ihn aber auch reizte. Nach den Prüfungen, die er alle bestand, kam es zu einem Sinneswandel. „Die Personalerin war fassungslos, als ich ihr erzählte, dass ich lieber studieren möchte“, erzählt er. „Sie meinte, andere würden ihr für diese Chance die Füße küssen.“ Die Standpauke saß – und Bründl wurde Pilot.
Auf einer MD-80 öffnete sich ihm die Welt: Riad, Teheran, die Kanaren – Ziele, die unerreichbar schienen, lagen plötzlich nur wenige Flugstunden entfernt. Und beim Blick aus 10.000 Meter Höhe relativierte sich vieles: „Aus solcher Distanz erkennt man selbst die nicht mehr, die sich auf der Erde besonders wichtig nehmen“, sagt Bründl, der noch nach dem Aufstieg in die Geschäftsführung Ende der 90erJahre für einige Jahre an den Wochenenden für die AUA flog.
Wie sehr ihn die Zeit geprägt hat, blitzt in seinen Erzählungen immer wieder auf – etwa, wenn es um Unternehmenskultur geht. Seriöse Airlines, erzählt er, hätten Systeme etabliert, um Unfälle oder Beinahe-Pannen gründlich auszuwerten – nicht um Schuldige zu suchen, sondern um aus Fehlern zu lernen. Dieses Prinzip gelte auch bei Starlim. „Wir leben hier ein Vertrauen, das Fehler zulässt. Wer mal danebenliegt, wird nicht gleich einen Kopf kürzer gemacht.“ Und auch in puncto Zuständigkeiten folgt er einem klaren Prinzip aus dem Cockpit: „Man kann freundlich sein, aber die Autoritätslatte darf nie waagerecht liegen. Dann wird es schnell unprofessionell“, sagt Bründl.
Indien-Pläne
Gänzlich auf seine Leidenschaft, das Fliegen, verzichten muss er aber auch als CEO nicht. Dank einer aufrechten Lizenz für eines der Flugzeuge der Jetfly-Beteiligung kann er weiterhin im Cockpit Platz nehmen. Etwa wenn er mal wieder nach China muss, wo Starlim Ende vergangenen Jahres ein erstes Werk im Technologiepark von Nantong eröffnete. „Es gibt weltweit über 70 Länder, die vier Prozent und mehr wachsen. Meine Aufgabe besteht darin, uns dafür richtig aufzustellen“, sagt er. Das heißt aber auch: Das Geld fließt vor allem in die weitere Internationalisierung. Die Schwerpunkte dieses Jahr liegen auf China und Nordafrika. Indien ist eher mittelfristig ein Thema.
Starlim „ist ein richtig guter Mittelständler“, den der CEO auf „sehr empathische und korrekte“ Art führe, meldet sich Pierer erstmals nach der KTM-Rettung zu Wort. Dass Bründl nun sein Nachfolger in der IV OÖ wird, sei immer so geplant gewesen. Der Rest des Präsidiums bleibe gleich, daher sei für Kontinuität gesorgt. Etwa durch Fronius-CEO Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauss: „Herr Bründl ist sehr engagiert, was den Standort betrifft, vor allem Bildungs- und Ausbildungsthemen liegen ihm am Herzen.“ Er könne durchaus pointiert auftreten, lege aber stets großen Wert darauf, zu verbinden, alle Mitglieder und Stakeholder miteinzubeziehen, sagt die Vizepräsidentin.
„Höchste Zeit für Industriestrategie"
Auf Kontinuität setzt man auch bei Starlim. „Mein Sohn Lukas ist ‚Next Generation‘“, sagt Bründl. Wirtschaftsstudium in Wien, gerade den 30er gefeiert und bei Starlim zuständig für ein kleines Spin-off, das sich auf digitale Fahrtenbücher spezialisiert hat. Parallel dazu steckt der Junior mitten im Onboarding: Ob er eines Tages als CEO übernimmt oder sich doch für einen anderen Weg entscheidet, soll sich im Rahmen des Prozesses entscheiden. Darüber hinaus mit an Bord: Bründls Bruder, der als Ex-Banker heute den größten Geschäftsbereich, Silikon, leitet. Und Bründls Gattin, die Tochter des Gründers und über die Holding Alleineigentümerin von Starlim und weiteren Beteiligungen, verantwortet ausgewählte Projekte im Bereich der Kommunikation.
Auch dank der starken familiären Verankerung hat der CEO jetzt den Freiraum, in der IV ins Rampenlicht zu treten. Die Politik nimmt er in die Pflicht: „In den letzten Jahren haben wir uns preislich aus dem Markt manövriert, bei allen Wettbewerbskennzahlen den Vogel abgeschossen. Es ist höchste Zeit für eine Industriestrategie, die diesen Namen auch verdient“, sagt er und fordert: Investitionsanreize, Entlastung der Leistungsträger und Maßnahmen, um Menschen länger im Arbeitsprozess zu halten.
Auch eine stärkere Kapitalkultur sei dringend erforderlich: „Wenn die ÖBAG hier eine Initialzündung liefert – gut. Aber wir brauchen einen umfassenderen Ansatz.“ Und generell müsse sich das Mindset ändern: „Wer vorne mitspielen will, braucht Training, Fleiß und Disziplin.“
In den Jahrzehnten an der Spitze des Familienunternehmens habe er viele Krisen bewältigt. Jedes Mal galt für ihn: aufstehen, Krone richten, weitermachen. „Denn am Ende zählt nur eines: Wir haben finanziell überlebt.“