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Achten Sie nicht auf die EZB!

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Ken Fisher ist einer der erfolgreichsten Investmentberater der USA und Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen.
Ken Fisher ist einer der erfolgreichsten Investmentberater der USA und Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen.©beigestellt / iStock (Hintergrund)
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Die Inflation und die langfristigen Zinsen werden wieder sinken - und die Börsen bei besserer Konjunktur wieder steigen.

ZENTRALBANKEN. Wie weit wird die EZB die Leitzinsen anheben? Während die Gesamtinflation in Österreich und weiten Teilen der Eurozone sinkt, meinen die EZB-Offiziellen, die in der ganzen Eurozone enorm steigende Kerninflation verlangt noch für längere Zeit nach höheren Zinsen. Das löst Ängste aus. Aber sorgen Sie sich nicht. Maßnahmen der EZB werden überbewertet, ihre Aussagen noch viel mehr.

Zentralbanken reagieren eher, statt zu gestalten.

Lassen Sie mich das erläutern: Von New York bis Wien ist die Fixierung auf Zentralbanken weit verbreitet. Aufgrund ihrer vielen akademischen Titel und institutionalisierten Prozesse betrachten viele das dort Gesagte als gegeben beziehungsweise die politischen Schritte der EZB als entscheidend. Das ist falsch! Ich behaupte schon lange, dass Zentralbanken eher Reagierende als Gestaltende sind. Ihre Entscheidungen sind konjunktur- und marktgetrieben, nicht umgekehrt. Warum? Verbreitete Konjunkturerwartungen sind vorab eingepreist.

Die Forward Guidance

Zudem ist das, was so viele ganz ähnlich ausgebildete Ökonomen von sich geben, eher Herdendenken. Betrachten Sie die Forward Guidance, den Ausblick der EZB auf künftige Schritte. Überraschungen und Volatilität werden dadurch ja nicht mehr verhindert, im Gegenteil! Wenn EZB-Entscheidungen, wie die Zinsanhebung im Juli 2022, von der Forward Guidance abweichen, verwirrt das die Anleger und sorgt für breite Verärgerung. Dass die EZB die Politik, ihre Zinsschritte gemäß ihrem Ausblick zu setzen, im vergangenen Sommer aufgegeben hat, zeigt, dass selbst Notenbanken nicht immer vernunftgemäß agieren.

EU-ZINSEN. Die hohe Inflation zeigte, wie untauglich ein EZB-Ausblick sein kann. Ende 2021 wurde behauptet, dass die hohe Inflation nur kurzzeitig sei. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sprach davon, dass die "Bedingungen für eine Zinsanhebung im nächsten Jahr sehr wahrscheinlich nicht erfüllt werden". Robert Holzmann, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, stimmte mit den Worten ein: "Wir halten uns an die Hoffnung einer vorübergehenden Inflation."

Und doch hob die EZB im Juli 2022 die Zinsen um 50 Basispunkte an und löste damit die Angst vor Zinssteigerungen aus, die teilweise für das Septembertief des ATX sorgte. Das wiederholte sie 2022 noch dreimal. Aktuell werden die Worte der Entscheidungsträger wieder nach Hinweisen durchforstet - wie die Ankündigung einer Erhöhung um volle 100 Basispunkte im ersten Halbjahr 2023 von Gouverneur Holzmann. Warum sollte man dem Glauben schenken?

US-ZINSEN. Die EZB ist hier nicht allein. Im Mai 2022 verkündete die amerikanische Fed, dass es keine Anhebung in 75-Basispunkte-Schritten geben würde. Diese seien zu groß. Ab dem Folgemonat wurde gleich viermal um genau diesen Wert erhöht!

Unzuverlässiger Freund

In Großbritannien erhielten der frühere Chef der Bank of England, Mark Carney, und sein Nachfolger, Andrew Bailey, nach ihren jeweiligen Kehrtwendungen den Spitznamen "unzuverlässiger Freund". Im Dezember 2022 legte das Umschwenken der japanischen Zentralbank bei der Steuerung der Zinsstrukturkurve nahe, dass konventionellere Entscheidungen anstünden - und brachte die Märkte durcheinander, als sich im Jänner nichts bewegte.

Auch die Weltwirtschaft wird nicht von EZB-Maßnahmen geleitet. Die Zinserhöhungen von EZB und Fed 2022 beweisen das. Erhöhungen wirken sich durch steigende Kosten bei kurzfristigen Finanzierungen für Banken auf das Wachstum aus. Sie bremsen theoretisch die Kreditvergabe. Banken leihen kurzfristig, um langfristigere Kredite zu finanzieren.

Wie jedoch schon in meiner Kolumne im vorletzten trend angesprochen, verfügen die Banken über reichlich kostengünstige Einlagen - sie müssen sich nichts mehr leihen. In Österreich ist der Stand etwa 24 Prozent über dem Vor-Corona-Niveau. Günstige Finanzierungen machen die Kreditvergabe profitabler. Dadurch hat sich das Kreditwachstum in Österreich nach der Zinserhöhung der EZB im Juli beschleunigt - und blieb während der stärkeren Erhöhungen später zumindest beständig. Dasselbe gilt auch für Amerika.

FAZIT. Achten Sie also nicht auf die falkenhafte EZB. Schauen Sie stattdessen auf den Rückgang der Einstandspreise und die erwartete niedrigere Inflation, durch die die langfristigen Zinsen in Österreich von ihrem Hoch am Jahresende 2022 wieder herunterkommen werden. Dies wird - mit einer wahrscheinlich besseren Konjunktur als bisher erwartet - den ATX und die weltweiten Aktien nach oben treiben.

Den Gastkommentar von Ken Fisher finden Sie auch in der trend.PREMIUM Ausgabe vom 24.2.2023

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