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Der jüngste der drei Beschuldigten war am Dienstag teilgeständig, die Verurteilung erfolgte auch wegen Körperverletzung aufgrund eines Vorfalls an der Schule. Der 16-jährige Österreicher (in der Anklage wird er auch als 17-Jähriger geführt) habe in Chats "äußerst bedenkliche" Dinge geäußert, sagte der vorsitzende Richter bei der Urteilsbegründung. Das Beweisverfahren habe jedoch "ein Gutes gehabt", und eine Wende beim Jugendlichen, der nun kein IS-Anhänger mehr sei, herbeigeführt. Vorgelegen sei ein "reumütiges Geständnis" hinsichtlich der terroristischen Vereinigung und kriminellen Organisation, das Eindruck hinterlassen habe.
Weiterhin aufgetragen wurde dem 16-Jährigen Bewährungshilfe, auch in einem Deradikalisierungsprogramm muss er bleiben. "Mit diesem Urteil haben Sie eine echte zweite Chance durch den Schöffensenat bekommen", betonte der Richter. Verteidiger Andreas Schweitzer verzichtete auf Rechtsmittel, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab.
Das medial im Fokus stehende mögliche Attentat auf die Pride vom 17. Juni 2023 stand der Staatsanwaltschaft St. Pölten zufolge indes nicht unmittelbar bevor. "Das wird ihnen auch nicht zur Last gelegt, das ist nicht der Anklagegegenstand", hob der Staatsanwalt bei seinem Eröffnungsvortrag hervor. Die drei Ex-Anhänger der radikalislamischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hätten in einer einschlägigen Telegram-Gruppe jedoch "Anschlagspläne erörtert", wird in der Anklageschrift betont. Der Jüngste habe sich im Internet neben IS-Propagandamaterial auch Bombenbauanleitungen beschafft und sich mit Gleichgesinnten in Chats ausgetauscht.
Dass es keine konkreten Pride-Anschlagspläne gegeben habe, darin stimmten am Dienstag auch die drei Verteidiger überein. Sein Mandant habe am Veranstaltungstag mittags noch geschlafen, dann sei eine Hausdurchsuchung mit 30 Beamten durchgeführt worden, betonte Markus Sommerauer, Anwalt des 19-jährigen Erstangeklagten. "So, dass es mehr oder weniger halb St. Pölten mitbekommen hat." Herausgekommen sei wenig. Sichergestellt worden seien Dinge, "die in keiner Weise dem Waffengesetz unterliegen" wie Softguns. Kritik gab es zudem an der "vorschnellen" Öffentlichkeitsarbeit der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN).
"Ich bin der Ansicht, dass diese Anklageschrift auf Unterstellungen beruht, die mein Mandant entkräften kann", hob die Verteidigerin des Zweitangeklagten hervor. Das in der Öffentlichkeit vom 22-Jährigen gezeichnete Bild entspreche zudem nicht der Realität. Andreas Schweitzer, der den 16 Jahre alten Drittangeklagten vertrat, übte ebenfalls Kritik am Vorgehen der DSN.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft handelte es sich bei allen drei jungen Beschuldigten um bis zu ihren Festnahmen gewaltbereite Anhänger des IS bzw. der daraus hervorgegangenen Gruppe "Islamischer Staat - Provinz Khorasan" (ISPK). Sie waren demnach in der einschlägigen Telegram-Gruppe "psychology1444" auf gewaltaffine und stark radikalisierte ausländische Gleichgesinnte gestoßen. Die Gruppe "bestand aus zehn bis 15 Mitgliedern", ansässig in Europa, schilderte der Staatsanwalt. Neben Propagandavideos und Spendenaufrufen wurden laut Anklage in Chats Anschlagspläne erörtert - ein Ukrainer kündigte etwa an, sich als Selbstmordattentäter in die Luft sprengen zu wollen.
Die Verteidigung von Erst- und Zweitangeklagtem bestritt die Beteiligung der jeweiligen Mandanten an der Telegram-Gruppe. Der Drittangeklagte war dazu - genauso wie zu der ihm angelasteten Körperverletzung - geständig, wie Anwalt Schweitzer ausführte.
Zurück zu den Chats. Der Erstangeklagte, wie sein älterer mitbeschuldigter Bruder österreichischer Staatsbürger, stellte der Anklageschrift zufolge "in Aussicht, in der tschechischen Republik ein Sturmgewehr der Marke AK-47 und ein großes Messer für einen Terroranschlag zu erwerben und einen Anschlag auf die am 17. Juni 2023 in Wien stattfindende LGBTQ-Pride zu verüben". Der 19-Jährige soll zumindest seit März 2022 das IS-Gedankengut verinnerlicht und auf Plattformen wie TikTok und Telegram oder über sein Playstation-Profil nach außen getragen haben, wo er den IS glorifizierte und dessen Ideologie verbreitete.
Er und sein 22-jähriger Bruder sollen den zu einem Selbstmordattentat bereiten Ukrainer wiederholt in dessen Absichten bestärkt und zur Tatumsetzung gedrängt haben. Der 22-Jährige propagierte in einem Chat das "Anstechen" (sic) und Jagen von Ungläubigen. Beide Brüder fertigten laut Vorwurf außerdem Bilder und Videos an, auf denen sie jeweils mit erhobener rechter Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger posierten. Die sogenannte Tauhid-Geste wird von islamistischen Gruppen als Erkennungsmerkmal missbraucht.
Der Jüngste der drei kündigte laut Anklage zwischen 30. Jänner und 2. Februar 2023 - er war damals noch 14 - in einem Threema-Chat an, er werde in ein vom IS bzw. ISPK besetztes Gebiet ausreisen, um dort deren Kämpfer zu unterstützen. Er erkundigte sich darüber hinaus "konkret nach Tipps für den Bau von besonders zerstörerischen Sprengsätzen zum Zweck der Verübung eines Sprengstoffattentats sowie nach Tipps für das Zielen mit einer Waffe für das Verüben eines Attentats", wie in der Anklageschrift ausgeführt wird. Dem 16-jährigen Österreicher wurde daher auch die Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat (Paragraf 278f Strafgesetzbuch) angelastet, der Vorwurf wurde bestritten. In dem Anklagepunkt erfolgte letztlich auch ein Freispruch.
Dass seine Ausreisepläne nicht reine Fantasiegespinste waren, belegen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft umfangreiche Dokumente, die er sich im Internet besorgt und abgespeichert hatte. Der zu diesem Zeitpunkt 14-Jährige informierte sich etwa zu taktischem Vorgehen bei Kampfhandlungen, Methoden bei Hinterhalt-Operationen und "Vorbereitungs- und Ausrüstungsempfehlungen für den Mujaheddin-Anfänger", wie ein Dokument betitelt war, das bei den Ermittlungen sichergestellt werden konnte.
Die Verteidigung beantragte mit Verweis auf Alter und Privatsphäre der Burschen einen Ausschluss der Öffentlichkeit. Dem Begehren wurde stattgegeben. Nach den Eröffnungsvorträgen der Anwälte und damit noch vor den Befragungen der Angeklagten mussten die Beobachter den Schwurgerichtssaal in St. Pölten verlassen.
Bekannt wurden die angeblichen Anschlagspläne auf die Vienna Pride 2023 erst am Tag nach der Regenbogenparade. Die DSN informierte die Öffentlichkeit in einer eilig einberufenen Pressekonferenz, man habe einen Anschlag vereitelt und Hausdurchsuchungen bei den drei Beschuldigten durchgeführt. Auf die drei aufmerksam gemacht worden war die DSN dank eines ausländischen Partnerdiensts, der Kenntnis von den Inhalten der Telegram-Chats erlangt hatte. Die Burschen wurden wenige Tage nach ihren Festnahmen mangels dringenden Tatverdachts wieder auf freien Fuß gesetzt.
Fortgesetzt wird das Schöffenverfahren am 5. August. Geplant sind an diesem Tag mehrere Zeugeneinvernahmen.