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Malik on Management: Von Unternehmern und Investoren

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Malik on Management: Von Unternehmern und Investoren
k.A©Getty Images/iStockphoto
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Sollen Unternehmer oder Investoren an der Spitze einer Firma stehen? Für Managment- und Leadership Doyen Fredmund Malik ist die Antwort eindeutig: Beide sind notwendig, aber nur der Unternehmer oder Manager kann die nachhaltig wichtigen Entscheidungen treffen.

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Immer öfter wird heute die Frage gestellt: Was ist eigentlich besser für ein Unternehmen? Wenn es einen institutionellen Investor als Eigentümer hat oder einen Unternehmer im klassischen Entrepreneur-Sinn? Ausgangspunkt für die Überlegungen ist die Tatsache, dass sich in den 1990er Jahren die Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft abgekoppelt hat.

Unter normalen Umständen haben die Kapitalvolumen, die an den Börsen und durch die Banken bewegt werden, einen engen Zusammenhang mit der Finanzierung der realen Wirtschaft, also des Welthandels und der Weltinvestitionen. Die reale Wirtschaftstätigkeit, Entwicklung, Beschaffung, Produktion und der Verkauf von Gütern und realen Dienstleistungen bestimmen in der Regel im Wesentlichen die erforderlichen Finanzvolumen.

Realwirtschaft und Finanzwirtschaft erfüllen aber heute andere Funktionen. Sie folgen anderen Logiken und haben andere Gesetzmäßigkeiten. Wir brauchen beide, aber für je unterschiedliche Zwecke. Es geht daher im Folgenden nicht um die Frage, welche der beiden Wirtschaften wichtiger ist, sondern um die Darstellung ihrer Unterschiede. Das Übersehen der Unterschiede führt zu einer unheilvollen Verwechslung zwischen dem, was heute Investor genannt wird, und dem, was man bisher unter einem Unternehmer verstanden hat, wobei es für das Folgende keine Rolle spielt, ob es sich um einen Eigentümer-Unternehmer oder um einen Manager handelt.

Unternehmer und Investoren

Alle Unternehmer sind Investoren. Das liegt auf der Hand, denn ohne zu investieren, kann man ein Unternehmen weder gründen noch betreiben. Sind aber alle Investoren auch Unternehmer? Früher hätte man das problemlos bejahen können. Inzwischen ist das nicht mehr so. Investoren des heutigen Typs erfüllen andere Funktionen in der Wirtschaft als die Unternehmer. Das gilt besonders für den Typus des institutionellen Anlegers, also zum Beispiel den Investmentfund oder die Pensionskasse. Auch hier ist zu betonen: eine moderne Wirtschaft braucht beides, Unternehmer und Investoren, und dass es daher nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch geht, aber mit unterschiedlichen Vorzeichen.

Man sieht sofort klar, wenn man sich eine alte Einsicht vor Augen führt, die alle Unternehmer zu allen Zeiten hatten: If you can't sell you have to care. Wenn du deine Firma nicht verkaufen kannst, musst du dich um sie kümmern. Dieses eherne Gesetz des Marktes gilt umso mehr, je erfolgreicher und größer ein Unternehmen ist. Es waren gerade die Groß- und Erzkapitalisten der Wirtschaftsgeschichte, die sich diesem Prinzip unterwerfen mussten, Männer wie John D. Rockefeller, John P. Morgan, Henry Ford, die Vanderbilts, Duponts, Carnegies, Krupps und Rothschilds. Sie sind immer wieder vor der Frage gestanden, welche der beiden Funktionen sie erfüllen wollen oder zu erfüllen gezwungen sind, und ihren Biografien kann man entnehmen, dass sie sich der Unterschiede wohl bewusst waren.

Unternehmer und Investoren sind in allem grundverschieden. Wir brauchen beide, aber sie erfüllen völlig verschiedene Aufgaben und dienen gänzlich unterschiedlichen Zwecken. Wer das übersieht, trägt nicht zur Gestaltung der Zukunft bei, sondern zu ihrer Gefährdung.

Selling or Caring?

Der Investor heutigen Typs ist vorwiegend an den Papieren interessiert, die das Unternehmen repräsentieren, also an den Aktien eines Unternehmens. Das bedeutet aber nicht, dass er auch am Unternehmen selbst interessiert ist. Dessen Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten kennt der heutige Investor-Typ gewöhnlich überhaupt nicht, und sie kümmern ihn auch nicht. Auch die Produkte kennt er oft nur zum Teil. Wenn es Schwierigkeiten in der Firma gibt, dann verkauft er seine Anteile; he sells ...!

Das ist sein gutes Recht, und man darf von ihm gar nichts anderes erwarten, so sehr auch vielleicht beim Erwerb der Papiere, besonders wenn es ein größeres Paket ist, Lippenbekenntnisse zum Unternehmertum abgegeben werden mögen. Der Investor legt seine Investments, wenn er klug ist, nachgerade so an, dass er sie jederzeit mit einem Telefonat, oder heutzutage noch schneller mit einem Mausklick, verkaufen kann.

Für Unternehmer und Manager gilt aber, dass für sie nicht in erster Linie die Papiere wichtig sind, sondern dass sie sich um das Unternehmen und den Geschäftsgang kümmern müssen: They have to care...!

Auf Zeit oder auf Dauer?

Der Investor operiert auf Zeit. Er weiß, dass er, solange die Märkte liquide sind, seine Papiere immer verkaufen kann. Oft verkauft er schon deshalb, damit er Gewinne realisieren kann.

Der Unternehmer erfüllt seine Funktion, einschließlich der Gewinnerzielung, aber nicht dadurch, dass er das Unternehmen verkauft, sondern dadurch, dass er es betreibt. Der Unternehmer operiert auf Dauer. Er kann gar nicht anders handeln, denn er hat es ja nicht mit Papieren, sondern mit einer anderen Art von Realität, mit Fabriken, Verkaufsorganisationen, Entwicklungslaboratorien usw. Er verkauft die Produkte des Unternehmens, nicht aber das Unternehmen selbst.

Aufgeben oder kämpfen?

Wie schon erwähnt: Der Investor gibt bei Schwierigkeiten auf. Es würde für ihn überhaupt keinen Sinn haben, sich in die Geschäfte selbst einzumischen, von denen er kaum ausreichend Sachkenntnis haben kann. Der Aktionär eines Pharmaunternehmens versteht ja nur höchst selten etwas von Biochemie oder Medizin. Er kennt zwar alles, was mit seinen Wertpapieren zu tun hat. Ein Unternehmen haben aber die wenigsten Investoren je geführt. Meistens halten die Investoren auch ein Portefeuille von Papieren. Es wäre gänzlich unmöglich, auch nur von einigen der darin vertretenen Unternehmen ausreichend viel zu verstehen, um gar mehrere von ihnen zu führen. Es ist nicht die Aufgabe von Investoren, Unternehmensschwierigkeiten zu lösen, sondern Aktien zum rechten Zeitpunkt zu kaufen und zu verkaufen.

Ganz anders ist es mit dem Unternehmer und dem Manager. Genau dann, wenn eine Firma Probleme hat, braucht es den Unternehmer, jenen Typus, der kämpft, wenn es Schwierigkeiten gibt, und der genau dann durchhält, wenn man unter Umständen gar nicht verkaufen kann. Er kämpft übrigens nicht unbedingt aus Heldenhaftigkeit oder edlen Motiven, sondern weil ihm keine andere Wahl bleibt.

Eine Ressource oder mehrere Ressourcen?

Der Investor braucht nur eine Ressource, nämlich Geld. Und daher versteht er auch nur davon etwas, das allerdings brillant, aber meistens wenig und oft gar nichts von einem Unternehmen und seiner Führung, auch wenn es natürlich aus Investorkreisen nie an guten Ratschlägen, Patentrezepten und markanten Forderungen fehlt.

Der Unternehmer braucht aber immer mehrere Ressourcen; er ist ein Kombinierer von Ressourcen. Auch er braucht Geld, aber zusätzlich auch noch Menschen, Materialien, Maschinen - und vor allem braucht er Kunden.

Ein Investor hat weder Kunden noch braucht er welche, solange der Markt flüssig ist. Was er gelegentlich braucht, ist ein Käufer oder ein Verkäufer, aber diese können kaum Kunden im selben Sinne genannt werden, wie der Unternehmer das meint. Der Investor ist selbst Kunde - bei der Börsenabteilung einer Bank oder bei den Brokerhäusern. Der Unternehmer ist ein "Zehnkämpfer", er muss sich in vielen Disziplinen ausreichend auskennen. Der Investor ist ein "Einzeldisziplin"-Spezialist.

Blick auf den Kurs oder auf den Markt?

Der Investor schaut kontinuierlich auf die Entwicklung der Börsenkurse. Der Unternehmer hingegen muss auf den Markt schauen. Der Investor findet im Internet fast alles, was er wissen muss, um seine Dispositionen zu treffen.

Der Unternehmer findet dort aber fast gar nichts, was ihm nützt und wonach er seine Entscheidungen ausrichten muss. Sein Blick muss auf den Kunden gerichtet sein, auf die Mitarbeiter, in die Fabrik, auf die Materialien, die er beschafft hat, und deren Qualität, auf die Maschinen und auf die Konkurrenz.

Shareholder Value oder Customer Value?

Der Investor schaut auf den Shareholder Value. Der Unternehmer muss aber auf den Customer Value achten, denn die Shareholder bezahlen keine Rechnungen des Unternehmens, das tun nur die Kunden. Sie sind die Einzigen, die das tun - falls sie zufrieden sind.

Und daher muss der oberste Leitstern des Unternehmers jener Wert sein, den er dem Kunden zu schaffen und zu geben vermag. Je besser ihm das gelingt, umso mehr hat normalerweise auch der Aktionär davon. Das Umgekehrte gilt aber nicht.

Gewinne oder Marktstellung?

Der Investor ist an der Maximierung der Gewinne orientiert, und daher tut er alles, um das Unternehmen und den Unternehmer ebenfalls in diese Richtung zu manövrieren. Der Unternehmer muss aber an der Maximierung seiner Marktstellung interessiert sein. Auch er braucht Gewinne; aber er weiß, dass sie eine Folge der Marktstellung sind und nicht umgekehrt.

Bull Markets oder auch Bear Markets?

Der Investor des heute gepriesenen Typs tritt nur in Bull Markets auf, in Zeiten lang anhaltender Haussen, und nur dann kann er die von ihm angestrebten und in Aussicht gestellten Shareholder-Werte schaffen. Er ist eine "Schönwetter"-Erscheinung. Der Investor vernichtet aber Werte aktiv in einer Baisse, weil er dann nur auf der Short-Seite seine Gewinne machen kann.

Je tiefer die Kurse der Aktien sinken, umso besser performen seine Puts oder Short Sales. Je schlechter es den Firmen geht, umso bessere Ergebnisse haben die Short-Operators. Sie sind, das liegt in der Logik ihrer Funktion, an der Vernichtung von Werten interessiert.

Der Unternehmer schafft Werte gerade dann. Er ist ein wirtschaftlicher "Allwetter"-Typ. Er arbeitet nicht nur in den guten Zeiten, wo es ja leicht ist, sondern auch dann, wenn es schlecht geht - und dann umso mehr und härter -, nicht weil er ein "Held" ist, sondern weil er keine andere Wahl hat.

Wohlstand schaffen?

Hier soll nicht einseitig und romantisch das Hohelied des Unternehmers und des angestellten Unternehmensführers, des Managers, gesungen werden. Es ist ihnen damit nicht gedient, dass sie heroisiert und idealisiert werden, wie man es gelegentlich tut und wie es ihnen selbst vielleicht auch gefallen mag. Unternehmer sind nicht die strahlenden Helden der Gesellschaft, die - wie manche behaupten oder fordern - durch ihre visionäre, initiative, kreative und risikofreudige Persönlichkeit in eine bessere Zukunft führen.

Der Unternehmer ist im Gegenteil oft eine ziemlich limitierte Gestalt. Er kann im Grunde nur eines, das aber nicht nur besser als alle anderen, sondern als Einziger: Er kann die Wohlstand schaffende Kapazität seines Unternehmens maximieren und dadurch - auf eine sehr profane Weise und in kleinen Schritten, in guten und in schlechten Zeiten und ganz unabhängig von seinen persönlichen Zielen - dazu beitragen, dass es immer mehr Menschen immer besser geht. Das ist sein Beitrag zur Gestaltung der Wirtschaft und der Zukunft.

Seine Mittel dafür sind Marketing, Innovation und Produktivität. Marketing dient der Schaffung von Kunden; Innovation dient der Schaffung von Neuem, und Produktivität bedeutet, alles jeden Tag besser zu machen. Diese drei Elemente erklären auch, warum der Unternehmer immer wieder sowohl gepriesen als auch gehasst wird. Das Unternehmen ist gleichzeitig das Organ von Prosperität und Stabilität, aber auch das Organ des Wandels und der Veränderung. Die Kreation von Kunden schafft Prosperität und Stabilität. Fortgesetzte Verbesserung der Produktivität und vor allem Innovation bedeuten immer wieder neue Veränderung. Das eine schafft die Besitzstände; das andere zerstört sie wieder, um sie durch neue zu ersetzen. Der aus Österreich stammende Ökonom Joseph Schumpeter hat das klar erkannt und beschrieben.

Der Zweck des Unternehmens

Was also ist Aufgabe und Zweck des Unternehmens? Ich habe schon einleitend gesagt, dass jedermann frei ist, seine eigene Antwort zu geben. Wir haben es hier nicht mit naturgesetzlichen Zwängen zu tun, sondern mit freien Entscheidungen. Man kann daher auch niemanden zwingen, die hier gemachten Unterschiede zu akzeptieren. Man kann nur dazu anhalten oder einladen, die Folgen der verschiedenen Varianten durchzudenken. Dann kommt man rasch zu klaren Schlüssen.

Als Zweck des Unternehmens schlage ich vor, die Schaffung von zufriedenen Kunden zu sehen. Etwas umfassender, aber auch abstrakter formuliert, ist der Zweck des Unternehmens die Transformation von Ressourcen in Nutzen und in Wohlstand. Das kann am besten das Unternehmen des marktwirtschaftlichen Typs. Es ist leider nicht ganz so leistungsfähig, wie man es sich wünscht, aber es ist die einzige Organisationsform, die bis jetzt bewiesen hat, dass sie das überhaupt leisten kann.

Nutzen entsteht immer nur außerhalb eines Unternehmens, beim Kunden, dort, wo für eine Leistung eine Rechnung gestellt werden kann, die eine gute Chance hat, bezahlt zu werden. Im Inneren eines Unternehmens entstehen nur Kosten. Das beste Marketing, die beste Produktion, die beste Produktentwicklung und das beste Personalwesen produzieren nur Kosten. Nur aus diesem Verständnis heraus kann man hoffen, anhaltend und nachhaltig richtige unternehmerische Entscheidungen zu treffen.

Und wie ist es mit dem Gewinn? Der Gewinn ist eine Folge der Zweckerfüllung. Je besser der Zweck erfüllt wird, umso größer wird er sein, wenn man sonst keine Fehler macht. Der Gewinn ist somit nicht selbst der Zweck des Unternehmens, so schwer das auch manchmal einzusehen ist. Er ist das Kriterium der Wirksamkeit, mit der die eigentliche Aufgabe erfüllt wird.

Weitere Management-Tipps von Fredmund Malik finden Sie auf der Themen-Seite "Malik on Management"

Der Beitrag ist ursprünglich in der Reihe "Malik on Management" im Magazin trend. erschienen.

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