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Fredmund Malik: Mit Methode zur erfolgreichen Führungskraft

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18 min
Methode, System und Disziplin sind Grundpfeiler für den Erfolg als Führungskraft.
Methode, System und Disziplin sind Grundpfeiler für den Erfolg als Führungskraft.©Rawpixel Ltd / iStockphoto
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Nicht der gestresste Workaholic ist die erfolgreichste Führungskraft, sondern der wohlorganisierte Manager. Ein Appell des Management- und Leadership-Experten Fredmund Malik für Arbeit mit Methode.

Der Alltag der meisten, die Großes vollbrachten, ist die Fron.

Das schreibt Wolf Schneider in seinem empfehlenswerten Buch "Die Sieger. Wodurch Genies, Phantasten und Verbrecher berühmt geworden sind.", in dem er sich mit den Großen und Berühmten befasst und vor allem mit der Frage, was ihnen zu Größe und Ruhm verhalf.

Er belegt überzeugend anhand konkreter Beispiele, von Leonardo bis Thomas Mann und von Kant und Balzac über Franz Schubert bis Paul Klee, dass, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, alle sehr methodisch arbeiteten. Ihre Arbeitsmethoden waren, und das ist wichtig, in der Regel sehr verschieden - aber alle hatten eine Methode. Keiner arbeitete ohne System und ohne Disziplin.

Die persönliche Arbeitsmethodik ist natürlich auch für Führungskräfte von außerordentlicher Bedeutung. Kaum etwas anderes beeinflusst ihre Wirksamkeit so direkt und so umfassend. Von kaum etwas anderem hängen Resultate und Erfolg von Managern so sehr ab wie von ihrer Arbeitsmethodik.

Effektivität durch Methode

Die große Bedeutung des Themas wird dann klar, wenn man die Effektivität von Menschen mit einer durchdachten Arbeitsmethodik mit jener von anderen vergleicht, die diesem Thema keine Beachtung widmen. Die Unterschiede sind gewaltig, und zwar nicht nur bezüglich der beruflichen Erfolge. Die Wirkung einer methodischen, effizienten Arbeitsweise reicht weit ins Privatleben. Fast alle der so häufig diskutierten Begleiterscheinungen intensiver Arbeit und beruflicher Inanspruchnahme wie Stress, Hetze und Hektik, gesundheitliche Schäden und viele familiäre Querelen kann man, so wage ich zu behaupten, auf Mängel in der Arbeitsweise zurückführen. An viel und harter Arbeit erkrankt man nicht so leicht. Davon wird man nur müde. Man erkrankt an ineffizienter, sinn- und ergebnisloser Arbeit.

Bei aller Bedeutung, die man einer guten fachlichen Ausbildung beimessen muss, ausreichenden Intelligenz, Erfahrung und sonstigen so häufig geforderten Eigenschaften, Fähigkeiten und Talenten - ohne Arbeitsmethodik ist alles wertlos. Es bleibt ungenutztes, nicht realisiertes Potential.

Kreatives Chaos? Manche Leute lehnen methodisch-systematisches Arbeiten ab, weil sie glauben, das stehe im Widerspruch zu kreativer Arbeit. Das ist eine weitverbreitete, aber dennoch völlig falsche Meinung. Das Gegenteil ist richtig. Gerade sehr schöpferische Menschen - jedenfalls die erfolgreichen unter ihnen - zeichnen sich durch eine ausgeprägt systematische Methode des Arbeitens aus. Es ist gerade nicht so, dass Kreativität und chaotisches Arbeiten zusammengehören. Das ist nur bei Pseudo-Kreativen so.

Systematisches und methodisches Arbeiten ist der Schlüssel für die Nutzung von Talenten, für die Transformation von Fähigkeiten in Ergebnisse und eben in Erfolg. Die Frage, ob jemand gelernt hat, systematisch zu arbeiten, muss daher auch ein wichtiges Auswahlkriterium für Führungskräfte sein. Leider kommt das in den Kriterienkatalogen praktisch nie vor.

Wirksamkeit durch individuellen Stil und Methodik

Ebenso bedauerlich ist, dass persönliche Arbeitsmethodik in den akademischen Studiengängen und sonstigen Ausbildungen kaum einen Platz hat. Die meisten Menschen sind auf diesem Gebiet auf sich selbst angewiesen und daher zu Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit auch nicht gut - ja, schlimmer, von einigen Naturtalenten abgesehen, ist die überwiegende Mehrheit schlecht bis miserabel.

So paradox das klingt: Ich habe nur sehr wenig aus Büchern oder in Seminaren über Arbeitstechnik, die ich eine Zeitlang mit großen Hoffnungen und Erwartungen las bzw. besuchte, gelernt. Ich konnte mir das lange nicht erklären. Nicht, dass diese Bücher und Seminare an sich und im üblichen Sinne schlecht gewesen wären, obwohl es natürlich auch solche gab. Das Problem war ein anderes: Sie passten einfach nicht; sie erschienen mir nicht relevant. Die Gründe dafür konnte ich zunächst nicht erkennen. Erst mit der Zeit bin ich dahintergekommen, warum das so war.

Den Hauptgrund der Irrelevanz vieler Seminare und Bücher zum Thema "Arbeitsmethodik" sehe ich heute darin, dass auf falsche Weise verallgemeinert wird. Das ist mein Resultat aus der Beobachtung einer großen Zahl von Managern aller Stufen und vieler Branchen.

Arbeitsmethodik ist etwas sehr Individuelles. Es heißt ja auch nicht ohne Grund "persönliche" Arbeitsmethodik. Keine zwei Menschen arbeiten gleich, auch wenn jeder für sich gesehen sehr methodisch und sehr systematisch arbeitet. Es gibt eben sehr verschiedene Methoden und Systematiken. Genau hier liegt eines der Schlüsselprobleme der meisten Arbeitsmethodik-Seminare: Sie lehren eine Methodik für alle. Ihr Ausgangspunkt ist die Annahme, dass ein und dieselbe Methodik für alle oder zumindest sehr viele Menschen und für alle Situationen geeignet sei. Ihr Inhalt ist somit nicht methodisches Arbeiten an sich, sondern die Vermittlung einer ganz speziellen Systematik mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Das ist ein kapitaler Fehler.

Verallgemeinern kann man die Forderung nach methodischem Arbeiten an sich - für jene, die an Wirksamkeit interessiert sind. Nicht verallgemeinern hingegen darf man die einzelnen Methoden und Techniken und ihre Kombinationen. Alle wirksamen Menschen arbeiten zwar methodisch; aber jeder hat seine eigene Methodik und seine eigene, individuelle Kombination von Methoden und Techniken.

Bestimmende Faktoren für die Arbeitsmethode

Doch welche Arbeitsmethode ist nun die jeweilige "beste"? Das hängt - abgesehen von den individuellen Eigenarten jedes Menschen - von einer Reihe von Umständen und Gegebenheiten ab, die von der Situation bestimmt sind, in die man gestellt ist. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Die Tätigkeit, die jemand ausübt: Innendienst hat eine andere Logik und stellt andere Anforderungen an die Arbeitsmethodik als Außendienst; die Leitung eines produzierenden Werkes andere als die Leitung eines Forschungsressorts; Marketing verlangt anderes Arbeiten als Rechnungswesen.

  • Die Stellung in der Organisation: Es macht einen wesentlichen Unterschied, ob man Mitarbeiter hat oder nicht, ob man viele oder wenige hat; es macht einen Unterschied, ob man in den oberen, mittleren oder unteren Rängen einer Organisation positioniert ist.

  • Das Alter: Niemand arbeitet mit 27 gleich wie mit 47, und zwar nicht nur deshalb, weil er sich in unterschiedlichem Alter auch in unterschiedlichen Positionen befindet. Arbeitstempo und Arbeitsrhythmus ändern sich mit dem Alter; die körperlichen und psychischen Bedingungen sind anders.

  • Der Reisebedarf: Wer berufsbedingt viel unterwegs sein muss, benötigt eine andere Arbeitsmethodik als jemand, der seine Aufgabe im Wesentlichen stationär in seinem Büro an seinem Schreibtisch ausübt.

  • Die Infrastruktur: Wer eine Sekretärin hat, muss und kann anders arbeiten als jemand, der keine hat; mit einer Alleinsekretärin arbeitet man anders zusammen, als wenn man sie mit mehreren Kollegen teilen muss; wer gar über ein ganzes Sekretariat mit mehreren Sekretärinnen und möglicherweise Assistenten verfügt, braucht wiederum eine ganz andere Methodik.

  • Die Organisation: Die Matrixorganisation stellt völlig andere Anforderungen an Methodik, Systematik und Disziplin des Arbeitens als etwa die funktionale Organisation; die Begeisterung für die gegenwärtig so sehr gelobten Netzwerkorganisationen nimmt rasch ab, wenn man an die fast übermenschliche Disziplin denkt, die sie verlangen, wenn sie auch nur einigermaßen funktionieren sollen.

  • Der Chef: Jeder Chef ist anders. Wer einen Chaoten als Chef hat, hat eigentlich nur zwei Möglichkeiten - er wird selbst zum Chaoten und wird vermutlich nie Resultate sehen, oder er ist so extrem diszipliniert, dass er das Chaos seines Chefs in vernünftige Bahnen lenken kann. Wer einen sehr präzise und systematisch arbeitenden Menschen als Vorgesetzten hat, muss wiederum ganz anders arbeiten.

  • Die Branche: In einer Airline wird anders gearbeitet als in einem Modeunternehmen; in einer Versicherungsgesellschaft anders als in einem Nahrungsmittelunternehmen, einem Verlag oder einem Fernsehsender.

Außerdem und vor allem hängt die Arbeitsmethodik sehr von früheren Chefs ab und von zufällig erworbenen Gewohnheiten. Daher muss man sich irgendwann - als Führungskraft und falls einem Wirksamkeit wichtig ist - die Frage stellen: Will ich ein Leben lang abhängig sein von dem, was ich von meinen früheren Chefs übernommen habe, und von zufällig erworbenen Gewohnheiten?

Die Verschiedenartigkeiten, die aus der jeweiligen Situation resultieren, machen es also unsinnig, eine und eine gar für alle gleiche Arbeitsmethodik zu empfehlen oder zu vermitteln. Im Gegenteil: Das führt geradewegs in die Ineffizienz; auf diese Weise wird die Arbeitsmethodik nicht zur Hilfe, sondern zur persönlichen Zwangsjacke und führt zur Strangulierung der Leistungsfähigkeit.

Der regelmäßige Re-Check

Es genügt nicht, Arbeitsmethodik als solche zu verlangen oder eine solche zu haben. Man braucht die richtige Methode für seine individuelle Situation. Man kann ja auch auf sehr systematische Weise ineffizient sein. Es gibt gar nicht so wenige Menschen, die sich selbst systematisch und methodisch unwirksam machen - weil sie eine einmal erworbene Methode, die durchaus einmal richtig gewesen sein mochte, stur beibehalten, obwohl ihre Situation sich inzwischen deutlich geändert hat. Jede Arbeitsmethodik muss daher von Zeit zu Zeit und besonders bei bestimmten Anlässen auf ihre Tauglichkeit überprüft und unter Umständen angepasst oder auch radikal verändert werden, so schwer das den meisten auch fällt.

Überall wird von Wandel, von Dynamik, von Veränderung gesprochen - mit Recht. Die praktische Konsequenz ist, dass sich etwa alle drei Jahre, längstens alle fünf Jahre, die Anforderungen selbst bei an sich gleichbleibendem Job verändern. Daher muss man die Art seines Arbeitens in regelmäßigen Abständen auf den Prüfstand stellen und gründlich durchdenken. Das kostet nicht unbedingt viel Zeit. Ein oder zwei verregnete Wochenendtage genügen fast immer. Es erfordert eher Disziplin und nicht nachlassendes Interesse an seiner persönlichen Effektivität.

Neue Aufgaben erfordern neue Methoden

Eine neue Aufgabe erfordert fast immer auch eine geänderte Arbeitsweise. Das ist eigentlich so offenkundig, dass es kaum erwähnenswert erscheint. Trotzdem werden in diesem Zusammenhang so viele Fehler gemacht, dass man besonders darauf hinweisen muss. In der Regel werden die Mitarbeiter zwar fachlich auf die neue Aufgabe vorbereitet, nur selten aber auf ihre Arbeitsmethodik.

Eine höhere Position ist meistens auch mit neuen Aufgaben verknüpft. Was aber die meisten Neubeförderten nicht beachten, ist einer der wichtigsten und häufigsten Gründe für Versagen in der neuen Position. Die Grundregel lautet: Was einem die Beförderung einbrachte, ist in der neuen Position fast immer eher hinderlich, als dass es förderlich wäre. Man kann fast mit Sicherheit davon ausgehen, dass man nicht auf die gleiche Weise weiterarbeiten kann wie an der früheren Stelle.

Veränderung der Situation erfordert Flexibilität

Es macht einen großen Unterschied, ob man in einer Firma "Business-as-usual" hat oder ob das Unternehmen durch eine Krisenphase geht; ob das Unternehmen expandiert oder schrumpft. Die Situation ist anders, wenn man neue Mitarbeiter und neue Kollegen bekommt. Diese Regel bezieht sich übrigens auch auf das Privatleben, das man unter allen Umständen in seine Arbeitsmethodik integrieren muss. Es macht für die Arbeitsweise einen großen Unterschied, ob man ein Single ist oder einen festen Partner hat, ob man kinderlos ist oder Kinder hat; und es macht einen erheblichen Unterschied, ob man kleine oder erwachsene Kinder hat.

Ich habe Manager kennengelernt, die zwei verschiedene Kalender führten, einen für die beruflichen Termine und einen anderen für die privaten. dass das nicht lange gutgehen kann, müsste auf der Hand liegen.

Jede dieser hier skizzierten Situationen erfordert ein neues Durchdenken und eine Überprüfung der persönlichen Arbeitsmethodik und fast immer auch mehr oder weniger tiefgreifende Anpassungen in der Art und Weise, wie man arbeitet.

Man wird für die damit verbundenen Mühen aber reichlich entschädigt. Das Ziel einer fortgesetzt verbesserten und immer wieder neu optimierten Arbeitsmethodik ist ja nicht - wie so viele immer wieder unterstellen - immer mehr und härter zu arbeiten, obwohl auch das heute vielen nicht erspart bleibt. Das Ziel ist nicht der Workaholic. Im Gegenteil: "Don't work harder, work smarter", wie man im Englischen so treffend sagen kann; das muss das Ziel sein.

Grenzen ausloten

Natürlich ist es auch ein Ergebnis einer optimierten Arbeitsmethodik, dass man mehr leisten kann, größere Aufgaben übernehmen und diese besser bewältigen kann. Kaum jemand kann Erfolg haben und Karriere machen wollen, ohne die Bereitschaft und die Fähigkeit, mehr und Größeres zu leisten. Das wird wohl immer nötig sein. Nicht nötig hingegen ist es, sich damit und deswegen gesundheitlich kaputtzumachen, das Familienleben zu opfern und auf die schönen Seiten des Lebens zu verzichten.

Mein Vorschlag ist - er ist das Ergebnis persönlicher Erfahrung sowie der Beobachtung und Analyse zahlreicher Führungskräfte -, an die persönliche Arbeitsmethodik mit einer lockeren, aber sportiven Haltung heranzugehen. Jede Art von Verkrampftheit und Zwanghaftigkeit ist von Übel, genauso wie im Sport und im Training. Genau wie dort ist aber Leistungsorientierung nötig. Wegleitend sollte die Frage sein: "Mal sehen, was noch drin liegt?"

Man sollte mit sich selbst und seiner Arbeitsweise etwas experimentieren und das eine oder andere Neue ausprobieren. Was einem nicht passt, lässt man wieder fallen; was einem hilft, behält man bei. Mit den Erfolgen, die mit Sicherheit schon bald eintreten, kommt die Freude am Erfolg und die Lust, noch ein bisschen weiter zu experimentieren.

Die Motive für die Verbesserung der Arbeitsmethodik sind nicht besonders wichtig. Der eine tut es, um eine steile Karriere zu machen; der andere, um mehr Freizeit zu haben. Warum man es tut, ist weniger wichtig, als dass man es tut.

Weitere Management-Tipps von Fredmund Malik finden Sie auf der Themen-Seite "Malik on Management"

DER AUTOR

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DER AUTOR

Fredmund Malik

 © beigestellt

Der 1944 in Lustenau, Vorarlberg, geborene Fredmund Malik ist einer der führenden Management-Experten im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Er ist Gründer, Inhaber und Chairman von Malik Management, dem weltweit führenden Unternehmen für ganzheitliche General Management-, Leadership- und Governance-Lösungen mit Zentrale in St. Gallen und Niederlassungen in Adelaide, Berlin, Hanoi, London, Peking, Toronto, Wien und Zürich.

Der Beitrag ist ursprünglich in der Reihe "Malik on Management" im Magazin trend. erschienen.

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