Trend Logo

Malik on Management: Die glorreichen 40er

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
18 min
Läufer

Einnentscheidender Schritt für Manager ab 40: Interessen außerhalb des Berufs finden und regelmäßig Sport betreiben, um die geistige und körperliche Fitness zu erhalten.

©Getty Images
  1. home
  2. Business
  3. Karriere

Manager in ihren 40ern. Sie haben es geschafft. Endlich erfahren und erfolgreich. Doch Fredmund Malik warnt zur Vorsicht: Nur wenn Sie sich nicht von der Routine überrollen lassen, werden Sie noch mehr Spaß im Beruf und Privatleben haben.

von

Die Phase der Vierziger kann eine der fruchtbarsten, interessantesten und spannendsten Perioden in praktisch jeder Hinsicht sein. Sie kann aber auch eine Zeit der beruflichen und privaten Stagnation, der Langeweile, der Krise und des beginnenden Niedergangs sein. Man hat das zwar nicht zur Gänze, aber doch weitgehend in der eigenen Hand.

Jede Laufbahn- und Lebensphase hat ihre Schlüsselfragen und speziellen Herausforderungen. Für die Vierziger lauten die Herausforderungen:

  • Gründliche Neuorientierung in beruflicher Hinsicht.

  • Umfassende Integration von Beruf und Leben.

  • Innerlich unabhängig werden von Karriere.

  • Aufhören mit Identifikation.

Für das gesamte Thema der Laufbahngestaltung gilt, dass man Beruf und Leben nicht gleichsetzen, wohl aber integrieren soll. Man muss diese beiden Bereiche klar unterscheiden, gerade damit man sie überhaupt vernünftig zusammenbringen kann. In der Phase der Vierziger ist das von erstrangiger Bedeutung.

Die berufliche Seite der 40er

Die Vierziger befinden sich in einer eigentümlichen und gefährlichen Situation. Um die Vierzig herum ist man als Manager und Managerin zum ersten Mal im Leben professionell wirklich gut - falls man es überhaupt je wird. Oder anders gesagt: Wer mit Vierzig noch nicht kompetent ist, wird es wohl nie mehr werden.

Man ist ein Könner, und zwar in einem erstmals umfassenden Sinne. Die Gründe dafür sind ebenso einfach wie einsichtig: Zum Ersten ist man fachlich kompetent. Die Ausbildung, die man hat, ist noch immer relevant. Man versteht etwas von seinem Metier. Zwar ist man ein gutes Jahrzehnt, vielleicht länger, weg von der Universität. Aber bei allem Respekt vor der Geschwindigkeit der Veränderung und der Verkürzung der Halbwertszeit des Wissens, so dramatisch schnell, wie manche Leute behaupten, geht es auch wieder nicht, zumindest nicht in allen Disziplinen.

Man ist, wie gesagt, ein Könner. Im selben Augenblick aber ist man auch etwas anderes. Man ist auch ein Routinier. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Und damit läuft man Gefahr, dass der Beruf - und vielleicht auch das Leben - ein bisschen langweilig zu werden beginnt. Es häufen sich die Wiederholungseffekte - tout deja vu -, eben die Routine.

Alt wird man nicht mit sechzig; alt wird man mit vierzig.

Fredmund MalikWirtschaftswissenschaftler

Schleichend wächst ein Risiko: die Gefahr der vorzeitigen Senilität. Alt wird man nicht mit sechzig; alt wird man mit vierzig - nämlich dann, wenn das Leben keine neue Herausforderung mehr bietet. In dieser Phase muss man auch damit rechnen, dass die Laufbahn einen ersten Knick erfährt, so gut sie bis dahin auch gelaufen sein mag. Mein Kollege wurde zu Jahresbeginn befördert, leider nicht ich ... Man darf nicht übersehen, dass für die meisten Führungskräfte jene Position, die sie in ihren Vierzigern erlangt haben, auch die Endstation ihrer Karriere ist. Es ist möglich, größere Aufgaben zu bekommen, aber nur mehr limitiert auch höhere.

Das ist, grob skizziert, die berufliche Seite der Situation des Vierzigers.

Die private Seite der 40er

Ganz ähnlich sieht es in der Regel mit dem Privatleben aus. Es zeigen sich die ersten Abnützungserscheinungen und Scheuerstellen. Die Ehe? Nun ja, man ist ja doch schon ziemlich viele Jahre mit demselben Partner zusammen. Die Dinge beginnen auch hier, sich zu wiederholen. Der Neuheitsgrad wird geringer. Die Verliebtheit ist vorbei, und die Liebe ...? Man hat schon viel erreicht, wenn man sich mag, wenn man sich gegenseitig schätzt und respektiert. Aber Liebe ...? Gemäß Statistik wird bekanntlich ein Drittel aller Ehen geschieden; ein weiteres Drittel ist nur mit großer Disziplin zu ertragen, und dann, so hört man, soll es noch ein Drittel gut gehender Ehen geben.

Und schließlich merkt man auch an ersten Anzeichen, dass man selbst nicht jünger wird. Früher konnte man nächtelang durchfeiern, ohne etwas zu spüren; Jetlag bei Interkontinentalreisen kannte man nicht. Jetzt ist das alles eher beschwerlich, und in den Discos fühlt man sich eigentümlich deplatziert.

Schleichend wächst eine zweite Gefahr: die erste Midlife Crisis mit ihren Zweifeln an der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns.

Was ist zu tun? Wenn man sich mit jenen Menschen näher befasst, die die Phase der Vierziger nicht nur gemeistert, sondern aus den latenten Gefahren sogar Chancen zu machen verstanden haben, dann kann man ein Grundmuster erkennen: Sie haben als Erstes eine nüchterne Lagebeurteilung vorgenommen, und dann haben sie drei oder vielleicht vier Maßnahmen getroffen. Ich behaupte hier nicht, dass das immer bewusst und systematisch geschah. Manche hatten einfach Glück, der Zufall hat ihnen geholfen; manche haben das eher instinktiv oder intuitiv richtig gemacht. Das "Wie" ist nicht entscheidend; dass man es tut, ist wesentlich.

Berufliche Karriere ist eines; ein erfülltes Leben ist etwas anderes.

Fredmund MalikWirtschaftswissenschaftler

Die Lagebeurteilung vornehmen

Als Erstes muss man eine präzise, illusionsfreie, realistische Lagebeurteilung vornehmen: Was kann ich? Was kann ich nicht? Was habe ich erreicht, was sind meine wirklichen Erfolge? Und was habe ich - leider - nicht erreicht? Was liegt noch drin in meiner Laufbahn, und was wird - leider - wahrscheinlich nicht mehr möglich sein?

Das sind die wesentlichen Fragen, die man sich stellen muss. Das Schwierigste daran ist, sie wahrheitsgetreu zu beantworten. Nur wenige Menschen vermögen allerdings in eigener Sache jenen Realismus aufzubringen, der dazu nötig ist. Für die meisten ist dabei Hilfe von anderen ziemlich wichtig.

Maßnahmen setzen

Gestützt auf die Situationsbeurteilung, muss man drei Maßnahmen ins Auge fassen, und zwar nicht als Alternativen, sondern kumulativ. Wer alles nur auf den Beruf setzt, geht das Risiko großer Enttäuschungen ein. Alle Maßnahmen sind darauf gerichtet, sich neue Herausforderungen zu schaffen, neue und größere Horizonte zu eröffnen, sich selbst zu verjüngen, sich neue Ziele zu geben und sein Leben in einen neuen Kontext zu stellen. Es geht um die Integration von Beruf und Leben. Sie haben weiter den Zweck, Auffanglinien für Rückschläge zu bilden. Man braucht mehrere Pfeiler, um in Krisen Halt zu haben.

1. Neugestaltung der beruflichen Situation

In der Lebensphase der Vierziger muss man sehr gründlich durchdenken, ob man sich nicht beruflich neu orientieren sollte. Es ist zwar nicht die letzte Gelegenheit dazu, aber in vielerlei Hinsicht ist es die beste. Zugegebenermaßen wird es nicht immer möglich und vielleicht sogar überhaupt nicht wünschenswert sein; aber man muss darüber nachdenken.

Berufliche Neuorientierung kann heißen, das Unternehmen zu wechseln, ja sogar die Branche. Es kann aber auch heißen, im selben Unternehmen weiterzuarbeiten, aber in einer anderen Position. Es kann auch bedeuten, auf derselben Position zu bleiben, aber mit neuen Zielen und größeren Aufgaben. In dieser Phase hat man auch fast die letzte Möglichkeit, sich selbstständig zu machen.

Natürlich braucht man nicht zwanghaft nach einer Veränderung zu drängen. Vielleicht kommt man zum Ergebnis, dass der Beruf in Ordnung ist. Ausgezeichnet. Dann hat man einen Frontabschnitt weniger. Vielleicht ist das Ergebnis auch, dass man leider nichts Wesentliches ändern kann. Dann sind die anderen Maßnahmen umso wichtiger.

2. Die Außenorientierung

Weil man nicht nur ein Könner, sondern eben auch ein Routinier ist, kann man über den Beruf hinaus zusätzliche Aufgaben übernehmen. Sie sollten außerhalb des Unternehmens und außerhalb des Berufs liegen. Das ist besonders dann wichtig, wenn die Möglichkeiten zur beruflichen Neuorientierung eher limitiert oder gar nicht gegeben sind. Der Mensch ist ja nicht nur ein "Arbeiter", er ist auch ein Bürger. Ohne Erfüllung eines Minimums an Bürgerpflichten ist unsere Gesellschaft nicht funktionsfähig.

Wofür man sich engagiert, muss jeder für sich selbst entscheiden. Die Möglichkeiten sind wahrscheinlich noch nie so groß gewesen wie heute. Sie reichen von politischem Engagement über die Arbeit für Verbände, Kammern und andere Interessenvertretungen, für Kulturorganisationen, Service-Klubs und die zahllosen Vereine bis zum Einsatz für gemeinnützige Organisationen.

3. Aufbau neuer Interessen

Die Vierziger sind die Phase, in der man spätestens beginnen muss, sich neue und echte Interessengebiete aufzubauen, sich etwas zu schaffen oder zu erschließen, was einen erfüllen und vielleicht begeistern kann, etwas, das Spannung ins Leben bringt oder wenigstens Abwechslung.

Auch hier gilt: Wofür man sich entscheidet, ist eine persönliche Angelegenheit. Für den einen ist es alte Geschichte und für den anderen moderne Malerei; in einem dritten Fall mögen es größere Reisen sein und in einem vierten die anspruchsvolle Landschaftsfotografie. Es muss etwas sein, das geeignet ist, einen Teil der Schönheiten der Welt zu erschließen. Kein Beruf und keine Firma können ein Leben lang spannend sein. Diese Erfahrung machen nicht etwa nur Angestellte und Arbeiter, sondern auch viele selbstständige Unternehmer, die noch am ehesten in der privilegierten Lage sein könnten, dass ihnen ihre Tätigkeit ein Leben lang Freude macht. Fast alle Menschen brauchen über die Arbeit hinaus noch etwas anderes.

4. Stabilität ins Leben bringen

Ein Stuhl steht bekanntlich erst auf drei Beinen stabil. Genau diese Funktion erfüllen die drei hier vorgeschlagenen Maßnahmen. Das erste Bein ist der Beruf. Auch wenn die Arbeitszeit als solche stetig sinkt, nimmt der Beruf doch den größten Teil unserer aktiven Zeit ein. Daher muss man dafür sorgen, dass er - so gut wie möglich - interessant bleibt. Ich schreibe bewusst nicht, dass er Freude machen soll. Wenn er es tut, umso besser. Aber man kann nicht damit rechnen, dass das ein Leben lang der Fall sein wird.

Das zweite Stuhlbein ist die Außenorientierung, der Bürgerdienst an der Gemeinschaft. Auch und gerade dann, wenn der Beruf aus irgendeinem Grund keine Freude mehr macht, ja vielleicht nicht einmal mehr interessant sein kann, wenn er vielleicht sogar zu einer Quelle von Frustration geworden ist, dann braucht man etwas, wofür man sich einsetzen kann, wo man gebraucht wird und wo man mit seinen Fähigkeiten einen sichtbaren Nutzen stiften kann.

Der dritte Anker sind die Interessen, die man hat. Der Mensch kann, das hat er immer wieder bewiesen, sehr viel ertragen. Rückschläge, Leid, berufliche Stagnation und vieles mehr lassen sich aushalten, so lange man z. B. sagen kann: "Am Wochenende gehe ich in die Berge ..." oder "In den nächsten Wochen muss das neue Projekt für das Altersheim ausgearbeitet werden ...". Wenn man nur eine Sache im Leben hat, seinen Beruf, ist man zu stark gefährdet. Das ist zu einseitig. Schon geringe Rückschläge und Schwierigkeiten können sich zu beachtlichen Krisen auswachsen, wenn man nichts zum Ausgleichen hat.

Wirklich zuverlässig stabil stehen Stühle allerdings erst auf vier Beinen. Der vierte Festpunkt ist für die meisten Menschen in der einen oder anderen Weise die Familie im engeren oder weiteren Sinne, und für viele sind es darüber hinaus ihre Freunde, also das private Umfeld. Es ist ein bisschen unmodern geworden, die Familie als eine Quelle von Kraft und Sinn zu sehen; manche wollen sie überhaupt auflösen.

Ich sagte weiter, dass man beginnen sollte, innerlich unabhängig zu werden von der Karriere. Es ist mir sehr bewusst, dass das ein bisschen leichter gesagt als getan ist. Bloße Appelle nützen hier wenig, und auch der gute Vorsatz wird noch nicht helfen. Es muss schon handfester sein. Das ist der Grund, weshalb ich neben beruflichen Maßnahmen eben auch noch zwei bzw. drei weitere vorgeschlagen habe.

Berufliche Karriere ist eines; ein erfülltes Leben ist etwas anderes. Nicht jeder kann das Erste erreichen. Das Zweite ist in wesentlich größerem Umfang aber für die meisten möglich, und zwar dann, wenn man eben im Beruf nicht alle Ziele erreichen kann.

Gerade das ist der Grund, weshalb ich auch immer wieder empfehle, sich nicht mit einem Beruf, einer Firma, einer Stelle zu identifizieren. Wenn die Dreißiger das noch tun, mag es in Ordnung - im Sinne von tolerabel - sein. Die Vierziger sollten aber damit aufhören, weil es fast immer schlecht ausgeht. Es ist übrigens bis heute auch keinerlei Zusammenhang zwischen Identifikation und Leistung nachgewiesen worden.

Auf die Fitness achten

Ein letzter Hinweis mag dienlich sein. Ich sagte, alt werde man nicht mit sechzig, sondern mit vierzig, nämlich dann, wenn das Leben keine neuen Herausforderungen mehr bietet. Das gilt, wie ich meine, in einem sehr umfassenden Sinne, und es gilt für jede Person. Man muss also etwas tun, um jung zu bleiben. Das gilt für das geistige und psychische Jungbleiben. Das gilt aber auch ganz direkt und kompromisslos für die körperliche Fitness. Die Vierziger sind die Zeit, in der man gut beraten ist, ein bisschen Sport in sein Leben einzubauen.

Es muss nicht viel sein. Es braucht auch nichts Großes zu sein - obwohl es schon ein ungemein stimulierendes Ziel sein kann, z. B. einen Marathonlauf durchzustehen. Es muss also nicht, es darf aber durchaus etwas Großes sein.

Gerade für Führungskräfte ist es von hohem Wert, gelegentlich an die eigenen Grenzen zu gehen - und darüber hinaus. Wie auch immer, ohne ein Minimum an sportlicher Betätigung wird man sehr rasch tatsächlich alt. Man legt Gewicht zu; Haut, Gewebe und Muskeln werden schlaff, man gerät bei geringster Anstrengung außer Atem; Gelenke und Rücken beginnen zu schmerzen; man wird unansehnlich.

Die positiven Wirkungen maßvoller, aber regelmäßiger sportlicher Betätigung sind so klar und eindeutig, dass man eigentlich nicht viel dazu sagen muss. Die Wirkungen von Sport sind körperlich positiv, aber, wie ebenfalls über jeden Zweifel hinaus nachgewiesen ist, auch psychisch und geistig. Fitness ist ein sehr umfassender Begriff, und er ist gerade für Manager sehr wichtig. Führungskräfte, die ein Minimum an Fitness haben, sind in der Regel belastbarer, sie bewältigen mehr und größere Aufgaben, sie können Stress besser aushalten oder empfinden ihn gar nicht, und sie haben sich selbst und ihre Situation besser unter Kontrolle.

Soweit zum Lebens- und Laufbahnabschnitt der Vierziger. Wer hier die Weichen richtig stellt, braucht sich in der Regel für seine Fünfziger keine Sorgen zu machen.

Weitere Management-Tipps von Fredmund Malik finden Sie auf der Themen-Seite "Malik on Management"

Der Beitrag ist ursprünglich in der Reihe "Malik on Management" im Magazin trend. erschienen.

LeadershipMalik on Management

Über die Autoren

Logo
Abo ab €16,81 pro Monat