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Konfliktmanagement: Prävention und Deeskalation in Unternehmen

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26 min
Konflikte in Unternehmen können teuer werden. Als Konfliktmanagement in Prävention und Deeskalation zu investieren lohnt sich.
Konflikte in Unternehmen können teuer werden. In Prävention und Deeskalation zu investieren lohnt sich.©nullplus
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Wenn Konflikte eskalieren können Unternehmen hohe Kosten entstehen. Ein Leitfaden, wie Konflikte zwischen Mitarbeitern und Abteilungen bewältigt werden. Wie Konfliktmanagement funktioniert und wie eine Prävention bzw. eine Mediation und Deeskalation möglich sind.

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Konflikte und ihre Kosten

Die Pause dauert länger als gewöhnlich. An leeren Schreibtischen läuten unbeachtet die Telefone, dringende Auftragsanfragen bleiben unbeantwortet. Die Mitarbeiter stehen am Gang beim Kaffeeautomaten und diskutieren im gedämpften Ton. Das Team fühlt sich vom neuen Vertriebsleiter gemobbt: Das bringt die ganze Produktionskette außer Tritt - und kostet dem Unternehmen Geld. Viel Geld.

Wo Menschen zusammenarbeiten, gemeinsam den besten Weg zu einem Ziel oder kreative Lösungen finden müssen, entstehen Konflikte. "Das ist normal," sagt Alexander Insam, Rechtsanwalt, Partner und Mediator bei GSK Stockmann. "Wird allerdings aus dem Miteinander ein Gegeneinander, kann das schnell einige Betriebsmillionen ausmachen." Der Deutsche Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mediator hat im Rahmen einer KPMG-Konfliktkostenstudie die Kosten von Reibungsverlusten in Industrieunternehmen ermittelt. Dafür wurden reale Fallbeispiele deutscher Unternehmen dokumentiert und aus dem daraus entstandenen Produktivitätsverlust deren Kosten errechnet.

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Alexander Insam, Rechtsanwalt, Mediator

© www.martinjoppen.de

"Die entscheidende Maßeinheit für die Kostenbewertung ist die durch den Konflikt verlorene Arbeitszeit", erklärt Insam. Dazu zählt nicht nur die Dauer einer Auseinandersetzung, sondern auch die Zeit, die vergeht, bis sich die Böen wieder gelegt haben und die Arbeit tatsächlich wieder aufgenommen wird: "Streitet ein Mitarbeiter eine Stunde lang mit seinem Chef und verlässt pünktlich zum Dienstschluss das Unternehmen, stehen schon zwei Stunden Arbeitszeit am Konfliktkonto. Regt sich der Vorgesetzte noch weiter auf und verspätet sich deswegen beim nächsten Meeting, kommen noch die Kosten für die Wartezeit der Teilnehmer dazu."

Berechnung der Konfliktkosten

Eine Konfliktkostenberechnung ist eine komplexe Sache: Auch verlorene Produktionszeit durch innere Kündigung, Krankmeldung und Fluktuation gehören dazu. Nicht zu vergessen: Folgekosten wie entgangene Aufträge und arbeitsrechtliche Maßnahmen.

Grundsätzlich gilt: Mit jeder Person mehr, die in den Konflikt involviert wird, steigen die Kosten exponentiell. "Kommt es im fortgeschrittenen Stadium zu Debatten und die Kaffeepausen verlängern sich um zehn Minuten, sind das bei zwanzig Mitarbeitern bereits über drei Stunden, also enorme Auswirkungen auf die eigentlich anders verplante Arbeitszeit." Als groben Richtwert nennt Insam 20 Prozent der Personalkosten, die seiner Erfahrung nach für Konfliktkosten angesetzt werden müssen.

Beispiel: Ein Teamkonflikt mit Mobbing

In einer Vertriebsabteilung wird die langjährige Abteilungsleiterin durch einen neuen jungen Leiter ersetzt. Konsequenzen: Spannungen zwischen der Stellvertreterin, dem Neuen und anderen Mitarbeitern treten auf. Ein Mitarbeiter geht, der Betriebsrat ortet Mobbing. Die erste Maßnahme, eine Vielzahl von Gesprächen, fruchtet nicht. Im Gegenteil, weitere Eskalation folgt: Der Betriebsrat fordert die Kündigung des Neuen, der mit Abfindung das Unternehmen verlässt. Gelöst wird der Konflikt schließlich nach zwei Mediationsverfahren und der Einstellung einer neuen Abteilungsleiterin.

Konfliktdauer: drei Jahre und sechs Monate. Gesamtkosten: 433.500 Euro.

Problemfeld

Kosten

Fluktuation

€ 140.000

Krankheits-/Fehltage

€ 7.500

Kontraproduktives Verhalten

€ 150.000

Kunden/Lieferanten

€ 6.000

Mängel in der Projektarbeit

€ 30.000

Entgangene Aufträge

€ 5.000

Über-/Unterregulierung

€ 30.000

Arbeitsrechtliche Maßnahmen

€ 65.000

Beispiel: Betriebsratskonflikt

In einem Industriebetrieb schwelt seit Jahren ein Konflikt zwischen Betriebsrat und Leitung. Es geht um Tarifverhandlungen und "weiche Faktoren", etwa Kommunikationsregeln. Eskalation droht -Streik, Presseveröffentlichung oder Gericht stehen im Raum. Auf übergeordneter Ebene wird ein Mediationsverfahren eingeleitet. Nach sechs ganztägigen Sitzungen wird eine nachhaltige Lösung gefunden. Gut, denn eine Eskalation hätte weitere Kosten verursachen können: bis zu 100.000 Euro bei einem Gerichtsverfahren oder geschätzte 400.000 Euro pro Tag im Streikfalle. Schwer zu beziffern ist der Imageverlust durch Presseberichte auf die Firma bzw. das Produkt.

Beteiligte Mitarbeiter: 16 Personen, die 30 Minuten pro Woche in den Konflikt "investieren", also 225.000 Euro pro Jahr.

Problemfeld

Kosten

Fluktuation

€ 2.500

Kontraproduktives Verhalten

€ 25.000

Entgangene Arbeitszeit durch Mediation

€ 17.800

Über-/Unterregulierung

€ 225.000

Spesen

€ 4.000

Mediation zum Konfliktzeitpunkt

€ 225.000

Eskalationsstufen und Konfliktmanagement

"Ohne Konflikte geht es nicht, sie sind daher per se nicht negativ", meint die Wiener Arbeits- und Organisationspsychologin und Mediatorin Christine Priesner. "Entscheidend ist die Art des Umgangs mit ihnen. Nicht gelöste Konflikte können gravierende individuelle und organisatorische Folgewirkungen haben."

Definitionen dafür was ein Konflikt ist gibt es viele. Der österreichische Konfliktforscher Friedrich Glasl beschreibt ihn als eine Unvereinbarkeit mit anderen Personen, die im Denken, Fühlen oder Handeln so wahrgenommen wird. "Es genügt, wenn nur eine Person eine Unvereinbarkeit wahrnimmt, um von einem Konflikt zu sprechen", ergänzt Priesner.

Brenzlig wird es, wenn auftretende Spannungen nicht sofort bearbeitet werden. Denn dann setzt eine Dynamik ein: Die Eskalation hat Glasl zur Orientierung in seinem Neun-Stufen-Modell beschrieben. Von Stufe eins wie "Verhärtung" bis Stufe neun wie "gemeinsam in den Untergang".

9 Konflikt-Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl

1. Ebene: „Win-Win“.

Bei dieser Ebene ist der Ausgang noch offen. Es geht noch um die Sache und der Konflikt kann sich in jede Richtung entwickeln. Bei einer Einigung profitieren beide Parteien. In dieser Ebene gibt es 3 Stufen:

  • 1. VERHÄRTUNG. In einer Meinungsverschiedenheit nehmen Spannungen zu, Rollen kristallisieren sich heraus. Grüppchenbildung.

  • 2. DEBATTE. Es kommt zu verbaler Gewalt, Polemik, Schwarzweißdenken. Der andere wird unter Druck gesetzt, taktisches Verhalten.

  • 3. TATEN STATT WORTE. Emotionen nehmen zu, Konkurrenz wird größer als Kooperation, die Konfliktparteien gehen zu Taten über.

2. Ebene: „Win-Lose“.

Ab der zweiten Ebene gibt es mit großer Wahrscheinlichkeit Gewinner und Verlierer im Konflikt gibt. Der Streit ist zwar noch lösbar, allerdings erfordert es ab jetzt auch mehr Mühe. Es wird persönlicher. Auch in dieser Ebene gibt es wieder 3 Stufen:

  • 4. KOALITIONEN. Sympathisanten für die eigene Idee werden gesucht. Es geht nicht mehr um die Sache, sondern ums Gewinnen.

  • 5. GESICHTSVERLUST. Öffentliche, direkte Angriffe, Unterstellungen, Kampf um Ideologie. Verlust der moralischen Glaubwürdigkeit.

  • 6. DROHSTRATEGIEN. Versuch, mit Drohungen Macht zu demonstrieren, Kontrolle zu bewahren. Gegner manövrieren sich in Sackgasse.

3. Ebene „Lose-Lose“

In diesem Stadium gibt es keine Gewinnerinnen und Gewinner mehr, sondern nur noch Verliererinnen und Verlierer. Es geht nur mehr ums Prinzip. Der Konflikt befindet sich mittlerweile auf so hohen Eskalationsstufen, dass er nicht mehr nachhaltig gelöst werden kann:

  • 7. BEGRENZTE VERNICHTUNG. Ziel ist, dem "feindlichen System" zu schaden. Der Gegner wird nicht mehr als Mensch angesehen.

  • 8. ZERSPLITTERUNG. Heftige Vernichtungsaktionen, die Macht-und Existenzgrundlage des Gegners soll zerstört werden.

  • 9. GEMEINSAM IN DEN ABGRUND. Totale Konfrontation. Ab hier wird die eigene Vernichtung einkalkuliert, um den Gegner zu besiegen.

  • Stufe 1-6: Selbsthilfe ist noch möglich, etwa mit dem Einsatz von Moderation.

  • Stufe 4-7: Professionelle Mediation kann helfen.

  • Stufe 8-9: Jetzt sind Polizei oder Gericht am Wort.

Konfliktmanagement bei funktionalen und dysfunktionalen Konflikten

Wesentlich ist die Unterscheidung zwischen funktionalen und dysfunktionalen Konflikten. Bei funktionalen Konflikten handelt es sich um solche, die langfristig nützlich sind. Dysfunktionale Konflikte, etwa Boykott oder Mobbing, hingegen führen zu einer allgemeinen Verschlechterung und dienen nicht der Zielerreichung bzw. gehen auf Kosten einer oder beider Parteien.

Häufig führen strukturelle Gegebenheiten - etwa bestimmte Kommunikationsmuster und Rollenunklarheiten - zu Auseinandersetzungen wie im Falle eines Führungskonflikts (siehe Beispiel "Führungskonflikt zweier Ressorts", unten). "Menschen sind ja keine Computer, die Konflikte rein auf Sach-und Logikebene lösen. Sie bringen immer die Beziehungsebene mit hinein", sagt Insam. Wenn ein Projekt richtig schiefgeht, liegt meist eine Mischung aus Sach-und Beziehungsproblem zugrunde. "Wobei sich die einzelnen Bestandteile dieser Gemengelage meist nur schwer auseinanderdividieren lassen."

Beispiel: Führungskonflikt zweier Ressorts

Zwischen zwei IT-Abteilungen in einem internationalen Konzern geht es um gegenseitige Schuldzuweisungen wegen nicht eingehaltener Abgabetermine (Über-und Unterregulierung) und um unklare Aufgabenbereiche. Zahlreiche Gespräche der Abteilungsleiter mit ihren Vorgesetzten bleiben ergebnislos. Das extra eingeführte Dokumentationssystem zur Analyse der Arbeitsvorgänge dient mehr der eigenen Absicherung gegen Vorwürfe der anderen Partei, produktiver machen sie nicht. Viele Mitarbeiter reagieren auf die Gesamtsituation mit "innerer Kündigung" und Burn-out (Fluktuation, Krankheits-und Fehltage), schließlich wird der Betriebsrat eingeschaltet.

Die Lösungsstrategie für die Zukunft: Mediationsteams erstellen erst eine systemische Konfliktanalyse (inklusive Auswirkungen) und implementieren dann ein Konfliktmanagementsystem.

Beteiligte Personen: 98 Mitarbeiter, davon elf Führungskräfte. Konfliktdauer 2 Jahre. Kosten: 6.652.000 Euro

Problemfeld

Kosten

Fluktuation

€ 500.000

Krankheits-/Fehltage

€ 134.000

Kontraproduktives Verhalten

€ 1.208.000

Mängel in der Projektarbeit

€ 2.200.000

Über-/Unterregulierung

€ 2.600.000

Arbeitsrechtliche Maßnahmen

€ 10.000

Präventives Konfliktmanagement: 5 Empfehlungen zum Umgang mit dysfunktionalen Konflikten

Schlecht oder gar nicht gelöste Konflikte wirken sich immer auf das Unternehmensergebnis aus. Wie dysfunktionalen Konflikten vorgebeugt werden kann

1. Führungsqualitäten

Bei der Bestellung von Führungskräften ist auf Selbstmanagementfähigkeiten und Sozialkompetenz gleichermaßen zu achten wie auf das Fachwissen. Nur wer den Konfliktverlauf bewusst wahrnimmt und lösungsorientiert interveniert, kann wirksam gegensteuern.

2. Weiterbildungsangebot

Durch Kommunikationstrainings kann das Konfliktverhalten geübt und eine "Konfliktkultur"(Kooperation vor Durchsetzung) bzw. "Verantwortungskultur" aufgebaut werden, die einen offenen Austausch und ein aktives Bearbeiten von vorhandenen Spannungsfeldern durch Mitarbeiter fördert. Geschulten Kollegen ist es möglich, als "Mediationsbeauftragte" zu agieren oder als "Konfliktlotsen" unterstützend zu wirken. Denn angesichts der Weltlage: Wie sollen die großen Konflikte beigelegt werden, wenn es "im Kleinen" nicht möglich ist?

3. Konfliktkosten- bzw. Kooperationscontrolling

Je transparenter die tatsächlichen Auswirkungen im Unternehmen sind, desto gezielter können Maßnahmen gesetzt werden.

4. Maßnahmen setzen

Bei Veränderungen in Unternehmen - wie etwa der Zusammenlegung von Abteilungen - können unproduktive Konfliktphasen durch Mediation oder begleitendes Coaching verkürzt bzw. konstruktiv gestaltet werden.

5. Timing

Je früher Konflikte erkannt, angesprochen und konstruktiv angegangen werden, desto eher kann die Negativspirale durchbrochen und vom möglichen Konfliktnutzen (erweiterte Vertrauensbasis, neue Qualitäten in der Zusammenarbeit bzw. Erkenntnisse, welche Strukturen und Abläufe im Unternehmen konfliktverursachend wirken) profitiert werden.

Kooperationscontrolling und Teamgeist-Barometer

Betriebswirtin und Mediatorin Elvira Hauska arbeitete bereits 2006 sie an einer Vorreiterstudie zum Thema Konfliktkosten mit, die von der Experts Group WirtschaftsMediatoren im Auftrag der Wirtschaftskammer durchgeführt worden war.

Die Umfrage unter KMU ergab, dass sich die Konfliktkosten pro Mitarbeiter und Jahr auf 3.319 Euro belaufen. Ergebnisse, die Hauska aber später selbst in Frage stellte und nicht mehr so beziffern wollte. Zahlen allein sagen zu wenig aus, die weichen Faktoren sind mitzukalkulieren. Statt reinem "Kostencontrolling" hat sie sich auf "Kooperationscontrolling" konzentriert: "Maschinen brauchen für Spitzenleistungen die richtige Betriebstemperatur. Auch Teams brauchen zur optimalen Zusammenarbeit das richtige Klima", sagt Hauska.

Deswegen konzipierte sie gemeinsam mit dem Soziologen Anselm Eder das Manager- Monitoring "Teamgeist-Barometer". Basis der Konfliktkostenbewertung in dieser Studienserie waren nicht nur die anteiligen Arbeitszeiten, die mit Konflikten verbracht werden, sondern auch Indikatoren wie Motivation, Stress und Krankenstände. "Die Themen, die die Manager am meisten belasten, sind Frust und Unzufriedenheit mit der Leistung der Kollegen, unklare Aufgabenstellungen und unterschiedliche Wertvorstellungen", berichtet Hauska. "Außerdem gibt es eine Zunahme der Belastung durch strukturelle Konflikte."

Im Rahmen der Befragung wurden die Manager auch als Teamplayer, Teamneutrale oder Teamfrustrierte identifiziert. "Letztere haben innerlich bereits gekündigt und verbringen bis zu 60 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Konflikten", so Hauska. Mithilfe des Barometers werden das Betriebsklima evaluiert und verdeckte Brandherde aufgespürt.

Positive Veränderung durch funktionale Konflikte

Konflikte können aber auch Nutzen stiften. Solche funktionalen Konflikte dienen der positiven Veränderung und liefern nützliche Informationen für beide Parteien.

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Managementtrainerin und Mediatorin Ulrike Gamm

© beigestellt

"In den Studien zu Konflikten geht es meist nur um die Kosten", sagt die Managementtrainerin und Mediatorin Ulrike Gamm von der Konfliktkultur GmbH. "Der Nutzen wird kaum thematisiert." Konflikte können wertvolle Erkenntnisse für die Zukunft bringen und sogar Einsparungen ermöglichen. "

Aus diesem Grund lassen sich die Kosten immer erst im Nachhinein berechnen", meint Gamm, die sich im speziellen mit Konfliktkosten in österreichischen Familienunternehmen befasst hat: Häufiges Thema war die Verdrängung von Konflikten und die Stigmatisierung von Emotionen. "Im Managementbereich sind diese Themen leider nach wie vor ein Tabu."

Konfliktmanagement und Konfliktkompetenz

Bei Konflikten kommen immer Gefühle ins Spiel. Angst vor Kontrollverlust, Versagen, Verletzung oder Wut, Ärger, Scham. "Emotionen können als Hinweisschilder betrachtet werden", sagt Arbeitspsychologin Christine Priesner, "denn hinter jeder Emotion verbirgt sich ein Bedürfnis." Daher sei der Umgang mit Emotionen im Hinblick auf konstruktives Konfliktmanagement unumgänglich. "Neurobiologisch verursachen Konflikte Stress", erklärt Trainerin Gamm. Die natürlichen Reaktionen darauf sind Flucht, Kampf oder Totstellen und machen rational handlungsunfähig. "Deswegen hat es keinen Sinn, Konflikte aus dem Bauch heraus lösen zu wollen." Dazu gibt es Techniken, die man lernen kann.

Konfliktkompetenz setzt Selbstmanagementfähigkeiten und -reflexion voraus. "Emotional heißt das, eine Hürde zu überwinden", so Gamm. "Nur wenige schaffen die Balance zwischen Konfrontation und Verbundenheit, also wertschätzend und in Kontakt zu bleiben." Eine hilfreiche Technik dafür ist die "Gewaltfreie Kommunikation" (siehe unten).

In den meisten Unternehmen schweigen Führungskräfte Konflikte aber lieber tot. Häufig aus Furcht, dass dies auf ein Versagen ihrerseits zurückgeführt wird und sie dafür kritisiert werden. "Dabei sind genau sie aufgrund ihrer Funktion für die Lösung prädestiniert", sagt Gamm. 20 bis 25 Prozent der Arbeit von Vorgesetzten wäre Konfliktbewältigung, was im Alltag oft untergeht. Die Probleme müssten in erster Linie top-down gelöst werden, beim Management angesetzt werden. Die Mitarbeiter sind aber genauso für ihren Anteil verantwortlich.

Gewaltfreie Kommunikation

Der 2015 verstorbene US-Psychologe Marshall Bertram Rosenberg entwickelte das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation (GFK), englisch Nonviolent Communication (NVC), und gründete das gemeinnützige „Center for Nonviolent Communication“

Bei der Gewaltfreien Kommunikation versucht man trotz Stress in der Kommunikation mit anderen kooperativ und in Kontakt zu bleiben und Verantwortung für die eigenen Gefühle und das eigene Handeln zu übernehmen.

Bei der Gewaltfreien Kommunikation stehen vier Schritte im Zentrum:

  1. Beschreibung einer Beobachtung - ohne Bewertung/Verurteilung und Interpretation.

  2. Ausdruck des eigenen Gefühls, das mit der Beobachtung in Verbindung steht.

  3. Suchen und Formulieren des eigenen Bedürfnisses und

  4. Formulierung eines erfüllbaren Wunsches bzw. einer Bitte.

Die Schritte können in der Abfolge variieren. Ein Beispiel für konfliktförderliches Reagieren ist: "Sie sind respektlos (Verurteilung), wegen Ihnen komme ich immer in Stress (Verallgemeinerung)." Die selbstreflexive, lösungsorientierte Variante lautet: "In der vergangenen Woche sind Sie dreimal zu spät in das Meeting gekommen (Beobachtung). Das verärgert mich (Gefühl), weil ich meinen Zeitplan einhalten möchte, um abends rechtzeitig meine Kinder abholen zu können (Bedürfnis). Bitte kommen Sie pünktlich zu unseren Terminen (Wunsch).

Konfliktprävention durch Kommunikationskultur

Führungskräfte könnten mit Kommunikationskultur der Eskalation von Konflikten vorbauen. Leicht gesagt, aber schwierig umzusetzen in einer Arbeitswelt, die von immer neuen Verflechtungen und Herausforderungen geprägt ist. Das Spannungsfeld, in dem sich Führungskräfte bewegen, wird immer größer.

Angesichts der zunehmenden "Dynaxität" - eine Wortneuschöpfung aus Komplexität und Dynamik -zeigt sich, dass der Mediationsprozess auch ein Bewusstsein für die internen Abläufe und Strukturen schafft und damit Fehlentwicklungen aufdecken kann. "So gesehen greift Konfliktmanagement weit über die Streitschlichtung des Einzelfalles hinaus."

Wie im obigen Konfliktbeispiel, dem Teamkonflikt mit Mobbing. Wäre hier schon früher ein Mediationsverfahren eingeleitet worden, um alle Beteiligten zeitnah nach Entstehung des Konflikts gemeinsam an einer Lösungsfindung zu beteiligen, hätte die weitere Eskalation in dieser Form sicher unterbunden werden können. Den Konfliktkosten in der Höhe von insgesamt 433.500 Euro stehen Interventionskosten von insgesamt 28.750 Euro für 17,5 Tage Mediation gegenüber. Für kleinere Unternehmen kann eine rechtzeitige Intervention sogar "lebensrettend" sein.

"Bei Konflikten am Arbeitsplatz ist zunächst das betriebsinterne Konfliktmanagement gefragt. Wenn das nicht greift, empfiehlt es sich, externe Unterstützung wie Coaching oder Mediation in Anspruch zu nehmen", meint Arbeitspsychologin Priesner. Laut KPMG-Studien führt Mediation in 80 Prozent der Fälle zu einer alle zufrieden stellenden Lösung. Noch besser sind vorbeugende Maßnahmen (siehe "Konfliktbewältigung mittels Mediation").

Investitionen im Bereich Human Resources lassen sich oft schwer durchsetzen. "Wenn sich Unternehmen jedoch trauen, nur fünf Prozent ihrer Personalkosten für Konfliktmanagement aufzuwenden, erzielen sie binnen zwei Jahren einen nachhaltigen Return on Investment durch höhere Produktivität und Innovationen der Mitarbeiter", so Insam abschließend. Inklusive Reibungsverluste - im positiven Sinn.

Konfliktbewältigung mittels Mediation

Was ist Mediation?

Mediation ist per Definition eine auf Freiwilligkeit der Parteien beruhende Tätigkeit, bei der ein fachlich ausgebildeter, neutraler Vermittler (Mediator) mit anerkannten Methoden die Kommunikation zwischen den Parteien systematisch mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst verantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen.

Sie ist somit ist ein Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung, in dem die Konfliktbeteiligten gemeinsam Win-win-Lösungen erarbeiten. Damit dies möglich wird, setzen die Mediatoren mit einer allparteilichen Haltung, spezifischen Techniken und Vorgehensweisen an den Interessen und Bedürfnissen der Konfliktbeteiligten an und machen die Tiefenstruktur des Konflikts besprechbar. Der Mediator trifft dabei keine Entscheidungen bezüglich der Konfliktthemen, sondern ist für die professionelle Gestaltung des Verfahrens verantwortlich.

Wie ist Mediation geregelt?

In Österreich ist die Anwendung der Mediation in verschiedenen Berufsbildern (etwa Rechtsanwälte, Psychologen) enthalten. Österreich hat ein Zivilrechts-Mediations- Gesetz (ZivMediatG), durch das Rechte und Pflichten von eingetragenen Mediatoren sowie Ausbildungsstandards geregelt werden.

Wie läuft eine Mediation ab?

Voraussetzungen für ein Ein Mediationsverfahren sind unter anderem Freiwilligkeit, Verhandlungsbereitschaft, Eigenverantwortlichkeit und Fairness. Das Verfahren verläuft grundsätzlich in fünf Phasen:

  1. Auftragsklärung

  2. Zusammenstellen aller relevanten Themen

  3. Interessen und Hintergründe klären

  4. Entwicklung und Bewertung von Lösungsoptionen

  5. Abschlussvereinbarung

Wo findet man Mediatoren?

Buchtipps zum Thema Konfliktmanagement

Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führung, Beratung und Mediation

In Zeiten großer Veränderung müssen Unternehmen mit Spannungen, Reibungen und Gegensätzen umgehen können. Führungskräfte und Verwaltungsräte brauchen deshalb fundierte Kenntnisse und Fähigkeiten der Konfliktbewältigung. Dieses bewährte Handbuch entwirft ein wissenschaftlich abgestütztes, umfassendes Modell zur Diagnose und Behandlung von Konflikten, das sich auch in der Praxis vielfach bewährt hat.

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Konfliktmanagement im Unternehmen: Mediation und andere Methoden für Konflikt- und Kooperationsmanagement am Arbeitsplatz

Im beruflichen Alltag sind wir immer wieder mit Konflikten konfrontiert. Dieses Buch stellt anhand zahlreicher Praxisbeispiele dar, wie Konflikte in Unternehmen traditionell gehandhabt werden und welche komplementären Formen der Konfliktbearbeitung es gibt. Stephan Proksch erläutert diese innovativen Methoden und stellt ihre Einsatzmöglichkeiten dar. Die Mediation wird als wirkungsvolle Form der Konfliktlösung ins Zentrum der Betrachtung gestellt. Gesprächs- und Fragetechniken als Werkzeuge des Konfliktmanagers werden leicht verständlich erklärt.

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Konfliktmanagement für Führungskräfte: Konflikte im Team erkennen und nachhaltig lösen

Das Buch zeigt hilfreiche Perspektiven zur Diagnose sowie Lösungsmöglichkeiten und -instrumente für Konflikte in Teams auf. Wenn Führungsverantwortliche spüren, dass die Zusammenarbeit nicht mehr funktioniert und die Harmonie im Team gestört ist, hilft nur noch eine professionelle Herangehensweise, um die Konflikte umgehend abzustellen. Denn schwelende Konflikte senken die Produktivität und kosten Zeit und Nerven – je länger, desto mehr. In diesem Essential werden in vier Absätzen anhand einer konkreten Konfliktsituation Lösungsmöglichkeiten und -instrumente vorgestellt, durch die das Selbst- und Rollenverständnis der beteiligten Führungskraft sensibilisiert und gestärkt werden kann.

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Wie kann man mehr Macht erlangen, ohne andere zu unterdrücken oder sich zu unterwerfen? Die Gewaltfreie Kommunikation kennt zwei Konzepte von Macht: „Macht über“ und „Macht mit“. Worin sie sich unterscheiden, darum geht es in diesem Buch. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, lautet: Wie ist es möglich, seine Macht zu vergrößern und dabei sowohl im Einklang mit den eigenen Werten und Bedürfnissen als auch mit denen der anderen zu handeln?

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