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Das Harvard-Konzept: Verhandeln mit Win-Win-Effekt

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17 min

Bei Verhandeln ist Diplomatie gefragt. Es soll keine Verlierer geben.

©Elke Mayr
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Das "Harvard Konzept" gilt seit vier Jahrzehnten als Standard zum Thema Verhandeln. Es lehrt, nicht um Positionen zu feilschen, sondern auf Interessen zu konzentrieren, zwischen Menschen und Sachfragen zu trennen und Ergebnisse zum beiderseitigen Vorteil zu erzielen. Wie Sie damit beste Verhandlungsergebnisse erzielen.

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Das Harvard-Konzept: Verhandeln ohne Verlierer

Verhandeln ist ein Teil unseres täglichen Lebens. Oft unbewusst geraten wir immer wieder in Situationen, in denen wir verhandeln. Ob im Kleinen oder im Großen. In der Familie über die Wahl des Urlaubsorts, mit den Kindern, wie lange sie fernsehen dürfen, mit Vorgesetzten über das Gehalt, mit einem Verkäufer den Preis einer Ware oder mit Geschäftspartnern über Kooperationsverträge. In jedem Fall geht es darum, Konflikte konstruktiv zu lösen und zu tragfähigen Vereinbarungen zu kommen, die Win-Win-Situationen für alle Beteiligten darstellen.

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Das Harvard-Konzept: Die unschlagbare Methode für beste Verhandlungsergebnisse | Erweiterte und neu übersetzte Ausgabe aus 2018

© Verlag

Zu Beginn der 1980er Jahre haben Roger Fisher, William Ury und Bruce Patton, Rechtswissenschaftler an der Harvard Law School im Rahmen des Harvard Negotiation Project eine Methode entwickelt, die solche Win-Win-Stuationen ermöglicht. In ihrem erstmals 1981 veröffentlichten Buch "Getting to Yes. Negotiating Agreements without Giving in", Deutsch "Das Harvard Konzept", skizzieren sie genau, wie und mit welchen systemischen Ansätzen Verhandlungen geführt werden müssen, damit auch dann eine gütliche und für alle Seiten gewinnbringende Einigung erzielt werden kann, wenn es vordergründig nur entgegengesetzte Interessen gibt oder gar Konflikte eskalieren - ob in der Wirtschaft, in der Politik oder in der Familie.

Das Harvard-Konzept - auch Harvard-Methode genannt wurde seither zu einer Art Gold-Standard unter allen Verhandlungsstrategien. Ein Ansatz, der sachbezogene Verhandlungen in den Mittelpunkt stellt, der Streitfragen mit Sachargumenten und nicht durch Feilschen um Positionen entscheidet, wie das sonst oft der Fall ist. Und bei dem es keine klassischen "Sieger" und - vor allem - keine "Verlierer" gibt.

Beim Feilschen geht es hingegen immer darum, herauszufinden, welche Zugeständnisse die andere Seite bereit ist zu machen. Harte Verhandler gehen dabei in eine Art Wettkampf, bei dem immer extremere Positionen eingenommen werden. Was dazu führen kann, dass die Lage eskaliert, eine abwehrende Trotzreaktion ausgelöst wird und die Verhandlungen abgebrochen werden. Mit einem enttäuschendem, schalen und bitteren Nachgeschmack für beide Seiten.

Grundprinzip 1: Menschen und Sachfragen trennen

"Jede Verhandlung ist anders, und doch sind sie im Grund alle gleich", schreiben Fisher, Ury und Patton in ihrem Buch "Das Harvard Konzept". Daher, betonen sie, lässt sich die Methode der sachbezogenen Verhandlungsführung auch in jedem Fall einsetzen.

Das trifft in erster Linie auf die Verhandlungspartner zu, und die sind nun einmal Menschen. Menschen mit einer eigenen Historie, eigenen Wahrnehmungen, Überzeugungen, Werten und Emotionen. Menschliche Reaktionen sind daher in Verhandlungen auch völlig normal, weshalb der Faktor Mensch in Verhandlungen auch nie unberücksichtigt bleiben darf. Und es auch immer ein Ziel einer Verhandlung sein muss, dass der Gegenüber sein Gesicht wahren kann. Das Verhandlungsergebnis mit seinen Überzeugungen und Werten vereinbaren kann.

Es ist gerade auch die unterschiedliche individuelle Wahrnehmung, die Probleme und Konflikte entstehen lässt und verschärft, gleichzeitig auch den Blick auf den objektiven Sachverhalt verschleiert. Ein Schlüssel zur Lösung ist, sich in die Lage der anderen zu versetzen. Die Fähigkeit, die Situation aus der Sicht der anderen zu sehen ist dabei für Verhandler essenziell. Das bedeutet nicht, dass man der Perspektive der Gegenüber zustimmen muss, aber es hilft, Reibungen zu reduzieren.

Ein Fehler wäre es, sich von eigenen Bedenken leiten zu lassen, im Verhandlungsprozess zu vermuten, dass der Gegenüber nichts Gutes im Schilde führt. Das hindert nämlich daran, in der Verhandlung objektiv zu bleiben. Ebenso falsch ist es, die Schuld für eigene Probleme bei anderen zu suchen.

Es hilft, sich über die jeweiligen Wahrnehmungen offen auszutauschen. Und eine erfolgversprechende Strategie, um die Wahrnehmungen anderer zu verändern ist, einen Schritt zu setzen, den diese nicht erwarten würden. Den Gegenüber in die Ergebnisfindung einbeziehen. "Sie wollen, dass die andere Seite ein unangenehmes Ergebnis akzeptiert, dann müssen Sie sie an der Ergebnisfindung beteiligen", heißt es im "Harvard Konzept".

Es gilt, eine gute Arbeitsbeziehung herzustellen. Und dann das Problem anzugehen, nicht den Menschen. Die Grundregel dabei lautet: Behandeln Sie Verhandlungspartner als Menschen und Sachfragen als Sachfragen.

Grundprinzip 2: Interessen, nicht Positionen in den Mittelpunkt stellen

Es ist logisch, dass zwei oder mehrere Verhandlungspartner unterschiedliche Positionen haben. Doch um die geht es beim Verhandeln nicht, sondern um die unterschiedlichen Interessen, Bedürfnisse und Anliegen. Trotz kollidierender Positionen kann es auch gemeinsame und vereinbare Interessen geben. Wenn die gemeinsamen und unterschiedlichen Interessen gegeneinander abgewogen werden, dann können auch Interessenskonflikte leichter beigelegt werden.

Dazu müssen jedoch zunächst einmal die Interessen offengelegt werden, die hinter einer Position liegen. Die Fragen "Warum?" und "Warum nicht?" helfen dabei, den anderen zu verstehen und herauszufinden, welche Interessen es gibt. Wobei diese allerdings recht vielfältig sein können. Um aber die Verhandlungspartner verstehen zu können, muss auch die Vielfalt ihrer Interessen aufgeschlüsselt werden. Diese am besten schriftlich festhalten, sobald sie zur Sprache kommen.

Es geht aber nicht nur darum, die Interessen der anderen zu verstehen, sondern auch darum, die eigenen Interessen klar verständlich und nachvollziehbar zu machen. Und im folgenden Schritt darum anzuerkennen, dass die Interessen beider Seiten Teil der Lösung sein müssen.

Beim Verhandeln selbst gilt es dann nach vorne zu schauen und Flexibilität an den Tag zu legen. Man muss natürlich wissen, was man erreichen will, aber gleichzeitig auch offen für neue Ideen sein, aus Interessen mehrere konkrete Optionen entwickeln und damit in die Verhandlungen zu gehen.

Was nicht bedeutet, dass man Interessen aufgeben muss. Ganz im Gegenteil. Das Harvard-Konzept empfiehlt sogar, in diesem Punkt hart zu bleiben. "Es mag unklug sein, sich auf Positionen festzulegen, aber es ist sehr klug, sich zu Interessen zu bekennen", heißt es in dem Buch. "die klügsten Lösungen, die für beide Seiten den größten Gewinn zum geringsten Preis bedeuten, werden nur erreicht, wenn beide Seiten entschieden für ihre Interessen eintreten. Eine erfolgreiche Verhandlung verlangt Standfestigkeit und Offenheit.

Grundprinzip 3: Optionen entwickeln, von denen alle profitieren

Es ist nicht einfach, Optionen zu entwickeln, erst recht nicht unter Verhandlungsdruck. Die bemühte Suche nach "der einen richtigen Lösung", die Annahme, dass der "Kuchen eine feste Größe" hat, ein vorschnelles Urteil und Verhandlungspartner, die jeweils nur an die eigenen Interessen denken, stehen dem Finden neuer Optionen zusätzlich im Weg.

Kreativität ist gefragt, gemeinsame Vorteile müssen gesucht werden. Und Möglichkeiten, den anderen die Entscheidung zu erleichtern. Brainstormings in kleinen Gruppen und in formloser Umgebung sind dafür ideale Entwicklungsfelder. Dabei sollte der Fantasie freien Lauf gelassen werden und es sollte grundsätzlich keine Tabus geben - mit der Ausnahme negativer Kritik. Die ist bei einem solchen Brainstorming fehl am Platz. Besonders wertvoll können gemischte Brainstormings sein, bei denen Mitglieder beider Seiten nach Lösungen suchen. Bei solchen Gruppen empfiehlt sich jedoch, einen unparteiischen Moderator hinzuzuziehen.

Je mehr Optionen dabei entwickelt werden, umso besser. Beim Brainstorming steht die Kreativität im Vordergrund, entschieden wird dann später. Wichtig ist dann zu beurteilen, wie entwickelte Option beim Gegenüber ankommt. Um das einschätzen zu können, kann man sich in deren Position versetzen und versuchen zu verstehen, welche Kritik der Gegenüber bekommen könnte, wenn er dieser Option zustimmt.

Entscheidend ist letztlich, gemeinsame Interessen und unterschiedliche Interessen zu finden, sie sich verzahnen lassen.

Grundprinzip 4: Auf objektive Kriterien bestehen

So gut man auch versucht, die jeweiligen Interessen abzuwägen und in Einklang zu bringen - von dem Prozedere darf man sich nicht erhoffen, dass es danach keine Interessenskonflikte mehr gibt. Allerdings: wenn Fairness, Effizienz oder schlichtweg die Wissenschaft als objektive Maßstäbe und Kriterien für eine Problemlösung angesetzt werden, dann wird eine Einigung wahrscheinlicher.

Objektive Kriterien sind nicht immer einfach zu finden, im Grunde geht es jedoch nicht zwingend darum, klar messbare Kriterien zu haben, die jeweiligen Maßstäbe müssen jedoch von beiden Seiten anerkannt und akzeptiert werden. Die gemeinsame Suche nach objektiven Kriterien und deren Abwägen ist bereits ein guter Teil der Verhandlung: Bevor man über die Bedingungen spricht sollten erst einmal die Maßstäbe festgezurrt werden, die zu deren Bestimmung angelegt werden.

Wer sachbezogen verhandelt, der ist auch offen für objektive, sachbezogene Argumente. Wer hingegen feilscht, der ist das nicht. Mit Argumenten zu arbeiten und gleichzeitig auch für andere Argumente offen zu sein bewegt die andere Seite, an einer Lösung konstruktiv mitzuarbeiten und ist ein entscheidendes Erfolgskriterium der sachbezogenen Harvard-Verhandlungsmethode. Die ist zwar immer noch keine Garantie für eine erfolgreiche Einigung, aber zumindest eine Strategie, die sich über Jahrzehnte als erfolgreich erwiesen hat und die den hohen Preis des Feilschens und dessen Nachteile vermeidet.

BATNA - Beste Alternative zur Verhandlungslösung

Was, wenn trotz aller Bemühungen kein Verhandlungsergebnis herausschaut? Weil sich die andere Seite nicht darauf einlässt? Sie womöglich gar kein echtes Interesse an Verhandlungen hat, sondern einfach nur Bedingungen diktieren will?

Die Ursache für einen solchen Fall liegt im Grunde normalerweise nicht an der Methode, sondern an den unterschiedlichen Positionen. Hat ein Verhandlungspartner die klar stärkere Position und ist er nicht gewillt, von dieser und seinen Standpunkten abzurücken, dann wird es schwierig. Sofern man es sich leisten kann, sollte man Alternativen finden. Und wenn es keine Alternativen gibt - nun dann kann man sich entweder dagegen wappnen, einer Vereinbarung zuzustimmen, die man eigentlich besser ablehnen sollte. Oder man bemüht sich, das bestmögliche herauszuschlagen, sodass die Vereinbarung am Ende so weit wie möglich den eigenen Zielen entspricht.

Für den Fall dass es zu keinem Verhandlungsergebnis kommt haben Fisher, Ury und Patton das Akronym BATNA geschaffen, das für Best Alternative to a Negotiated Agreement - die beste Alternative zu einem Verhandlungsergebnis steht.

Um sich vor Beginn der Verhandlungen entsprechend für ein Scheitern zu wappnen legen viele Verhandler für sich eine Schmerzgrenze fest, bis zu der sie bereit sind zu gehen. Rational ist eine solche Schmerzgrenze nachvollziehbar. Sie macht es im Zuge einer Verhandlung leichter, sich nicht vom Moment hinreißen zu lassen und ein Angebot anzunehmen, das man später eventuell bedauern würde.

Wer allerdings im Zuge einer Verhandlung unerbittlich an einer Schmerzgrenze als unverrückbare Position festhält verschließt sich möglicherweise anderen Argumenten, die legitime Gründe wären, um diese Grenze zu verschieben. Eine Schmerzgrenze kann ein Schutz vor einem schlechten Deal sein, aber sie kann auch einer Lösung im Weg stehen.

Die BATNA ist viel mehr als nur eine Schmerzgrenze. Sie ist eine Alternative, eine Karte, die gezogen werden kann, wenn das Verhandlungsergebnis die eigenen Interessen gar nicht widerzuspiegeln droht. Diese Alternative muss im Vorfeld gründlich überlegt sein: "Was machen wir, wenn es zu keiner Einigung kommt?".

Wer keine Alternative überlegt hat, der setzt sich bei Verhandlungen selbst unter Druck. Wer aber eine Alternative hat, der stärkt seine Verhandlungsposition, und je besser die Alternative ist, umso stärker wird die eigene Position. Mit einer BATNA wird das sachbezogene Verhandeln nach der Harvard Methode leichter. Und sie hilft nicht nur, ein Minimalziel zu definieren, sondern trägt sehr wahrscheinlich auch dazu bei, mehr als nur das festgesetzte Minimum zu erreichen.

Je besser die eigene Alternative ist, desto leichter kann man auch eine Verhandlung abbrechen. Was dann ebenfalls ein Zeichen der eigenen Stärke ist und noch lange nicht das Ende aller Tage sein muss. Schließlich können auch Verhandlungen immer wieder neu aufgenommen werden.

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