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Musik beim Einkaufen: Mit Klang auf Kundenfang

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Musik beim Einkaufen: Mit Klang auf Kundenfang
Shoppen mit Musik: 72 Beats pro Minute gelten als optimal, das Tempo wirkt anregend auf den Kunden.©Getty Images/Andreas Rentz
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Die Regel ist simpel: Je wohler sich der Kunde fühlt, desto länger bleibt er im Laden. Und damit steigt die Chance, dass er etwas kauft. Deshalb spielen Hintergrundmusik und Shop-Radio eine zunehmend wichtigere Rolle für den Handel. In Zukunft bekommt der Kunde die Werbebotschaft sogar direkt aufs Smartphone - als akustisch nicht wahrnehmbares Signal.

Was bedeutet multisensuales Marketing?

Der Wahrnehmungsprozess einer Marke wird durch die gleichzeitige Ansprache mehrerer bzw. aller fünf Sinnesorgane intensiver, vielschichtiger und damit reichhaltiger (Wikipedia).

Zur multisensualen Markenkommunikation zählen

  • Social Branding

  • Markenimage

  • Eventpsychologie

  • Markenführung

Sound-Marketing: Musik als Beispiel für sensorisches Marketing

Sanfte Keyboardtöne im Supermarkt, poppige Beats im Fashion-Store und klassische Musik in der Weinhandlung. Fast überall, wo wir einkaufen, begegnet uns Musik - und das aus gutem Grund: Sie wirkt verkaufsfördernd. Musik wird meist unbewusst registriert, sie weckt positive Emotionen und bestimmte Erinnerungen.

Der wichtigste Punkt für das Handelsmarketing ist aber: Sie steigert das Wohlbefinden, deshalb halten wir uns länger im Geschäft auf. "Je länger die Verweildauer, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde etwas kauft", sagt Volker Scharnberg, Sales Director von Mood Media in Deutschland. Das Unternehmen ist laut eigenen Aussagen der weltweit führende Anbieter von multisensorischem Marketing - also Marketing, das alle Sinne des Kunden ansprechen soll.

Die Aufgabe von Musikdesignern im Handel

Ob die Kunden eher mit Katy Perry oder Miles Davis beschallt werden, entscheiden spezielle Musikdesigner. Ihnen steht ein riesiges Musikarchiv aus vielen Millionen Songs zur Verfügung, aus denen sie je nach Kundenwunsch ein maßgeschneidertes Musikprogramm zusammenstellen. "Der Musikplayer ist intelligent und mischt die Playlist jeden Tag durch", sagt Scharnberg. Dabei achtet man beim sogenannten "Day Parting" auch auf die jeweilige Tageszeit. Vormittags kaufen in der Regel ältere Menschen ein, am Abend eher die Jüngeren. Das Musikprogramm ist auf die Klientel abgestimmt.

Je länger die Verweildauer, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde etwas kauft

Rewe-Gruppe mit eigenem Einkaufsradio

Wenn Kunden bei Billa oder Merkur zu eingelegtem Fleisch und Steaksauce greifen, hat Norbert Gavran einen guten Job gemacht. "Wir machen unseren Radiohörern in den Filialen beispielsweise auf das Thema Grillen aufmerksam", sagt Gavran, Geschäftsführer bei Radiomax, dem Einkaufsradio des Rewe-Konzerns. Ob Billa, Bipa, Merkur oder Penny, in den Gängen von mehr als 2.500 Supermärkten und Drogerien hört der Kunde eine Mischung aus "happy sound", Information und Werbung, so Gavran.

Radiomax soll bei Rewe Erlebniswelt schaffen

14 Stunden täglich sendet Radiomax, rund 40 Moderatoren sorgen mit Musik für eine angenehme Einkaufsatmosphäre und machen die Kunden auf Sonderaktionen aufmerksam. Insgesamt erreicht Radiomax jeden Tag 1,5 Millionen Kunden. Zum Vergleich: Die österreichischen Privatradios erreichen laut Radiotest gemeinsam täglich rund 2,2 Millionen Menschen. Radio allein reiche dennoch nicht mehr aus: "Es geht darum, in den Filialen Erlebniswelten zu schaffen und die Konsumenten etwa durch digitale Plakate oder Verkostungen anzusprechen", so Gavran.

Bei den Käufern kommt das Radio laut Gavran gut an: "Mehr als zwei Drittel der Bipa-Card-Besitzer gaben an, dass sich das Programm von Radiomax positiv bis sehr positiv auf die Einkaufsatmosphäre auswirkt." Bei der Lebensmittelkette Adeg hätten knapp ein Drittel der Kunden die Aktionsdurchsagen sogar bewusst wahrgenommen.

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42 Moderatoren bei Radiomax machen den Kunden Lust aufs Einkaufen.

© Radiomax

Besteht ein Zusammenhang zwischen Musik und Umsatz?

Dass Musik eine besondere Wirkung auf den Verkauf hat, erforscht die Wissenschaft bereits seit mehr als 20 Jahren. Einer GfK-Studie zufolge kann Musik im Einzelhandel den Umsatz um bis zu 27 Prozent steigern. Eine Untersuchung in einer Vinothek zeigte, dass bei klassischer Musik der Umsatz größer war als bei herkömmlicher Hitparadenmusik.

Spendabler bei klassischer Musik?

"Die Kunden kauften aber nicht einfach mehr Wein, sondern teureren", sagt Oliver Büttner, Professor für Marketing und Konsumentenverhalten an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen. Sinfonien von Mozart schaffen demnach ein edleres Ambiente, der Käufer wählt folglich einen höherwertigen Wein aus. Dasselbe gilt auch bei Tisch: Eine Untersuchung der Universität Leicester ergab, dass bei klassischer Musik die Gäste auch in Restaurants spendabler sind.

Wie Musiktempo, Lautstärke und Gene den Umsatz beeinflussen können

Der Zusammenhang zwischen Musik und Umsatz ist dennoch mit Vorsicht zu genießen. "Die Musik hat auf jeden Fall einen Effekt auf den Umsatz", so Büttner, "aber sie hängt von verschiedenen Parametern wie Tempo, Lautstärke oder dem Genre ab." Bei langsamer Musik bleibt der Kunde länger im Geschäft und damit steigt auch die Chance, dass er etwas kauft. Im Lebensmittelhandel lässt sich dies gut beobachten. 72 Beats pro Minute gelten als optimal, sie wirken anregend auf den Kunden, er wird dadurch aber nicht gestresst. Das ist von zentraler Bedeutung für Supermarkt- und Drogerieketten, denn rund 70 Prozent der Kaufentscheidungen fallen spontan.

Das Tempo der Musik beeinflusst etwa auch die Trinkgeschwindigkeit. Bereits in den 1980er-Jahren stellte man fest, dass bei langsamer Jazzmusik die Gäste länger in einer Bar blieben und rund ein Drittel mehr Getränke konsumierten als bei flotterem Tempo.

Sound-Marketing: Sehr laute Musik für junges Publikum

Weniger das Tempo als vielmehr der Pegel der Musik entscheidet bei der US-amerikanischen Modekette Abercrombie & Fitch. Das Store-Konzept zeichnet sich durch wenig Licht, starker Parfümierung und sehr lauter Musik aus. Doch was für den einen als Lärmbelästigung gilt, kann laut Büttner für den anderen als anregend empfunden werden. "Bei Abercrombie & Fitch hängt es mit der Zielgruppe zusammen. Sie wollen ein Konzept der Jugendlichkeit vermitteln und signalisieren den Älteren gleichzeitig, dass sie gar nicht erst in den Laden kommen brauchen."

Werbebotschaften: Wie funktioniert Präsenztechnologie?

Bei Presence Technologie wird menschliche Präsenz sobald Atem-Muster erkannt werden, einem Softwaresystem gemeldet. Das Signal wird vom Smartphone aufgenommen und zeigt dem Kunden eine Werbebotschaft auf, wie es Mood Media einsetzt. "Es handelt sich um eine Art digitales Wasserzeichen, das nicht hörbar ist, aber mit der Musik ausgestrahlt wird", sagt Scharnberg. Eine Kooperation mit der populären Musik-Tagging-App Shazam baut auf derselben Idee auf. Shazam erkennt eine Vielzahl von Musiktiteln durch Zuhören, Shazam In-Store geht noch einen Schritt weiter. Der Kunde erfährt nicht nur Interpret und Titel, der gerade im Laden läuft, er bekommt zusätzliche Angebote und interaktiven Content zugespielt. Für Einzelhändler ein riesiger Markt potentieller Käufer: Shazam hat mehr als 100 Millionen Nutzer pro Monat. Große Konzerne wie Nike, Dell oder Office Depot arbeiten in ihren US-Filialen bereits mit dieser Technik, in Österreich wird es derzeit noch nicht angewandt.

In Österreich betreut Mood Media 60 Kunden mit insgesamt 700 Stores. Dazu zählen eine große deutsche Drogeriekette mit 70 Standorten, Fashion-Stores, Autohäuser und Baumärkte. Ein Musikkonzept inklusive Lizenzgebühren kostet je nach Größe des Kunden ungefähr ab 20 - 30 Euro pro Monat. Der Preis hängt aber auch von der Anzahl der Filialen, der Art der eingesetzten Technik oder der Vertragsdauer ab. Mood Media liefert sowohl den Content, als auch den eigens entwickelten Musikplayer samt Software.

Akustisches Konzept für Geschäfte: Bezahlt wird pro Quadratmeter

Ein akustisches Gesamtkonzept für Geschäfte stellt auch die Wiener Firma Lackner Mediasystems zusammen: Von dynamischen Licht über Videowalls bis hin zu Shop-Radio."Es kommt nicht nur auf die Musik allein an, auch die Raumakustik und das Raumambiente sind wichtig", sagt Geschäftsführer Udo Lackner. Er betreut 10 Unternehmen mit rund 400 Outlets in Österreich, darunter Intersport, Mediamarkt, Saturn, Bellaflora oder die kürzlich eröffneten Filialen der norwegischen Textilkette Bik Bok. Der Preis für In-Store Radio richte sich nach der beschallten Fläche in Quadratmeter plus AKM-Gebühren. Bei einer Baumarkt-Kette macht das laut Lackner rund eine halbe Million Euro pro Jahr aus, wenn in den Filialen Musik aus den Boxen kommen soll.

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24, 5 Millionen Menschen strömen jedes Jahr in die SCS, dort erwartet sie Jazz-, Swing- und Loungemusik.

© APA/Hans Klaus Techt

SCS: Beschallung beginnt bereits im Parkhaus

Auch in Österreichs größtem Shoppingcenter, der Shopping City Süd, gibt es ein klares Musikkonzept: Jazz, Swing und Loungemusik tönt hier aus den Boxen. Je näher Heiligabend rückt, desto häufiger rotieren Weihnachtssongs in der Playlist. Im Schnitt bleiben die Kunden zwei Stunden in der Shopping Mall in Vösendorf, zu Weihnachten drei Stunden oder mehr. Von der Musik werden die Kunden bereits im Parkhaus begrüßt, es dudelt auch auf den Toiletten.

Duftmarketing wird auf Kaufhausmusik abgestimmt

Daneben setzt SCS-Manager Anton Cech auf Duftmarketing: "Wir arbeiten mit allen Sinnen und haben einen eigenen Duft entwickelt", so Cech. Im Eingangsbereich dominieren etwa Pfeffernoten, die Duftnoten wechseln mit der Jahreszeit. Will man sowohl Ohren als auch Nase der Kunden erreichen, gilt es, Musik und Duft aufeinander abzustimmen: "Wenn der Duft anregend ist, sollte auch die Musik anregend sein", so Konsumentenforscher Büttner, "Beides sollte die Markenpersönlichkeit unterstreichen."

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