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Reisemängel: Das sollten Sie bei Reklamationen wissen

In Kooperation mit D.A.S. Rechtsberatung der ERGO Versicherung AG
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Aktualisiert
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13 min
Reisemängel: Das sollten Sie bei Reklamationen wegen einer verpatzen Reise wissen [Reiserecht]
So manches Traumhotel kann sich vor Ort als Alptraum herausstellen. Doch das muss man nicht hinnehmen.©iStock
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Was ist ein Reisemangel? Welche Mängel rechtfertigen Minderungen? Was tun, wenn am Urlaubsort Mängel festgestellt werden und wie stehen die Chancen zu seinem Recht zu kommen? Die D.A.S. Partneranwältin Herta Bauer gibt dazu Auskunft.

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Bei einer gebuchten Reise kann es viele Dinge geben, die einem nicht passen. Doch nicht alles ist klagbar, manches muss man auch hinnehmen. Was man bei Problemen vor Ort auf jeden Fall tun sollte und wie man nach der Rückkehr von der Reise am besten vorgeht, um zu seinem Recht zu kommen. Herta Bauer, D.A.S. Partneranwältin der ERGO Versicherung AG, gibt dazu Auskunft.

Was ist das Pauschalreisegesetz? [Österreich]

Reiseveranstalter bzw. Reisebüros müssen nach dem Pauschalreisegesetz (PRG) dem Kunden vor Vertragsabschluss ein Standardinformationsblatt bereitstellen. Bei Pauschalreisen müssen darüber hinaus dem Kunden vor Vertragsabschluss detaillierte Informationen zur Reise selbst mitgeteilt werden.

Was versteht man unter einem Reisemangel?

Ein Reisemangel ist, wenn eine zugesagte Reiseleistung entweder gar nicht, unvollständig oder abweichend von der vertraglichen Leistungsbeschreibung erbracht wurde. Die tatsächlich erbrachte Reiseleistung muss deutlich von dem, was versprochen bzw. ausdrücklich vereinbart wurde, abweichen muss.

Was bedeutet die Rügepflicht

Um eventuelle Ansprüche bei Reisemängeln zu wahren, besteht laut Konsumentenschutzgesetz eine sogenannte Rügepflicht.

Unverzügliche Meldung an Vertreter des Veranstalters
Wird die unverzüglichen Mängelrüge unterlassen, droht
- geringere Preisminderung
- Mitverschulden im Sinne des § 1304 ABGB bei Schadenersatzansprüchen.

Wann ist es eine Unannehmlichkeit und wann Reisemangel?

Zu unterscheiden ist zwischen Mängeln und bloßen Unannehmlichkeiten, die hinzunehmen sind. Ein Beispiel für einen Mangel wäre es, wenn ich einen Kiesstrand anstelle des versprochenen Sandstrands vorfinde oder mein Zimmer keinen Meerblick aufweist, obwohl das gebucht wurde. Eine bloße Unannehmlichkeit wäre die Vorverlegung des Fluges am gleichen Tag, sofern die Nachtruhe dadurch nicht beeinträchtigt wird. Oder wenn ich vor Ort Stufen zwischen Hotel und Strand vorfinde. Hinzunehmen wäre es auch, wenn sich das Hotel in Flughafennähe befindet, vorausgesetzt, es wurde darauf hingewiesen.
In der Frankfurter Tabelle sind Beispiele für Reisemängel angeführt.

Preisminderung: Wozu dient die Frankfurter Tabelle?

Die Frankfurter Tabelle ist eine Entscheidungssammlung des Landesgerichts Frankfurts zu den Preisminderungsansprüchen bei Reisemängeln. An dieser Tabelle orientieren sich regelmäßig auch österreichische Gerichte. Das österreichische Pendant dazu ist die „Wiener Liste“. Diese beinhaltet die zusammengefasste Judikatur der österreichischen Gerichte und wird von einer Wiener Anwaltskanzlei zusammengefasst. Beide Listen dienen jedoch lediglich als Orientierungshilfe für die Höhe der Preisminderungsansprüche und stellen keine verbindliche Rechtsquelle dar. Jedes Gericht entscheidet immer im Einzelfall über die konkreten Ansprüche.

Beispiele für Preisminderung:

  • Lärm in der Nacht: 10-40 %

  • Dreibett- statt Doppelzimmer: 20-25 %

  • fehlender Balkon (trotz Zusage): 5-10 %

  • verdorbene, ungenießbare Speisen: 20-30 %

  • nicht genügend warme Speisen: 10 %

  • verschmutzter Pool: 10-20 %

Sollten gleich mehrere Mängel auftreten, können die betreffenden Pro­zent­sätze innerhalb gewisser Grenzen addiert werden.

Welche Reisemängel rechtfertigen Minderungen?

Nicht in jedem Fall ist ein Reisemangel gegeben. Die tatsächlich erbrachte Reiseleistung muss deutlich von dem, was versprochen bzw. ausdrücklich vereinbart wurde, abweichen muss. Bloße Unannehmlichkeiten sind wie gesagt entschädigungslos hinzunehmen. Die Gerichte haben allerdings einen Bewertungsspielraum und müssen dabei auch lokale Gegebenheiten berücksichtigen.

Inwieweit spielen lokale Gegebenheiten bei Reisemangel eine Rolle?

Kakerlaken, Ameisen und andere Insekten sind beispielsweise in südlich gelegenen Reiseländern nicht ungewöhnlich und müssen – wenn ein bestimmtes Maß nicht überschritten wird – vom Reisenden hingenommen werden. Fährt man aber in ein Hotel an einem mondänen Ostseebad oder in ein Cityhotel, stellt das verstärkte Auftreten von Kakerlaken einen Mangel dar.
Ein weiteres Beispiel wären Beschwerden aufgrund nächtlichen Lärms. Wer in einer Touristen-Hochburg ein Zimmer bucht, das schon nach der Katalogbeschreibung in „belebter Ortsmitte“ liegt, kann nicht erwarten, dieselbe Ruhe zu finden wie der Reisende, der eine Finca im Inland von Mallorca gebucht hat.

Was tun, wenn am Urlaubsort ein Mangel festgestellt wird?

Wichtig ist es, die Mängel unverzüglich zu dokumentieren, zu fotografieren und so die Beweise zu sichern. Wenn ein Reiseleiter zur Verfügung steht, sollte dieser über die Zustände informiert werden. Es empfiehlt sich, über dieses Gespräch eine „Gesprächsnotiz“ oder ein „Mängelprotokoll“ anzufertigen. In diesem können sämtliche Mängel dokumentiert und die allenfalls angebotenen Verbesserungen festgehalten werden. Der Reiseleiter sollte das Protokoll unterschreiben. Wenn es auch noch andere Betroffene oder „Zeugen“ gibt, empfiehlt es sich, mit diesen gemeinsam zum Reiseleiter zu gehen und sich zusammen zu tun. Für den Fall, dass es keine örtliche Reiseleitung gibt, kann man sich an die Hotelrezeption oder direkt an den Reiseveranstalter wenden. Die Kontaktdaten des Reiseveranstalters müssen in den Reiseunterlagen angegeben sein.

Bei wem soll man sich bei einem Reisemangel vor Ort beschweren?

Es genügt meist nicht, sich nur an das Hotel zu wenden. Einen Versuch ist es dennoch wert. Wichtig dabei ist aber, dass man nach außen hin ruhig und entspannt wirkt. D.A.S. Partneranwältin Bauer: "Meine Erfahrung hat gezeigt, dass Hotels oft Verbesserungswünschen aufgeschlossener gegenüberstehen, als es der örtliche Reiseleiter tut." Dennoch ist der Ansprechpartner vor Ort der Reiseleiter.

Reisemangel: Wozu Reisveranstalter vor Ort verpflichtet sind

Der Reiseveranstalter muss, sofern er dazu in der Lage ist, eine Alternative anbieten, die zumindest gleichwertig ist. Die Alternative kann selbstverständlich auch höherwertig sein, wobei der Veranstalter dann die Mehrkosten zu tragen hat. Falls es nur noch minderwertige Alternativen gibt, muss der Reiseveranstalter die Differenz zurückzahlen. Nimmt man eine Alternative ohne Vorbehalte an, so wird ein neuer Reisevertrag geschlossen und man kann keine Ansprüche mehr aus dem alten Vertrag. Anders sieht es aus, wenn die Alternative wiederum mangelhaft gegenüber der Beschreibung ist, dann kann man die neuen Mängel selbstverständlich erneut reklamieren und unter Umständen dafür Geld zurückbekommen. Ich empfehle, Ersatzhotels immer nur "unter Vorbehalt" anzunehmen.

Müssen Alternativen angenommen werden, wenn der Mangel nicht abgestellt werden kann oder das Hotel überbucht ist?

Ein Kunde, der vor Ort von einer Überbuchung seines gebuchten Hotels erfährt, muss überhaupt keine Alternative annehmen. Sein geschlossener Reisevertrag wurde einseitig nicht erfüllt und er kann ihn daher mit sofortiger Wirkung und Rückabwicklung auflösen. Der Reisende kann so theoretisch auf sofortigen Heimtransport bestehen. Falls der Veranstalter sich nicht um den Heimtransport kümmert, kann man diesen selbst organisieren und die zusätzlichen Kosten dem Veranstalter verrechnen. Die Betonung liegt jedoch auf dem Wort theoretisch, weil man ja gerne einen schönen Urlaub hätte und ja gar nicht zurück nach Österreich reisen will.

Wie reagieren, wenn der Reiseleiter bzw. Reiseveranstalter nichts unternimmt?

Dann besteht Möglichkeit der Selbsthilfe bzw. Selbstabhilfe. Also beispielsweise der Umzug in ein anderes Hotel.

Kann sich der Reisende bei Beschwerden ein beliebiges Ersatzhotel aussuchen?

Nein. Es muss ein in Kategorie und Ausstattung vergleichbares Hotel sein.

Was ist bei einem Mangel nach der Rückkehr aus dem Urlaub tun?

Am besten sofort nach der Rückkehr von der Reise Ansprüche beim Reiseveranstalter mit einem Aufforderungsschreiben geltend machen.

Wie kann man sich wehren, wenn der Reiseveranstalter die Kompensation ablehnt oder ein unakzeptables Angebot macht?

In diesem Fall muss der Reisende klagen, um zu seinem Recht zu kommen. Obwohl das Gesetz dem Reisenden eine Gewährleistungsfrist zur Klageeinreichung von zwei Jahren ab Rückkehr und von drei Jahren für Schäden ab Kenntnis von Schaden und Schädiger gewährt, ist eine gewisse Eile geboten. Denn laut Gesetz stellt eine Vermutung auf, dass die Mangelhaftigkeit der Sache bereits bei der Übergabe vorlag, wenn sich der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe zeigt. Die Bestimmung normiert auch eine Beweislastumkehr. Das bedeutet, dass sich der Reiseveranstalter "freibeweisen" muss. Der Veranstalter muss somit aufzeigen, dass kein Mangel vorlag und der Reisevertrag erfüllt wurde.

Wo kann man bei Reisemangel Klagen?

Abhängig vom Streitwert wird ein Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien gegen den (europäischen) Reiseveranstalter eingebracht. Nach der Zustellung desselben und Einspruch durch den Veranstalter wird der Reisende über seinen Rechtsanwalt aufgefordert, ein Gericht zur Durchführung des Verfahrens namhaft zu machen. Wenn der Reiseveranstalter, wie es in den überwiegenden Fällen sein wird, seine Leistungen auch in Österreich angeboten hat, steht dem Kläger der Gerichtsstand seines Wohnsitzes zur Verfügung. Das Gesetz regelt auch, dass die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartners auch vor den Gerichten des EU-Mitgliedsstaates erhoben werden kann, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat.

Voraussetzungen für ein erfolgreiches Verfahren wegen Reisemängel

Die Erfolgsaussichten in einem Verfahren stehen und fallen mit der Beweisführung des Reisenden. Es kommt also darauf an, wie viele Beweise wie Fotos, Videos, Gesprächsnotizen oder Zeugen, die die Mängel dokumentieren, vorgelegt werden. Wie in jedem Verfahren, gilt auch in einem Reiseprozess: Wählen Sie im Zweifel den höheren Betrag, aber seien Sie kompromissbereit, falls der Veranstalter sich mit seinem Angebot innerhalb der Frankfurter oder Wiener Tabelle bewegt.

Wer haftet, wenn während eines Ausfluges am Urlaubsort ein Unfall passiert?

Das kommt auf die Umstände an. Normalerweise haftet der Reiseveranstalter nicht, weil der Ausflug nicht vom vereinbarten Leistungsumfang erfasst wird. Wenn aber die Umstände der Buchung den Eindruck erwecken, die Reiseleistung werde vom Reiseveranstalter angeboten, kommt eine Haftung in Betracht.

Weitere Informationen zu dem Thema erhalten Sie unter
Mag. Herta Bauer
Rechtsanwalts-GmbH
Wipplingerstraße 32 / 20A
1010 Wien
T. 01 / 865 99 06
E. office@kanzleibauer.at

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Die ERGO Versicherung AG ist mit ihrer weit über 100-jährigen Erfolgsgeschichte eines der führenden Versicherungsunternehmen auf dem österreichischen Markt. Als Tochtergesellschaft der ERGO Austria International AG ist sie Teil der ERGO Group und somit der Munich Re, einem der weltweit führenden Rückversicherer und Risikoträger. Im Rahmen strategischer Kooperationen mit den Partnern UniCredit/Bank Austria und Volksbanken sowie über den eigenen Außendienst, angeschlossene Makler, Agenturen und den Direktvertrieb bietet sie ein kundenorientiertes, bedarfsgerechtes Produktsortiment an Lebens-, Kranken- und Schaden-/Unfall- sowie Rechtsschutzversicherungen für den privaten sowie betrieblichen Bereich an.

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