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Employee-Experience-Studie: Was Bewerber nervt

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Eine positive Mitarbeitererfahrung, Employee Experience, ist eine Chance, für Unternehmen im Wettstreit um qualifizierte Mitarbeiter. Und sollte bereits bei der Bewerbung beginnen.

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Der Wettstreit um die besten Mitarbeiter wird immer schärfer. Qualifizierte Talente sind hart umkämpft. Was die Empathie von suchenden Unternehmen anbetrifft, gibt es Luft nach oben. Oft sind die Jobsuchenden dadurch genervt. Sie wünschen sich mehr Klarheit, Transparenz und Aufrichtigkeit. Und weniger Formalismus beim Bewerbungsprozedere.

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Was ist Employee Experience?

Employee Experience - die Mitarbeitererfahrung - ist der Begriff für alle Erfahrungen, die Mitarbeiter in einem Unternehmen machen. Dazu gehören die Interaktionen mit dem Arbeitgeber, die Unternehmenskultur, Arbeitsbedingungen und die Arbeitsumgebung sowie Entwicklungsmöglichkeiten.

Employee Experience ist im HR-Management ein wichtiger Faktor. Sie beginnt bereits mit dem Bewerbungs- und Recruiting-Prozess und setzt sich im gesamten Arbeitsleben fort.

Der Effekt einer positiven Erfahrung: Zufriedene, motivierte Mitarbeiter sind produktiver. Man spricht Im Arbeitsleben einzelner Mitarbeiter auch vom Employee Lifecycle, der von der Anziehungs- bzw. Rekrutierungsphase durch gezieltes Employer Branding bis zum Offboarding andauert.

Besonders in Mangelberufen sind Unternehmen gut beraten, die Employee Experience positiv zu gestalten, um die Mitarbeiterbindung zu stärken.

Wählerische Unternehmen

Eine Fallstudie bearbeiten, ein schlüssiges Marketingkonzept präsentieren. Und wenn es geht, dann noch von den Gehaltsvorstellungen am besten 20 bis 25 Prozent Einbußen hinnehmen. Weil: Der Kandidat ist ja froh, wenn er einen Job bekommt, im großen Heer der Aspiranten um einen lukrativen (oder vielleicht auch weniger lukrativen) Job.

Vielfach machen Job-Aspiranten aber im Zuge einer Bewerbung schauderhafte Erfahrungen mit Unternehmen. Ganz zu schweigen von den oft unzähligen Bewerbungen, die sie verschicken, ohne eine Antwort zu bekommen oder zu einem Gespräch eingeladen zu werden.

Trotz der angespannten Lage am Arbeitsmarkt gehen Unternehmen und ihre Personalverantwortlichen oft genug nicht zimperlich mit den Jobaspiranten um. Auch lassen sich viele Unternehmen überbordend Zeit, wenn es etwa darum geht, eine Zusage zu erteilen oder dem Bewerber aufrichtig zu sagen, dass sich das Unternehmen für einen anderen Kandidaten entschieden hat.

Employee Experience-Studie

Das Online-Job-Portal Stepstone Österreich ist zusammen mit dem Beratungsunternehmen identifire aus Wien der Sache auf den Grund gegangen, welchen Stellenwert für Unternehmen die "Candidate Experience" hat. Identifire ist als Beratungsagentur spezialisiert auf Employer Branding & Corporate Culture.

Die Top-Fragen der "Employee Experience-Studie" lauteten:

  • Welchen Stellenwert haben die Bedürfnisse von Mitarbeitenden und Jobsuchenden für Unternehmen?

  • Nutzen Unternehmen heute die Potenziale, einer positiven Employee Experience, wie etwa gesteigerte Mitarbeitermotivation und niedrigere Fluktuation?

  • Und wie werden Online-Bewerbungstools eingesetzt.

Befragt wurden 371 Human-Resource-Experte, Führungskräfte und Top-Manager aus den Fachbereichen Personal, Marketing und Kommunikation sowie Geschäftsführer und Vorstände. Und zwar, wie sie etwa konkret ihre Jobinserate und Bewerbungsprozesse gestalten und welchen Stellenwert die „Candidate Experience“ aktuell in Österreich hat.

Einbahnstraße Selbstdarstellung

Das Ergebnisse der StepStone/identifire-Erhebung ist für Unternehmen wenig schmeichelhaft und lässt noch viel Luft nach oben. Denn 62 Prozent geben an, dass die Eindrücke und Gefühle, die Beschäftigte bei ihrem Unternehmen sammeln und erleben - also die Employee Experience - eine hohe oder sogar sehr hohe Relevanz haben. Sie geben auch an, dass sie Maßnahmen gezielt setzen, um dieses Job-Erleben für Beschäftigte zu verbessern. Für immerhin ein Drittel der Befragten scheint das offenbar nicht ganz so wichtig zu sein. .

Ähnlich das Ergebnis zu einem der Top-Thema Employer Branding, das in Zeiten der des "War of Talent", also dem Kampf um die Besten, eigentlich eine große Rolle spielen sollte. Die eigene Selbstdarstellung hat für nur 42 Prozent der Unternehmen auch einen Fixplatz im Recruiting-Prozess, bei dem den Bewerber Unternehmenskultur mit Bildern und Text oder gar Video vermittelt wird. "Immerhin 30 Prozent" nutzen Videocontent, so die Studienautoren. Eine Ausführliche Beschreibung der Stelle, des Unternehmens und Teams bietet jedes zweite Unternehmen, also die Hälfte der Befragten an. Die Selbstdarstellung, die für von den Bewerbern als ein Top-Kriterien, teils das Um und Auf ist, scheinen die rekrutierenden Unternehmen für sich selbst nicht so wichtig zu nehmen.

Bewerbungsprozess als Aushängeschild für Unternehmen

Doch alles nutzt für den Bewerber nichts, wenn er nicht zeitig benachrichtigt wird oder gar wie in vielen Fällen in der Praxis gar nicht mehr oder erst Wochen später benachrichtigt wird. Oder noch eigenartiger, was auch immer mal vorkommen soll: Wenn der Bewerber beim Unternehmen anrufen muss, um den Status der Bewerbung zu erfahren. Ein No-Go, denn schließlich sollte ein Bewerbungsprozess auf Augenhöhe ablaufen. Und er sollte nicht nur dem Bewerber, sondern auch dem Unternehmen die Gelegenheit bieten, sich positiv darzustellen.

Auch wenn es klar ist, dass "Bewerbung für viele Jobsuchende in erster Linie: warten" bedeutet, müssten die Ausführung ohne wenn und aber rasch über die Bühne gehen. Aber die Studie ergibt ein anderes Ergebnis: Oftmals sehr lange – und manchmal sogar vergeblich warten die Bewerber auf Antwort. Immerhin 73 Prozent der Befragten Recruiter gaben an, dass sie sich innerhalb von 14 Tagen bei den Bewerbern melden. Die Absage nach dem ersten Vorstellungsgespräch erfolgt in 45 Prozent telefonisch, mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen verfassen die Absage per E-Mail.

„Im Bewerbungsprozess haben wir es immer mit Menschen zu tun, die sich „offenbaren“, vieles von sich preisgeben. Das sind mitunter sehr persönliche Momente. Daher gilt: Keine Antwort geben, ist unhöflich. Standardantworten geben, okay: besser als gar nichts. Die Kür: Die Employer Brand „erlesbar“ und „erfahrbar“ machen – vom Empfangsmail bis zum Absageschreiben. Auch wenn es diesmal ein Nein ist, die Bewerber sollten den Marken-Kontakt als so angenehm und positiv empfinden, dass sie sich später wieder bewerben oder auch das Unternehmen weiterempfehlen“, erklärt Co-Studienautorin Karin Krobath, Partnerin von identifire.

Generation Smartphone fordert einfaches Prozedere

Auch im Bewerbungsprozess gelten daher Klarheit und Transparenz als oberste Maximen. "Ein transparenter Bewerbungsprozess ist das A und O bei der Suche nach einer neuen Stelle. Denn je einfacher dieser abläuft, desto größer ist auch die Chance, dass Bewerber am Ende eine Stelle annehmen", das sagen 86 Prozent von über 28.000 befragten Erwerbstätigen in der StepStone Studie Anfang des Jahres.

Die digitale Bewerbung spielt vor allem für die Unter-30-Jährigen eine große Rolle, wenn Unternehmen darauf auch zeitgemäß eingehen. So ist im Zeitalter der Digitalisierung ein Bewerbungsprozess in "unter 10 Minuten für eine Mehrheit von 59 Prozent der Befragten Unternehmen zwar "State-of-the-Art". Passen müssen hingegen 41 Prozent der Befragten Recruiter, die eine schnelle Online-Bewerbung ausgeschlossen haben.

Die reine Beschreibung der Tätigkeiten im Job und die Anforderungen reichen vielen Jobsuchenden längst nicht aus. Sie wollen so viele Informationen über den potenziellen Arbeitgeber wie möglich. Und das gelte laut StepStone Jobreport 2021 vor allem für die Unter-30-Jährigen Jobaspiranten. Jeder Fünfte Unter-30-Jährige legt heute mehr Wert darauf, wie sich ein Unternehmen online präsentiert, als noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie.

„Erfreulich ist, dass sich die Anforderungen an Bewerbende und was Unternehmen ihren Angestellten dafür bieten zumindest in 53 Prozent der Inserate die Waage halten. Dennoch ist das längst nicht mehr alles, was Bewerber interessiert. Man will nicht „Teamfähigkeit“ lesen, sondern ein möglichst konkretes Bild vom Team bekommen, in dem man in Zukunft arbeiten wird, erklärt Co-Studienautorin Melanie Adam-Fischer, Juniorpartnerin von Identifire.

Die Bewerber stehen auf Klarheit, wohl auf mehr formale Ausschreibungen, weil sie mehrheitlich Stellenanzeigen auf ihrem Smartphone (72 Prozent) checken. Deshalb erwarten sie, dass die Jobs dort sauber angezeigt werden und man sich ohne viel Aufwand bewerben kann, so die Interpretation von StepStone. Besonders lästig empfinden Bewerber, für jede Bewerbung individuelle Anschreiben formulieren zu müssen. 75 Prozent der Befragten Jobsucher sagen: Es ist wichtiger, sich schnell und einfach bewerben zu können, als alle Bewerbungsunterlagen immer neu erstellen zu müssen. „Je mehr Unterlagen die Unternehmen fordern, desto aufwändiger und zeitintensiver ist natürlich der Bewerbungsprozess. Das schreckt viele Jobsuchende ab", sagt StepStone Österreich-Chef Nikolai Dürhammer.

Lebenslauf als Türöffner

Den Recruitern empfiehlt der StepStone-Chef den Prozess gerade "im ersten Schritt so schlank wie möglich zu halten". Denn manche Unternehmen würden mittlerweile bereits auf Anschreiben verzichten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bewerbungsprozedere sei das bestimmt eine Option.

Dürhammer: "Für viele Arbeitgeber ist der Lebenslauf entscheidend, ob ein Kandidat oder eine Kandidatin für ein erstes Gespräch eingeladen werden soll." Denn eines gilt für die rekrutierenden Unternehmen wie seit jeher: Welche Motivation ein Bewerber für eine Stelle mitbringt, kann oft besser im persönlichen Gespräch erläutert werden.

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