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Was wurde aus der Fabrik der Zukunft?

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Tobias Bock

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Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung verändern nicht nur unsere Produktionsprozesse, sondern auch die Vorstellung, die wir heute von einer gut funktionierenden und wettbewerbsfähigen Industrie haben. Die „Fabrik der Zukunft“ verspricht mehr Effizienz, Nachhaltigkeit und Flexibilität. Aber ist sie nicht schon längst Realität?

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Die industrielle Produktion in Europa ist einem massiven Wandel unterworfen. Nicht nur aufgrund der fehlenden Fachkräfte, sondern auch bedingt durch die gestiegenen Energiekosten und die zuletzt sogar beschleunigte Abwanderung vieler Sektoren in Billiglohnländer ist es erforderlich, die verbliebenen Reste mutig, clever und smart umzustellen. Die Buzzwörter sind geläufig: Ob Industrie 4.0, Smart Manufacturing, Internet of Things (IoT), Green Factory oder Digitale Fabrik – fast immer geht es um Effizienzsteigerung und Kostenreduktion. 

Das zuständige Wiener Innovationsministerium (BMVIT) organisierte bereits in den Jahren 2001 bis 2008 mehrere Ausschreibungsrunden unter dem Titel „Fabrik der Zukunft“. Von einer Evaluation der damals 180 geförderten Projekte im Umfang von knapp 25 Mio. Euro ist nichts bekannt, allerdings hat sich die allseits beschwörte Vision und Idee einer autonomen, vernetzten, durchdigitalisierten, roboterisierten und menschenleeren Fabrik nachhaltig verfestigt. Das geht auch aus einer ganz aktuellen Studie der Managementberatung Horváth hervor, die nun vorliegt.

Automobilindustrie im Fokus

Die Berater haben sich insbesondere die Auswirkungen der Automatisierung und Digitalisierung auf die Automobilindustrie angeschaut, die schon vor Jahren als erste und wohl auch meistbetroffene Branche begonnen hat, ihre Fertigungsprozesse neu zu denken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gerade hier konnten – durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und fortschrittlichen Automatisierungssystemen – Produktionsabläufe optimiert und die Produktqualität verbessert werden.

Auch die Robotik, ein weiteres Schlüsselelement, ist keine „Zukunftsmusik“ mehr. Jeder kennt die Bilder von geschäftigen Fertigungshallen, in denen – statt wie früher Arbeiter – Roboterarme Auto-Bestandteile zusammenbauen. Das macht auch Sinn, denn die Automatisierung von repetitiven und physisch belastenden Aufgaben führt zu einer Entlastung der Beschäftigten und bietet Chancen, sich auf anspruchsvollere Aufgaben zu konzentrieren, die menschliche Expertise erfordern. 

Nicht zu vergessen die Flexibilität – als wichtiger Schlüsselaspekt für den Erfolg. Kundenanforderungen ändern sich ständig, und Automobilhersteller müssen daher in der Lage sein, rasch auf neue Trends und Marktanforderungen zu reagieren. Flexible Produktionslinien und modulare Fertigungssysteme haben es den Autoherstellern ermöglicht, verschiedene Modelle und Varianten effizient herzustellen und damit individuelle Kundenwünsche adäquat zu erfüllen.

Ständige Weiterbildung unerlässlich

Ganz dramatisch haben sich jedoch in den vergangenen zwanzig Jahren die Anforderungen an Fabriksmitarbeiter verändert. Neben technischen Fähigkeiten sind nun auch Kenntnisse im Umgang mit digitalen Technologien und Datenanalyse erforderlich. Die einstigen „Blaumänner“ und -frauen müssen heute – genauso wie Steuerberater, Rechtsanwälte und Ärzte – bereit sein, sich kontinuierlich weiterzubilden und neue Techniken und Technologien zu erlernen. Die Unternehmen  selbst müssen massiv in Schulungen und Qualifizierungsmaßnahmen investieren, um ihre Beschäftigten bei der Entwicklung dieser Fähigkeiten zu unterstützen.

Eine ganzheitliche Betrachtung der Rahmenbedingungen ist unerlässlich. Die Fabrik der Zukunft erfordert nicht nur eine umfassende Integration von automatisierten und  digitalisierten Prozessen, sondern auch eine völlig neue Arbeitskultur. Unternehmen müssen all diese Elemente im Auge behalten, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten und die gewünschten Vorteile zu erzielen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen und die Entwicklung einer klaren Strategie, um die Komplexität zu bewältigen.

Ohne Mensch geht nix

Die völlig autonom funktionierende Fabrik der Zukunft wird vorläufig eher eine Fiktion bleiben. Sie ist schon aus wirtschaftlichen Überlegungen kein realistisches Ziel, denn je höher man den Automatisierungsgrad treibt, umso mehr Ausnahmefälle und mögliche Fehleranfälligkeiten muss man berücksichtigen, die den Aufwand erhöhen. So gesehen erstaunt es wenig, dass selbst Tesla-Chef Elon Musk die exzessive bzw. vollständige Automatisierung in seinen Produktionshallen als Fehler bezeichnete – offenbar aufgrund der immer wiederkehrenden Qualitätsprobleme von Tesla.

Maschinen arbeiten präziser und konsistenter, aber sie erledigen nur Arbeiten, die ihnen zuvor beigebracht wurden. Roboter werden dank künstlicher Intelligenz zwar immer klüger, ihnen fehlt aber jegliches Verständnis von sozialen Normen. Menschen erfassen hingegen neue Situationen und können ohne Vorgaben Lösungsansätze entwickeln. Ihr kognitives Verständnis von Situationen, Fingerfertigkeit, Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit, Problemlösungskompetenz und Kreativität lässt sich auch durch modernste Technologien nicht ersetzen.

Fazit

Die vielbeschwörte „Fabrik der Zukunft“ ist defacto schon real. Sie bietet Unternehmen enorme Chancen, ihre Produktivität, Effizienz, Verfügbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Doch müssen die Rahmenbedingungen ganzheitlich betrachtet und die radikal geänderten Anforderungen an Mitarbeiter wie Kunden verstanden werden. Mit einer geplanten strategischen Herangehensweise kann der Umstieg gelingen, die künftige Produktion eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg in einer sich ständig wandelnden Industrielandschaft werden.

Die Serie "Management Commentary" ist eine Kooperation von trend.at und der Managementberatung Horváth. Die bisher erschienen Beiträge finden Sie zusammengefasst im Thema "Management Commentary".

Management Commentary

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