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Achtung vor dem Say-Do-Gap!

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Achtung vor dem Say-Do-Gap!
k.A©Quelle: Strategy& Analyse, Factiva
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Es kommt weniger auf Aktionismus oder die Anzahl der ESG-Ziele an, die ein Unternehmen publiziert. Viel wichtiger ist, dass sich die Zielerreichung auch wirklich belegen lässt.

ESG ist der Megatrend dieser Dekade. Der Begriff umfasst die Dimensionen Umwelt (Environmental), soziale Aspekte (Social) und Unternehmensführung (Governance). Er bildet den Rahmen für Unternehmen und Investoren, ihren ökologischen und sozialen Impact zu analysieren und zu thematisieren. Die Mehrzahl der Unternehmen hat ihre daraus resultierenden Verpflichtungen bereits erkannt. Seit Beginn der Pandemie stieg die Anzahl der veröffentlichten ESG-Ziele auf das Vierfache, wie der „ESG Commitment Index“ von PwC Strategy& verdeutlicht. Die gesetzten Ziele reichen dabei von Klimaneutralität und Diversität bis hin zu Menschenrechten und Korruptionsbekämpfung, wobei der Bereich Umwelt aktuell überproportional vertreten ist.

Zunehmend beobachten wir allerdings die Gefahr eines Bruchs zwischen den Zielen, die gesetzt werden, und den konkreten Taten der Unternehmen – wir sprechen hier vom sogenannten „Say-Do-Gap“. Getrieben von immer stärker werdenden Erwartungen der Öffentlichkeit, des Kapitalmarkts, der eigenen Kunden und Angestellten sowie der Geschäftspartner übertreffen die kommunizierten Ambitionen in Teilen sogar die – beispielsweise durch die EU-Taxonomie – immer weiter steigenden regulatorischen Anforderungen. Das heißt jedoch nicht, dass alle Unternehmen auch wirklich mehr machen.

Social Taxonomy und nachhaltige Lieferketten als Katalysatoren.

In den kommenden Monaten werden öffentliche ESG-Verpflichtungen noch an Fahrt aufnehmen. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. Zum einen verpflichten sich größere Unternehmen vermehrt, ihre Lieferketten nachhaltig aufzustellen, und fordern dazu ein erhöhtes Engagement ihrer Partner (z. B. Zulieferer) aktiv ein, etwa was die Arbeitsbedingungen an Produktionsstandorten in Schwellenländern betrifft. Zum anderen nimmt der Druck der Regulatorik im Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele zu. Mit Einführung der kommenden EU-Richtlinie „Corporate Sustainability Reporting Directive“ wird sich die Anzahl von heimischen Unternehmen vervielfachen, die ab dem Berichtsjahr 2023 zum Thema ESG Stellung beziehen müssen. Darüber hinaus wird 2022 auch die Social Taxonomy der Europäischen Kommission an Bedeutung gewinnen. Diese wird aktuell entwickelt und soll künftig Investitionen in wirtschaftliche Aktivitäten lenken, die soziale Aspekte in den Vordergrund stellen.

Den Worten Taten folgen lassen.

Spätestens jetzt gilt es für Unternehmen, den Worten Taten folgen zu lassen und die ESG-Transformation konsequent voranzutreiben, um die hochgesteckten, öffentlich kommunizierten Ziele zu erreichen. Andernfalls droht besagter Say-Do-Gap, der schnell den Verdacht des Green-, Blue- oder Pinkwashings aufkeimen lässt. Was wiederum die Authentizität eines Unternehmens in Frage stellt und einen Vertrauensverlust von Investoren und Kunden nach sich zieht. So einleuchtend das ist, scheint in vielen Führungsetagen dennoch ein konkreter Fahrplan für die anstehende Herausforderung zu fehlen. In einer unserer Studien geben etwa drei von vier Unternehmen an, erst am Beginn ihrer ESG-Reise zu stehen. Des Weiteren geben nur etwa ein Viertel der Corporate Directors an, die mit ESG verbundenen Risiken „sehr gut“ zu verstehen. Diese sind jedoch nicht zu unterschätzen, wie sich bereits in der Vergangenheit gezeigt hat:

  • Reputationsschäden durch Untätigkeit als Folge eines Public Shamings durch Medien oder Shitstorms auf Social­Media-Kanälen.
  • Vertrauensverlust von Investoren und Kunden, zum Beispiel durch inkonsequente Aktionen zur Bekämpfung des Klimawandels oder unzureichende Standards im Unternehmen und in der Lieferkette.
  • Verschärfte Regulierung bis hin zu ­juristischen Sanktionen wie etwa in der Automobilindustrie nach dem Abgasskandal.

Was müssen Unternehmen jetzt tun?

Entscheidend ist, zu erkennen, dass sich ESG mittlerweile in einem Stadium befindet, in dem die bloße Ankündigung von Absichten nicht mehr ausreicht, um sich als Unternehmen am Markt zu positionieren und zu differenzieren. Auf der einen Seite sind bloße Ansagen alleine aufgrund der – nicht zuletzt regulatorisch erzwungenen – erhöhten Transparenz mittel- bis langfristig nicht mehr glaubhaft. Auf der anderen Seite ergeben sich auf kurze Sicht ebenfalls keine Vorteile, da sowohl relevante Stakeholder – zu denen inzwischen eine zunehmende Anzahl von Investoren gehört – als auch Klimaaktivisten vehement Handlungen mit struktureller Tragweite einfordern. Sich mit punktuellen Kommunikationsaktivitäten zu begnügen, reicht schon jetzt nicht mehr aus.

Um erfolgreich bleiben zu können, geht es für Unternehmen nun darum, ihre Authentizität zu bewahren. Das gelingt, indem sie realisierbare Roadmaps mit belegbaren und überprüfbaren Aktivitäten entwickeln, deren Umsetzung konsequent vorantreiben und über den Fortschritt regelmäßig berichten. Zentral ist eine konsequente Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie. Die Basis dafür liefert eine strategische Wesentlichkeitsanalyse, die alle in Frage kommenden Themen nach ihren Auswirkungen auf das Unternehmen sowie nach ihrer Bedeutung für die Stakeholder priorisiert. Die daraus resultierende Strategie muss über eine klare Governance in der Organisation verankert werden. In der Folge muss sie durch ein in sich stimmiges und fokussiertes ESG-Narrativ an externe Stakeholder getragen und mit konkreten Handlungen unterfüttert werden.

Nur Unternehmen mit einem in dieser Hinsicht authentischen Auftreten haben auch die Möglichkeit, ESG-Wachstums­potenziale voll auszuschöpfen. Dazu müssen sie tunlichst den Say-Do-Gap vermeiden und stattdessen auf einen holistischen, in der Geschäftsstrategie verankerten ESG-Ansatz bauen. Denn es kommt eben nicht auf die Anzahl der publizierten ESG-Ziele und den Aktionismus eines Unternehmens an; viel wichtiger ist, dass sich die Zielerreichung auch wirklich belegen lässt.

© beigestellt

Agatha Kalandra ist seit 2016 Partnerin und Leiterin des Management Consulting Teams von PwC Österreich. Sie verfügt über einen MBA in Controlling und Finance und mehr als 25 Jahre Berufserfahrung. Ihr Fokus liegt auf Finance Transformation, HR Transformation und Sustainability.

© Strategy& Deutschland

Robert Bischof ist Partner bei Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, und leitet die ESG-Beratung in Europa. Mit über 20 Jahren Erfahrung berät er insbesondere Banken und Finanzinstitute, schwerpunktmäßig zu Nachhaltigkeits- sowie Geschäftsmodell- und Kundenstrategien, zu Digitalisierung, Ertragssteigerung und zu Vertriebseffizienz.

© PwC Österreich
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